Ich würde jeden Satz dieses Beitrags:
https://sportforen.de/threads/o-sco...elgewicht-dazn-ppv.51063/page-24#post-6617765 unterschreiben.
Ich sehe das komplett anders. Scull hat seine Stärken ausgespielt und Canelo einen maximal engen Kampf aufgezwungen, wo beide sich nicht abheben konnten. Wenn man bedenkt, dass Scull hier als Mega-Underdog in den Kampf ging, der absolut chancenlos erschien, dann hat er einen tollen Kampf geliefert und sein Gameplan ging auf.
Ob er jetzt Underdog war oder nicht spielt eigentlich keine Rolle. Und es ist für die Leistung von Scull auch belanglos, dass sich Canelo nicht mit Ruhm bekleckert hat, dass er Scull nicht stellen konnte usf. Canelo konnte nicht (was aber auch schwer ist, wenn der andere nur rennt), Scull wollte nicht. (Mir fällt es echt schwer Canelo zu verteidigen mit seinem ewigen Punkterichterbonus usf., aber abgesehen von seinen durch das Alter nachlassenden Fähigkeiten war er an dem Kampfverlauf weitgehend unschuldig.)
Bei Canelo vs. Scull war das überhaupt nicht so. Scull rannte, Canelo schaute zu und praktisch jede Runde war ausgeglichen. Von daher ist Sculls Plan scheinbar ja ganz gut aufgegangen.
Nein, Canelo schaute nicht zu, er stapfte schwerfällig hinterher, konnten die Wege nicht abkürzen, war zu langsam, die Beinarbeit zu schlecht. Und - wurde auch schon erwähnt - er versuchte es nur mit Powerpunches, war nachträglich besehen wohl das falsche Rezept.
Ich habe vor dem Kampf ganz klar gesagt, dass Scull stilistisch sehr unangenehm und gefährlich für Canelo werden würde.
Ich schrieb im Vorfeld, dass Scull stilistisch ein viel härterer Gegner zu werden verspricht... als Munguia oder Berlanga:
Das war nun wirklich nicht schwer vorherzusehen und habe ich in einem anderen Thread auch geschrieben: Dass es einen unansehnlichen Kampf geben würde, den Canelo klar nach Punkten gewinnt. Scull ist für jeden unangenehm, weil er ein Stinker ist - aber leider nicht nur das: Wie wicked schon schrieb hat er - wiewohl hinten - rein gar nichts getan, um das noch zu drehen. Hätte er gewinnen wollen, hätte er zumindest in den letzten Runden mehr Risiko gehen müssen, aber davon war rein gar nichts zu sehen. Er ist zufrieden grinsend in die Ecke gegangen, weil Canelo wieder mal erfolglos hinterher gestapft ist - sein Erfolg bestand darin, nicht erwischt worden zu sein. Und er - und seine Ecke - wird gewusst haben, dass er hinten lag.
In meiner Perspektive hat Scull hier einen echt guten Kampf geliefert, den man auch so erwarten konnte. Vielleicht hätte er etwas mehr Risiko gehen müssen, keine Frage. Aber ich bin ehrlich, ich hätte Canelo trotzdem deutlich mehr zugetraut. Das war ein echter Totalausfall gegen einen stilistisch maximal unbequemen und undankbaren Gegner.
Totalausfall klingt hart, er hat zumindest zu Recht gewonnen. Aber bewegliche Gegner sollte Canelo an dem Punkt seiner Karriere wohl meiden wie die Pest. Crawford wird nach dieser Performance ein wenig entspannter in den Kampf gehen. Ich hatte bisher eher Canelo in diesem Kampf favorisiert, sehe das nach dem ziemlich plattfüßigen Auftritt nun aber anders, das war schon ziemlich einfallslos. Aber Crawford wird selbst auch was tun, wird schlagen und läuft von daher eher Gefahr, sich was zu fangen (und er ist körperlich kein Scull).
Deine Prognose, dass Scull maximal unangenehm sein wird, war - wie oben geschrieben - nicht sehr gewagt (und haben wohl auch viele geteilt). Der Kampf(?) war dann schrecklich aus zwei Gründen: Canelo war hilfloser als angenommen und Scull noch mehr am Rennen.
Im übrigen ist Scull natürlich ein sehr guter Boxer, das steht ganz außer Zweifel. Und vielleicht hätte er den Kampf tatsächlich gewinnen können, wenn er einen mutigeren Kampfplan gehabt hätte. Aber so war er m. E. meilenweit davon entfernt.
Ich wollte/will die Regeln ja nicht ausreizen oder kreativ ausdehnen, um z.B. parteische PR in Schutz zu nehmen. Fakt ist, dass es diese auslegbaren Regeln gibt und Boxen eben manchmal durchaus komplexer und nicht einfaches Haudrauf/Treffer zählen ist. Hat auch nichts damit zu tun, dass ich einen Sieger konstruieren kann/will, der mir vorschwebt.
Du schreibst, dass du mit einem Sieg Sculls hättest leben können: Das scheint mir aber ein absolutes Ausreizen der Regeln unabdingbar zu machen.
Früher wollte ich vieles auch nicht so sehen, aber eigentlich sind diese Regeln ua. dazu da, dass man eben eine gewisse Chancengleichheit bietet, um vielen Kampfstilen, Taktiken, Techniken usw. gerecht zu werden. Ist nicht so. dass sich die ganzen Regelersteller nichts dabei gedacht haben, Erkenntnisse aus der Boxpraxis/Boxschule dabei keine Rolle spielen usw., aber das wäre ein anderes Thema oder eine andere Diskussion.
Das verstehe ich schon, auch wenn dieser Ansatz, der ganzen Bandbreite an Stil, Taktik, Technik gerecht zu werden, leider dazu führt, dass man fast alles rechtfertigen kann. Hier eine optimale Lösung zu finden ist schwer - wohl unmöglich.
Du hast auch schon mal erwähnt, dass du von den Online-Scorings nicht wirklich viel hältst (weshalb dir die von
@wicked verlinkten Boxrec-Wertung auch wenig Eindruck machen werden). Und es ist natürlich unzweifelhaft so, dass die Mehrheit keineswegs immer Recht hat. Aber mir erscheint grosso modo die Einschätzung dieser Fans (im Sinne von Boxsport-Fans und nicht Fan für einen einzelnen Boxer) doch zumeist recht gut. Zumindest ich frage mich (wenn ich meine Meinung exklusiv zu haben scheine), ob nicht vielleicht ich selbst (ausnahmsweise natürlich

) falsch liegen könnte. (Und ja - ich würd mir mal ganz gern mit dir einen Kampf ansehen und live deine Analysen hören: So du mal nach Südostösterreich kommst und gerade einen Boxkampf ansehen willst - melde dich

).