@Deontay: Ich schätze dich wirklich sehr, deine Beiträge, deine Arbeit, die du hier machst.
Danke
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Das las ich schon einige Male von Dir, immer wieder nett zu sehen.
Aber beim deutschen Boxen scheinst du Objektivität und Neutralität weitgehend zu verlieren. Ich kann das nicht nachvollziehen, vielleicht auch deshalb, weil es mir an patriotischen Gefühlen weitgehend mangelt (als Österreicher wäre ich bezüglich des Boxsportes ohnehin durch das Nichtvorhandensein relevanter Kämpfer arm dran, mir ist es allerdings auch ziemlich wurscht, ob ein Österreicher oder Deutscher als Schnellster über eine Schipiste rutscht: Wenn er in Berchtesgaden wohnt, darf ich mich über seinen Sieg nicht freuen, ist er aber zufällig ein paar Kilometer weiter östlich geboren, soll ich ihn bejubeln. Versteh ich nicht wirklich - auch angesichts der Tatsache, dass Grenzziehungen immer willkürlich sind.)
Ich will, dass im Sport der Bessere gewinnt, ich drücke vielleicht für den mir sympathischer Erscheinenden die Daumen (soweit ich das zu beurteilen vermag). Ich will nicht, dass ein Österreicher irgendwas irgendwo gewinnt, weil er mein Landsmann ist. Es soll so fair zugehen wie möglich - und nur weil es Usus ist, mehr oder weniger offenkundig zu betrügen, ist es nicht akzeptabel. Dieses Betrugsverhalten wurde richtiggehend internalisiert in der Sauerland-Universum-Ära, dass man sogar von einem legitimen "Weltmeisterbonus" zu sprechen geneigt war (obwohl es den nicht gab und er nur in den Köpfen der Leute existierte).
Ich schreibe mal etwas dazu. Ist natürlich etwas OT, aber durch die Verbindung mit AGON geht das wohl noch.
Aus meiner Perspektive ist der Support von Landsleuten das Normalste der Welt. Das findet auch überall auf der Welt exakt so statt. In manchen Regionen werden die eigenen Schützlinge so sehr in den Himmel gelobt, dass sie schon teilweise verklärt werden.
Grundsätzlich ist Support doch etwas Tolles und Nützliches. In anderen Sportarten wird das ebenfalls zelebriert. Wenn im Fußball die Nationalmannschaft spielt, steht dann nicht jeder Zweite auf, schaut zu und bangt mit?
Im Wintersport kenne ich mich hingegen weniger aus, aber im ORF wurde sicherlich auch frenetisch gejubelt, wenn die österreichische Nationalmannschaft im Skispringen Gold bei Olympia holte. Da braucht man doch nicht so zu tun, als ob sich die Zuschauer über den Erfolg einer anderen Nation genauso gefreut hätten wie über den der eigenen. Das ist normalerweise nicht der Fall.
Im Boxen ist die Situation noch einmal anders gelagert. Du als Österreicher wirst das wohl nicht genauso bewerten können.
Egal mit wem man hierzulande spricht – stets folgt der Wunsch nach großen Zeiten im deutschen Boxsport. Man unterhält sich darüber, ob und wie man diese Zeiten wieder erreichen kann, über das Hier und Jetzt, darüber, wie bescheiden sich alles anfühlt usw.
Vor einigen Jahren war Deutschland der Mittelpunkt großer Stadionevents mit den Klitschkos, man hatte Weltmeisterstars, ausverkaufte Hallen und millionenschwere Sendezeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Heute sieht es deprimierender aus. Es gibt kaum noch Boxer, die international mithalten können. Das Interesse ist sehr gering geworden, und die Sichtbarkeit des deutschen Boxsports ist praktisch nicht mehr vorhanden. Das tut durchaus weh, weil man diese Sportart liebt und sich auch einen erfolgreichen und gut sichtbaren Boxsport in Deutschland wünscht.
Natürlich wird der deutsche Boxsport nicht automatisch erblühen, nur weil ein Kubaner eines deutschen Boxstalls gegen Canelo kämpft. Aber AGON ist derzeit die erfolgreichste Boxpromotion Deutschlands. Ohne jemanden wie Ingo gäbe es diese Erfolge aktuell nicht. AGON allein wird das Dilemma nicht lösen können, aber ich respektiere ihre gute Arbeit und unterstütze sie. Wobei man sagen muss, dass ich alle ambitionierten Akteure hierzulande unterstütze, die trotz schwerer Bedingungen etwas auf die Beine stellen.
Sei es AGON, Universum – oder auch ein neues Projekt wie die German Boxing Series. Jeder Akteur wird von mir zunächst unterstützt, weil es eben Leute braucht, die etwas anpacken und verändern.
Ich selbst habe mit AGON nichts zu tun. Mit Ingo habe ich beispielsweise noch nie ein einziges Wort gewechselt – weder persönlich noch virtuell. Da besteht keinerlei freundschaftliche Beziehung, keinerlei Kontakt oder irgendetwas. Ich mache das aus Fanperspektive, weil ich es schön finde, wenn eine deutsche Promotion etwas auf die Beine stellt.
Das bedeutet allerdings nicht, dass man Betrügereien gutheißen muss. Meiner Meinung nach war Scull vs. Shishkin so eng, dass man das Urteil durchaus Scull geben konnte. Es war alles viel zu knapp, um nun von einem großen Betrug zu sprechen.
Schade finde ich es eher, wenn man, anstatt sich über die große Canelo-Gelegenheit zu freuen, hier von Betrug spricht.
Natürlich wird sich niemals ein Akteur des deutschen Boxsports dieses Forum durchlesen, denn das kann nur frustrierend sein. Da investiert man Millionen, sichert sich die Dienste eines unbekannten Kubaners, macht ihn zum Weltmeister und ermöglicht ihm die größte Bühne der Welt in Riad gegen Canelo – und trotzdem kommt nur Negativität. Das ist komplett sinnlos.
Ich habe da sicherlich in manchen Fragen eine schwarz-rot-goldene Brille auf, das kann sein – dennoch ist der heimische Support ein zentraler Baustein, damit sich eine stabile Boxbasis im Land entwickeln kann. Es gibt beispielsweise einige Interessenten, die das Schwergewicht und große internationale Kämpfe verfolgen. Doch daraus zieht man zu wenig.
Ich kann nur auf den MMA-Sport verweisen, der mit Oktagon eine riesige Organisation hervorgebracht hat, die den MMA-Sport auch auf das schwächere deutsche und europäische Niveau gelenkt hat.
Der Sport erfreut sich wachsender Beliebtheit im Mainstream, wovon sowohl die hiesigen Kämpfer als auch die Superstars der internationalen Organisationen profitieren. Es entsteht eine Basis – und als Boxfan kann man darauf nur neidisch blicken.