Gestern wurden dann noch viele Details zum Ratcliffe-Einstieg bekannt.
- kurzfristig vielleicht das Wichtigste vorneweg: auch wenn es noch ~6 Wochen dauern wird, bis alles offiziell ist, können keine sportlichen Entscheidungen mehr ohne das Abnicken von INEOS getroffen werden. Das betrifft dann auch einen eventuellen Trainerwechsel sowie alle Transferentscheidungen im Januar-Fenster ... sprich: im Prinzip sind die Glazers als sportliche Entscheidungsträger schon jetzt abgelöst, was, gelinde gesagt, eine sehr gute Sache ist.
- INEOS steigt erst mal mit 25 Prozent ein, bis Ende 2024 wird der Anteil durch den Kapitalzuschuss auf 29 Prozent steigen. INEOS verpflichtet sich demnach, 300 Millionen Dollar in den Verein zu schießen: 200 Millionen bei Abschluss und weitere 100 Millionen bis Ende 2024. Dieses Geld soll der Infrastruktur zugute kommen, sprich komplett ins baufällige Old Trafford fließen. Diesbezüglich laufen aber ohnehin schon langfristige Pläne, denn es wird sehr viel mehr Geld nötig sein, um das Stadion entweder zu renovieren oder durch den Bau einer neuen Hütte zu ersetzen (was durch diverse Gutachten, die dem Old Trafford bescheinigen, dass es rasant "auf das Ende des Lebenszyklus zugeht", durchaus nahe liegt).
- nach 18 Monaten greifen dann auch "drag along rights". Das bedeutet effektiv, dass, sollte noch mal jemand auf den ganzen Verein bieten, Ratcliffe entweder a.) durch sein matching right den Verein zu eben jenem Angebotspreis selber kaufen kann oder b.) zum Verkauf seiner Anteile gezwungen wird, wenn er a.) ablehnt. Diese Regelung macht natürlich Sinn, weil ein potenzieller neuer Eigentümer ja nicht alles haben kann, wenn Ratcliffe mit seinen Anteilen die sportliche Leitung inne hat. Aber es ist insofern wichtig, weil durch diese Regelung effektiv garantiert wird, dass die Glazers eben jene sportliche Leitung einfach gar nicht mehr haben können: entweder sie bleibt bei INEOS, oder sie geht irgendwann an einen neuen Eigentümer über. Aber sie geht nicht zurück an die Glazers, und auch das ist natürlich eine sehr gute Sache.
- INEOS hat in verschiedenen Bereichen "consent rights", die effektiv bedeuten, dass es jetzt drei Jahre lang keine Gewinnausschüttung mehr geben wird (werden die Blutsauger verkraften, nachdem sie von Ratcliffe eine Milliarde einsacken) und dass ein Jahr lang keine neuen Anteile verkauft werden. INEOS hat zudem ein Vorkaufsrecht auf die Class B-Aktien der Glazers. Ratcliffe hat sich den Deal noch mit einer 66 Millionen-Strafzahlung abgesichert, die fällig werden würde, wenn die Glazers während der nächsten Wochen noch mal verzögern oder sich gar anderwertig umschauen würden.
- einen etwaigen Komplettverkauf kann man auch ganz gut beziffern, weil im Rahmen des INEOS-Einstiegs festgelegt wurde, dass die Anteile nur zu mindestens je 33 Dollar verkauft werden können. Bis 2024 werden noch 9 Millionen neue Aktien ausgegeben, dadurch steigt das Gesamtvolumen auf knapp 172 Millionen Anteile ... macht bei 33 Dollar pro Aktie dann also knapp 5,7 Milliarden Dollar, die man löhnen müsste. Exklusive Schuldenberg, versteht sich.
Soweit erst mal die harten Fakten. Ich bin sehr zufrieden, muss ich sagen ... für jemanden wie mich, der a.) die Glazers am besten gestern loshaben möchte, aber b.) den Verein nicht in den Händen eines Ölscheichs sehen will, ist dieses Konstrukt definitiv akzeptabel. Ich hätte mir natürlich auch gewünscht, dass der Verein komplett verkauft wird und man die Glazers endgültig los ist, aber dass die sportlichen Entscheidungen nun zu 100 Prozent in anderen Händen liegen, ist schon wahnsinnig viel wert.
Man wird jetzt sehen, wie man die Struktur effektiv gestalten wird. Dass Dave Brailsford und Jean-Claude Blanc Schlüsselpositionen einnehmen werden, liegt auf der Hand, aber es ist noch nicht ganz klar, wie das im Detail aussehen wird. Im Gegensatz zu Richard Arnold stehen bei John Murtaugh die Zeichen darauf, dass er in einer administrativen Rolle im Verein bleiben wird, aber als Sportdirektor wird man ihn definitiv ersetzen. Die Gerüchteküche sieht hier jedenfalls Kandidaten wie Paul Mitchell, Julian Ward und Dan Ashworth. So oder so würde ich erwarten, dass man bei INEOS hofft, dass, sofern er in deren Augen nicht als langfristige Lösung taugt, ten Hag zumindest bis Saisonende durchhält, während die im Hintergrund an der Struktur schrauben und die Weichen stellen. Würde jedenfalls Sinn machen, wenn der neue Sportdirektor mit seinem neuen Stab dann einen Trainer holt, der zur gewünschten Philosophie passt.