So - jetzt habe ich mir die fraglichen zwei Runden noch 2-3 mal z.T. in Zeitlupe angesehen.
Vitali war tatsächlich beeindruckt und hat deutlich die Schlagwirkung "gespürt". Ob er tatsächlich auch kurz eingeknickt oder nur aus der Balance gekommen ist, konnte man beim besten Willen nicht erkennen.
Ich würde sagen, der Treffer hat Ihn "wachgeklingelt"
Danach hat er sich besser und mehr bewegt und nach der Szene hatte er auch realisiert, dass er Sanders doch noch etwas unterschätzt hatte.
Auf jeden Fall war er aber jederzeit voll "da", hat sich gut entzogen (das war definitiv KEIN Torkeln!) und hat sich auch mit unverändert guten Reflexen aktiv gegen Sanders' Schläge verteidigt. Auch, dass besagter Schlag an den Seilen nicht getroffen hat, würde ich keinesfalls als Zufall einschätzen. Vitali hat ein hervorragendes Gespür dafür, wie er sich bewegen muss, um nicht getroffen zu werden. Deshalb ist es bei seinem langen Oberkörper und Armen auch sehr schwer Ihn zu treffen.
Dazu kommt: Wenn er wirklich soo stark angeschlagen gewesen wäre - wer wenn nicht Corrie Sanders hätte es dann geschafft, Ihn zu finishen?
Rauschenbachs Behauptung, Vitali hätte bis Mitte der zweiten Runde keine deutlichen Treffer gelandet ist auch völlig falsch. Sanders war zwar effektiver und hat deshalb zu Recht die Runde gewonnen (im wesentlichen dank der letzten 20 Sekunden), aber Vitali hat schon in der ersten Runde 4-5 mal die Rechte im Ziel gehabt, dazu einen sehr präzisen linken Haken, der Sanders Kopf ziemlich verissen hat und außerdem waren da noch etliche Jabs, in die Sanders zum Teil reingelaufen ist. Also in Summe doch schon einiges, was Sanders gleich in der ersten Runde verdauen musste.
Dann die Sache mit Sanders' Kondition: Sanders hat (wie viele Klitschko-Gegner) sehr viel vorbeigeschlagen. Und zwar keine Byrd'schen Tupfer, sondern diese Schläge haben schon dicke Löcher in der Luft hinterlassen.
Wohl auch in Sanders' Luft. Der hat nämlich schnell gemerkt, dass er damit nicht zum Erfolg kommt und dass auch nicht lange durchhalten kann. Also hat er das gemacht, was er eh am besten kann: Den Gegner locken und erstklassige, harte und schnelle Konter setzen. Dazu 2-3 schnelle Überraschungsangriffe pro Runde, je nachdem wie die Kondition das zuließ.
Sanders hat aber m.E. einen entscheidenden Fehler gemacht: Er hat sich oft in dem Versuch, Vitali in den Rückwärtsgang zu zwingen, in SSS-Manier langsam und meist unbeweglich auf Vitali zubewegt. Und dabei hat Vitali sehr gutes Boxen im Rückwärtsgang gezeigt und Ihn etliche Male hart getroffen.
Durch die Treffer in der ersten und mehr noch in der zweiten Runde hat Sanders die Konzentration gefehlt und die extreme Schnelligkeit in den Reflexen, die Ihn vorher beim Kontern so gefährlich machten. Deshalb hat er Vitali auch kaum noch getroffen.
Wie Boxingpress so schön prophezeit hatte: Vitali hatte Ihm den Zahn gezogen. Und Ihn von da an dominiert, auch wenn Sanders durch seinen Punch und die schnellen Hände natürlich weiter gefährlich war.