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@Realist
Du hast Deine Auffassung sehr umfangreich und nachvollziehbar erläutert, dafür ein :thumb:
Ich sehe es trotzdem in Teilen anders.
Steward hat bekanntlich versucht, Wladimirs Schwächen abzustellen - das ist aber ebenso bekanntlich nur teilweise gelungen. Seine Beinarbeit ist wesentlich besser geworden, im Rückwärtsgang boxen kann er immer noch nicht und bewegt sich dabei auch schlecht. Im Infight ist er schwach, Kontern gehört weiterhin nicht zu seinen Stärken, Das Maß an Variabilität, dass er noch unter Sdunek besessen hat, ist einer effektiven Eindimensionalität gewichen. Was er nicht kann, wird durch Dirty Tactics und Situationsvermeidung überdeckt. Ergebnis ist ein in den stärksten Momenten verdammt gutes Paket, dass in Kombination mit den Outmatching-Elementen im Ring von der derzeitigen Konkurrenz verdammt schwer zu besiegen ist. Ich erkenne bei Wladimir allerdings eine Gefahr, die er sich selbst auferlegt hat. Ich vergleiche Wladimir da mit Sven Ottke. Der hat auch ein bemerkenswert effizientes Paket geschnürt, dann aber angefangen dieses Paket mit großer Selbstsicherheit und dem Wissen um die Verlässlichkeit des jeweiligen Ringrichters zu pervertieren. Auch bei Wladimir scheint das der Fall zu sein. Wladimir hat unter Steward gelernt, Situationen zu vermeiden, die er boxerisch nicht lösen kann. Man kann nun sicherlich nicht den Povetkin-Kampf als alleinige Referenz für den aktuellen Stand hernehmen, trotzdem erscheint mir eine wachsende Tendenz dazu zu bestehen, die Dirty Tactics auch dann einzusetzen, wenn gar keine Situation vorhanden ist, die er nur mit diesen Mitteln lösen kann. Hat er noch im Wach-Kampf bemerkenswert offensiv und für seine Verhältnisse variabel agiert, war das genaue Gegenteil gegen den auch eher limitiert boxenden Povetkin der Fall.
Man kann also auch schon anhand früherer Kämpfe den Eindruck haben, dass Wladimir sich genau mit seinen Gegnern beschäftigt und wenn er auch nur irgendeine Gefahrenquelle ausgemacht hat, dann zelebriert er seine dreckige Vermeidungsstrategie bis zum Exzess. Es scheint so zu sein - genauso wie bei Ottke -, dass er wie damals Sauerland den Verband/die Verbände und dessen/deren Offizielle - mit welchen Mitteln auch immer - so gut im Griff hat, dass er diese Dirty Tactics ohne die Gefahr einer ernsthaften Ahndung durchziehen kann. Gegen diese Nummer werden sich auch Weltklasse-Gegner schwer tun, erst Recht Pulev.
Eine Chance für Pulev entsteht in diesem System neben eigenen boxerischen Mitteln dann, wenn Wladimir es sich in der Perversion dieses Systems zu komfortabel einrichtet. Das konnte man schon im Povetkin-Kampf sehen, wo Wladimir irgendwann nur noch abklammern wollte und dann sogar offen mit ausgestreckten Armen auf Povetkin losgegangen ist. Ein cleverer Boxer als Povetkin hätte die sich offenkundig bietende Chance genutzt, wenn sich Wladimir nur noch auf die Klammerei konzentriert und andere technische und taktische Überlegungen komplett fallen lässt. Wer tief genug in einem solchen System steckt, hat dann auch Schwierigkeiten wieder umzuschalten.
Die Frage ist in der Tat, ob Pulev genug Instinktboxer ist, um solche Chancen zu nutzen. Sanders war das. Du hast umfangreich dargelegt, warum Pulev nicht so abgeklammert werden kann wie z.B. Povetkin.
Ich sehe das anders. Neben den Dirty Tactics gehört es seit Jahren zu Wladimirs Strategie den Gegnern früh mit harten Treffern den Schneid abzukaufen. Das hat gegen Haye gut funktioniert, gegen Povetkin war es offenkundig auch der Fall und es lässt sich eine lange Linie an Gegnern aufzählen, die irgendwann statt durchdachter Offensivbemühungen auf Überlebenskampf mit Alibiangriffen umgeschaltet haben. Es wird begrenzt interessant werden, wie viel Instinkt und körperliche Präsenz bei Pulev nach den ersten harten Treffern noch bleibt. In der Regel ist es Wladimir, der sich mit Treffern noch mehr Respekt verschafft, selten ein Gegner.
