Auf dem Papier hat der FC Chelsea eigentlich eine recht solide Saison hinter sich. Mit Platz 3 konnte man sich hinter den beiden alles überstrahlenden Teams immerhin als “best of the rest” behaupten und die Rückkehr in die Champions League fixieren, zudem konnte man mit einem fulminanten 4:1-Erfolg über Arsenal im Europa League-Finale auch noch einen Titel einfahren. Im Ligacup wäre fast ein zweiter dazugekommen, nachdem man unter anderem Liverpool und Tottenham eliminieren konnte, aber im Finale im Elfmeterschießen gegen Ligaprimus Man City knapp den Kürzen zog. Eigentlich eine anständige Bilanz für Coach Maurizio Sarri, der erst im Sommer den früheren Meistercoach Antonio Conte beerbte - und trotzdem blicken die Blues auf eine ziemlich turbulente Spielzeit zurück.
Dabei konnte sich gerade der Saisonbeginn sehen lassen: 12 Spiele zum Start ungeschlagen (darunter 8 Siege), womit man auch mit Man City und Liverpool noch mithalten konnte. Schon da war die Kritik der Fans am “Sarriball” aber nicht zu überhören, und im weiteren Saisonverlauf sollten die kritischen Stimmen nicht unbedingt leiser werden. Nicht nur das Mittelfeld, indem Superstar N’Golo Kante umgestellt wurde, um Sarri-Musterschüler Jorginho zur Geltung zu bringen, stieß den Anhängern übel auf. Im Winter häuften sich dann auch die schlechten Ergebnisse: auf ein 0:2 gegen Arsenal folgten bald eine 0:4-Klatsche gegen Bournemouth und eine 0:6-Demütigung gegen Man City, und nachdem Torhüter Kepa im Ligacup-Finale die Auswechslung verweigerte, wurde auch Sarris Autorität in Frage gestellt. Chelsea schaffte wie erwähnt dann noch einen mehr als versöhnlichen Saisonabschluss, doch dass Sarri den Verein nach einer Saison wieder in Richtung Italien verließ, war keine Überraschung mehr. Sein Nachfolger ist mit Frank Lampard eine echte Vereinslegende, und man darf gespannt sein, wie sich die Blues unter dem einstigen Mittelfeldstar präsentieren werden.
Neue Gesichter sind im Kader der Blues rar gesät, denn für Verstöße im Jugendbereich bekam man eine Transfersperre aufgebrummt, die man auch durch Proteste und ein Einsprüche nicht mehr verschieben konnte. Einziger “echter” Neuzugang ist demnach Christian Pulisic, den man schon im Januar für 64 Millionen Euro von Borussia Dortmund verpflichtete und für die Rückrunde zurück nach Deutschland schickte. Auch Mateo Kovacic, letztes Jahr von Real Madrid ausgeliehen, stößt nun fix zum FC Chelsea, für ihn überwies man 45 Millionen nach Spanien. Dem gegenüber steht in erster Linie der Abgang von Superstar Eden Hazard, den man trotz Transfersperre für 100 Millionen Euro nach Madrid ziehen ließ. Kurz vor der Deadline erzwang dann auch noch David Luiz seinen Wechsel zum Stadtrivalen Arsenal, was man sicher leichter kompensieren wird können als den Hazard-Abschied. So oder so wird die “Loan Army” (Chelsea hatte letztes Jahr immerhin 41 Spieler verliehen, die nun großteils zurückkehrten) gefragt sein, die fehlenden Neuverpflichtungen zu kompensieren.
Zugänge:
Christian Pulisic (Dortmund)
Abgänge:
Eden Hazard (Real Madrid), David Luiz (Arsenal), Gary Cahill (Crystal Palace), Danny Drinkwater (Burnley/Leihe), Ethan Ampadu (Leipzig/Leihe), Ola Aina (Turin), Tomas Kalas (Bristol), Rob Green (Karriereende)
Manager: Frank Lampard
13 Jahre lang kickte Frank Lampard für die Blues, ehe er 2014 den Verein verließ und bei New York City und Man City (als Leihspieler) seine illustre Karriere ausklingen ließ. Im Anschluss an seine aktive Karriere wechselte er in den Trainerbereich und übernahm 2018 den Zweitligisten Derby County. Mit den Rams, die seit vielen Jahren sehnsüchtig auf eine Rückkehr in die Premier League warten, konnte er immerhin einen Playoff-Platz erreichen - und dann fast den Aufstieg schaffen: den klaren Favoriten Leeds warf man nach 0:1 im Hinspiel noch mit 4:2 aus dem Rennen, im Finale zog man letztlich knapp gegen Aston Villa den Kürzeren. Als ihn “seine” Blues dann baten, die Nachfolge von Maurizio Sarri anzutreten, konnte Frank nicht ablehnen. Es wird spannend zu beobachten, wie sich der 41-Jährige in der Premier League schlägt.
Player to watch: Mason Mount
Als Frank Lampard im Mai mit Derby County im Aufstiegsplayoff knapp an Aston Villa scheiterte, stand bei den Rams auch Mason Mount 90 Minuten lang auf dem Platz. Von Chelsea ausgeliehen, zählte der 20-Jährige zu den absoluten Schlüsselspielern Lampards: insgesamt 11 Tore und 6 Assists konnte Mount, der vorrangig als 10er unterwegs ist, in 44 Spielen für Derby County erzielen. Dass ihn Chelsea aufgrund der Transfersperre nicht mehr verleihen würde, hat sich schon vor Lampards Verpflichtung abgezeichnet - und in der Vorbereitung konnte sich Mount auch schon sehr gut in Szene setzen. Er wird vielleicht nicht sofort zur Startelf gehören, aber im Laufe der Saison wird er genügend Chancen bekommen, sein Talent unter Beweis zu stellen.
X-Factor: Loan Army
Kenedy, Kurt Zouma, Mason Mount, Tammy Abraham, Michy Batshuayi, Tiemoue Bakayoko - nur einige der Namen, die letztes Jahr leihweise für andere Vereine aufliefen und nun zum FC Chelsea zurückgekehrt sind. Und weil die Blues durch die Transfersperre kaum Neuzugänge präsentieren konnten, wird so mancher Leihspieler in die Bresche springen müssen. Vor allem Kenedy, Zouma, Mount und Abraham dürfen sich vermutlich auf relativ viel Spielzeit freuen. Gerade im Angriff wird man den Abgang Hazards nur im Kollektiv kompensieren können - die sind natürlich auch Spieler wie Pulisic oder der aktuell verletzte Callum Hudson-Odoi gefragt.
Prognose: 4.-6.
Auch Chelsea ist wahnsinnig schwer einzuschätzen. Der Abgang Hazards und die Transfersperre wiegen schwer, auf der anderen Seite ist der Kader trotzdem sowohl quantitativ als auch qualitativ gut aufgestellt und mit Lampard weht ein frischer Wind durch die Stamford Bridge. Von der erneuten CL-Quali bis zur Enttäuschung ist da alles möglich.