Ist diese Niederlage die Geschichte Ihrer zwölf vergebenen Breakbälle?
Roger Federer: Es kamen verschiedene Faktoren zusammen. Aber die Breakbälle liefen wirklich nicht, wie ich es erhofft hatte. Schon am Hopman-Cup hatte ich ihn nie gebreakt, also habe ich gegen ihn wohl ein Problem mit dem Return. Er verteidigte sich aber auch gut.
Wie stufen Sie Ihre Leistung ein?
Sie war okay. Ich verlor gegen einen besseren Spieler, einen, der sehr gut war. Er biss sich in die Partie rein, verschaffte sich Chancen und blieb ruhig. Das ist nicht immer einfach, speziell für junge Spieler. Dafür verdient er Anerkennung. Im Verlauf der Partie veränderten sich die Bedingungen, wie jedes Jahr in Partien um diese Uhrzeit. Mit der Zeit wurde es schwieriger, den Gegner zu bedrängen. Die Bedingungen waren langsamer als letztes Jahr. Das erschwerte es zu variieren.
Für viele kommt diese Niederlage wie aus heiterem Himmel. Auch für Sie?
Dass man (in Melbourne) nach drei Jahren wieder einmal verliert, ist normal. Für mich ist die Normalität eingekehrt. Es brauchte zwar eine gute Leistung des Gegners, und die konnte er abrufen. Ich hatte gewusst, dass es gegen ihn schwierig werden würde, weil er schon in Perth stark gespielt hatte. Ich dachte schon, dass das eine schwierige Auslosung war.
Wie steckten Sie die vielen vergebenen Chancen weg?
Ich musste das einfach akzeptieren, dreieinhalb Stunden lang. Das ist eben
Tennis. Gleichzeitig blieb ich ruhig, weil ich mir ja Möglichkeiten erarbeiten konnte. Ich war genau dort, wo ich sein wollte. Seine Stärke ist, dass er den Ball früh nimmt und dir keine Zeit lässt. Ich muss zusammen mit meinem Team analysieren, was schief lief. Aber ich weiss, mein Spielniveau war da. Wenn man so viele Chancen auslässt, heisst das nicht, dass alles schlecht war. Es brauchte auch jemanden auf der anderen Seite, der präsent war. Ehrlich gesagt denke ich nicht, dass ich vieles anders machen würde.
Hatten Sie erwartet, dass er irgendwann eine Krise haben würde?
Als ich mit 1:2 Sätzen zurücklag, dachte ich schon: Jetzt habe ich ein Problem, und er sieht nun bereits die Ziellinie. Das hätte nicht geschehen sollen, aber er hatte sich diesen Vorsprung auch erarbeitet und gezeigt, wozu er fähig ist. Deshalb war schon zu erwarten, dass er den Vorsprung nach Hause bringen würde. Dass ich das nicht verhindern konnte, ist enttäuschend.
John McEnroe sagte, das Resultat bedeute eine Wachablösung. Könnte Tsitsipas ein Leader der nächsten Generation werden?
Sicher. McEnroe ist oft vor dem Mikrofon. Ich mag ihn, aber solche Geschichten höre ich schon seit zehn Jahren. Allerdings hat Stefanos seine Sache in den vergangenen eineinhalb Jahren wirklich hervorragend gemacht, mit seinen Siegen gegen Djokovic in Toronto, gegen Anderson, Zverev und nun mich. Das ist es, was du tun musst, um das nächste Niveau zu erreichen, und für ihn ist das toll.
Spürten Sie von Beginn weg, dass es schwierig werden würde?
Nein. Was heute geschah, bedaure ich massiv. Vielleicht sieht man mir das nicht an, aber es ist so. Ich hätte den zweiten Satz einfach gewinnen müssen, egal wie. Er kostete mich den Sieg.
Empfanden Sie das Publikum teilweise als störend?
Als störend? Es war grossartig, sogar fantastisch. Dass zwischendurch mal ein aufgeregter Fan etwas reinschreit, ist okay. Ich habe es lieber so, als wenn es totenstill ist.
Wie geht es weiter in den nächsten Monaten?
Mein Programm bis Wimbledon steht praktisch fest, es ist auch klar, dass ich wieder auf Sand und in Roland Garros spielen werde.
Hat der Entscheid etwas mit dieser Niederlage zu tun?
Überhaupt nicht. Ich habe wieder Lust auf Sandturniere und denke, dass ich sie geniessen werde. Die vergangenen zwei Jahre war es gut, darauf zu verzichten, und im Jahr davor liess ich das French Open verletzt aus. Momentan habe ich auch nicht das Gefühl, eine lange Pause zu benötigen.
Mit welchen Gefühlen verlassen Sie Australien?
Ich fühle mich körperlich sehr gut, habe keine Problem mit dem Rücken, dem Knie oder sonst etwas. Es ist ein gutes Gefühl, ein Turnier in diesem Zustand zu verlassen. Dabei habe ich heute dreieinhalb Stunden hart gekämpft. Viele Leute hatten in der Vergangenheit das Gefühl: Wenn Federer in Form ist, verliert er nie. Aber die Unterschiede sind eben klein. Vor allem, wenn man so viele Breakbälle vergibt, in alle Himmelsrichtungen. (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)