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(tobias drews vergleicht in sport1 lennox und vitali)
"Eine Mischung aus Breakdance und Holzhacken"
München - Jetzt ist er also in trockenen Tüchern, der vielbeschworene "Mega-Fight" Lennox Lewis gegen Vitali Klitschko. Am 8. März nächsten Jahres soll es soweit sein, wahrscheinlich in Las Vegas. Vorher, soviel ist klar, interessiert vor allem eine Frage: Wer ist der stärkere Boxer?
Deshalb habe ich den 37-jährigen Briten und den sechs Jahre jüngeren Ukrainer miteinander verglichen - Punkt für Punkt.
1. Kondition: Lewis ist in seiner Karriere schon mehrfach über zwölf Runden gegangen. Zwar ist er älter als Klitschko, aber das halte ich nicht unbedingt für einen Nachteil. Denn Lewis weiss ganz genau, wie er seine Kämpfe zu gestalten hat, wann er Tempo machen und wann er Tempo herausnehmen muss.
Klitschko teilt sich seine Kämpfe inzwischen aber ebenfalls geschickt ein. Gegen Larry Donald war er ja auch anfangs stark, hat dann bedächtiger gekämpft und zum Schluss nochmal aufgedreht. Außerdem heisst sein Trainer Fritz Sdunek, und ich habe noch keinen Sdunek-Boxer erlebt, der Konditionsprobleme hatte.
Vorteil: unentschieden.
2. Stil: Lewis ist ein absoluter Routinier, kennt vor allem den amerikanischen Box-Stil in allen Facetten. Er kann das Tempo rausnehmen und wieder erhöhen, ganz wie er es braucht. Im Infight ist der Brite ebenfalls versiert. Und er verfügt über eine bärenstarke Führhand.
Chris Byrd, der beide Klitschkos geboxt hat, meint, dass Vitali der deutlich unangenehmere Gegner war und ist. Das liegt, so argumentiert der amerikanische Schwergewichtler, vor allem am unkonventionellen Stil des 31-Jährigen. Und tatsächlich: Vitali Klitschko boxt sehr aufrecht, ist nicht gerade geschmeidig. Seine Bewegungsabläufe sind eher eine Mischung aus Breakdance und Holzhacken.
Da dieser Stil, der ein bisschen an russische Amateur-Boxer erinnert, in keinem Fachbuch zu finden ist, dürfte Lewis seine Probleme damit bekommen.
Vorteil: Lewis (aber nur, weil er in seiner Karriere schon gegen alle möglichen Boxstile erfolgreich war).
3. Taktik: Lewis ist trotz seines - für einen Leistungssportler - fortgeschrittenen Alters immer noch für Überraschungen gut. Nachdem alle Welt kritisiert hatte, dass er keinen Aufwärtshaken beherrscht, bewies er plötzlich in einem Kampf das genaue Gegenteil. Ich bin sicher: Wenn's drauf ankommt, dann zeigt er, dass er noch mehr in petto hat.
Vitali Klitschko ist immer dann stark, wenn er nach vorne geht - das hat der Kampf gegen Donald wieder gezeigt. Genauso wie am Sonntag in Schwerin muss Vitali im März auch gegen Lewis boxen. Mit einer Einschränkung: So offen darf er sich gegen den Champion nicht präsentieren. Dafür ist Lewis einfach zu gefährlich.
Vorentscheidend werden sicher die ersten drei Runden sein: Da hat Lewis oft Probleme, wie der Rückkampf gegen Hasim Rahman oder auch der Fight gegen Mike Tyson gezeigt haben.
Vorteil: Lewis
4. Nerven: Lewis befindet sich ja gewissermaßen schon auf Abschiedstour (geplant sind nach Vitali Klitschko ein Rückkampf gegen Mike Tyson und ein Fight gegen Wladimir Klitschko). Denkt ein Boxer aber schon an den nächsten oder gar übernächsten Kampf, kann das bekanntlich leicht nach hinten losgehen.
Klitschko hat gegen Donald unter höchstem Druck einen Superkampf abgeliefert. Nicht nur weil extrem viel auf dem Spiel stand, sondern auch weil seine Frau kurz zuvor die gemeinsame Tochter zur Welt gebracht hatte. Auch in früheren Kämpfen - wie zum Beispiel gegen Herbie Hyde - war Vitali stets der Fels in der Brandung.
Vorteil: unentschieden
5. Nehmerfähigkeiten: Lewis ist in seiner zugegebenermaßen langen Karriere schon zwei Mal zu Boden gegangen - gegen Oliver McCall und gegen Hasim Rahman. Gegen Shannon Briggs war der Brite schon schwer angeschlagen.
Vitali Klitschko hat zwar weniger Kämpfe absolviert als Lewis (33:43) und dabei auch nicht ganz so hochkarätige Gegner geboxt, aber er ist nie K.o. gegangen. Das spricht für seine Nehmerfähigkeiten.
Vorteil: Klitschko
6. Trainer: Emanuel Stewart, der Trainer von Lewis, ist dafür bekannt, dass er vor allem auf große Schlagstärke Wert legt. Er hat in seiner langen Karriere viele berühmte Kämpfer betreut wie Evander Holyfield oder Michael Moorer. Stewart kennt das Box-Geschäft aus dem Effeff.
Ich muss gestehen, dass ich ein großer Fan von Fritz Sdunek, dem Trainer der Klitschkos, bin. Er schafft es, das Beste aus seinen Boxern herauszuholen. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Er verfolgt dabei kein starres Konzept, sondern geht auf die Stärken und Schwächen der einzelnen Leute ein.
Vorteil: Klitschko
Fazit: Ich glaube, der Kampf wird eine ganz enge Kiste. Die Chancenverteilung würde ich bei 51:49 Prozent zugunsten von Lennox Lewis sehen. Also für Spannung ist gesorgt!
Euer Tobias Drews