Franziska Kelly, öfter auch Klitschko Kritikerin
Wladimir Klitschko
vs. Castillo, Dortmund, 23. April 2005
Der Kampf entscheidet sich durch das Benutzen des Kopfes...
"He is back!" - war das Motto des Kampfabends am 23. April. Nach dem Kampf war klar: Bei diesem Motto handelte es sich um eine "self fulfilling prophecy", eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Vor dem Kampf wurde viel geredet. Es sei eine undankbare Aufgabe - sagte auch Sven Ottke -, eigentlich könne Wladimir nur verlieren; denn selbst wenn er gewänne, würde es hinterher heißen: Der Gegner war zu schwach!
Nach dem Kampf beklagte Sven Ottke den viel zu schwachen Gegner...
Doch vor dem Kampf war es bereits so spannend wie nie in einer Arena. Ob Castillo die notwendige mentale Konzentration halten konnte, als diese Mega-Lasershow - eine grandiose Hommage an seinen Gegner - über die Sinne aller Anwesenden hereinbrach? Selbst vor dem Fernseher konnte man sich dem Spektakel nicht entziehen. Wie muss das erst vor Ort gewesen sein...
Dann die spontan herausgebrüllte Begeisterung der Massen beim Auftauchen ihres Helden: Wladimir Klitschko ist zurück! Jede noch so kochende Stierkampfarena kann da nicht mithalten. Und das will was heißen.
Bis er schließlich im Ring stand: zwei Meter groß, entschlossener Blick, die breiten Schultern durch einen roten Boss-Mantel hervorgehoben. Ja, da dürfte Castillo gespürt haben, dass er heute, hier, an diesem Ort, zu dieser Zeit nur ein ganz kleines Licht sein würde.
Endlich der Kampf! Doch auch da erwartete ihn eine Überraschung, die ihn offensichtlich verwirrte und konzeptlos bleiben ließ: "Jab, Jab, Jab... ja, wo ist denn die gefürchtete Rechte, auf die ich so aufpassen muss? Jab, Jab... Sie kommt nicht. Stattdessen: Jab, Jab."
Und Jab trifft. Mal durch die Deckung, mal als linker Außenhaken, wieder durch die Deckung und so weiter.
Das gleiche Spielchen in Runde zwei. Castillo re-agiert nur. Seine Betreuer kapieren nicht, dass sie dringend eine Gegenstrategie finden sollten. Haben die sich nur die verlorenen Kämpfe von Wladimir angesehen?
Runde drei ist auch schnell vorbei. Castillo steht zunehmend ratlos im Seilgeviert herum. Er geht nicht an den Gegner ran, überlässt dem seine Lieblingsdistanz. Fragt er sich immer noch, wo die Rechte bleibt? Hat ihn der Jab, der wieder und wieder einschlägt, eingelullt?
Oh, und dann kam die Rechte! Man konnte es vorab über zwei Minuten lang geradezu riechen:
"Gleich, gleich, gleich schießt er ihn ab!" - denn der Jab schlug nicht mehr ein, sondern diente nun zum Maß nehmen; bis er es gefunden hatte...
Dann war der Kampf vorbei.
Nein, der Gegner war nicht zu schwach. Er kämpfte gar nicht wirklich. Dazu kam er ja nicht. Er wurde nach allen Regeln der Kunst ausgebremst. Das ganze Spektakel verdient in Psychologie die Note Eins.
"Der Kampf entscheidet sich im Kopf", sagte Wladimir einmal. Aber es entscheidet eben auch das Köpfchen, eine wohl durchdachte Strategie also. Schon deshalb hatte Castillo nicht den Hauch einer Chance. Vielmehr wurde ihm eine Lehrstunde erteilt. Thema: "Welche vielfältigen Funktionen hat ein Jab?" Da er die Lehrstunde nicht bezahlen musste, kann er eigentlich zufrieden nach Hause fahren.
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