Der erste Thompson-Kampf hat gezeigt, dass Wladimir durchaus Treffer nehmen kann, auch eine hohe Zahl an Treffern. Ich bin bei denjenigen, die meinen, Wladimir wolle Treffer unbedingt vermeiden, dass bedeutet aber nicht, dass er wie so oft kolportiert, auseinander fällt, wenn er welche schlucken muss. Er gerät auch nicht mehr in Panik, wenn er unter Druck gerät. Aus zu großer Selbstsicherheit hat sich im Wach-Kampf eine kurzfristig kritische Situation ergeben, die er problemlos mit deutlich mehr Übersicht wie in früheren Tagen gelöst hat. Er stolpert manchmal unkontrolliert im Rückwärtsgang, Panik ist aber etwas anderes. In diese Richtung sollte man nicht weiter an alten Legenden stricken.
Ich bin bei Dir, wenn Du sagst, dass Pulev theoretisch die Mittel hätte, um Wladimir einen ausgeglichenen Kampf aus der Distanz zu liefern. Wenn man es körperlich und technisch kann, dann boxt man Wladimir am besten aus der Distanz und Halbdistanz. Haye und Thompson haben gezeigt wie anfällig Wladimir für den Jab des Gegners ist. Wenn man aber den sich auf Gürtelhöhe abduckenden Ranschieb-Infightwühler gibt, sieht man gegen Wladimir unter den bestehenden Outmatching-Bedingungen kein Land. Entweder man kann Wladimir kommen lassen um ihn mit Präzision auszukontern oder man setzt den eigenen Jab durch. Alles andere funktioniert unter den herrschenden Bedingungen nicht. Es wäre also schon viel gewonnen, wenn Pulev sich als erster Gegner seit längerer Zeit mal an einer intelligenten Taktik versucht. Der Thompson-Kampf hat da bei mir die Zweifel verstärkt, die ich bis dahin schon an Pulev hatte.
Du hast Deine Auffassung sehr umfangreich und nachvollziehbar erläutert, dafür ein :thumb:
Ich sehe es trotzdem in Teilen anders.
Steward hat bekanntlich versucht, Wladimirs Schwächen abzustellen - das ist aber ebenso bekanntlich nur teilweise gelungen. Seine Beinarbeit ist wesentlich besser geworden, im Rückwärtsgang boxen kann er immer noch nicht und bewegt sich dabei auch schlecht. Im Infight ist er schwach, Kontern gehört weiterhin nicht zu seinen Stärken, Das Maß an Variabilität, dass er noch unter Sdunek besessen hat, ist einer effektiven Eindimensionalität gewichen. Was er nicht kann, wird durch Dirty Tactics und Situationsvermeidung überdeckt. Ergebnis ist ein in den stärksten Momenten verdammt gutes Paket, dass in Kombination mit den Outmatching-Elementen im Ring von der derzeitigen Konkurrenz verdammt schwer zu besiegen ist. Ich erkenne bei Wladimir allerdings eine Gefahr, die er sich selbst auferlegt hat. Ich vergleiche Wladimir da mit Sven Ottke. Der hat auch ein bemerkenswert effizientes Paket geschnürt, dann aber angefangen dieses Paket mit großer Selbstsicherheit und dem Wissen um die Verlässlichkeit des jeweiligen Ringrichters zu pervertieren. Auch bei Wladimir scheint das der Fall zu sein. Wladimir hat unter Steward gelernt, Situationen zu vermeiden, die er boxerisch nicht lösen kann. Man kann nun sicherlich nicht den Povetkin-Kampf als alleinige Referenz für den aktuellen Stand hernehmen, trotzdem erscheint mir eine wachsende Tendenz dazu zu bestehen, die Dirty Tactics auch dann einzusetzen, wenn gar keine Situation vorhanden ist, die er nur mit diesen Mitteln lösen kann. Hat er noch im Wach-Kampf bemerkenswert offensiv und für seine Verhältnisse variabel agiert, war das genaue Gegenteil gegen den auch eher limitiert boxenden Povetkin der Fall.
Man kann also auch schon anhand früherer Kämpfe den Eindruck haben, dass Wladimir sich genau mit seinen Gegnern beschäftigt und wenn er auch nur irgendeine Gefahrenquelle ausgemacht hat, dann zelebriert er seine dreckige Vermeidungsstrategie bis zum Exzess. Es scheint so zu sein - genauso wie bei Ottke -, dass er wie damals Sauerland den Verband/die Verbände und dessen/deren Offizielle - mit welchen Mitteln auch immer - so gut im Griff hat, dass er diese Dirty Tactics ohne die Gefahr einer ernsthaften Ahndung durchziehen kann. Gegen diese Nummer werden sich auch Weltklasse-Gegner schwer tun, erst Recht Pulev.
Eine Chance für Pulev entsteht in diesem System neben eigenen boxerischen Mitteln dann, wenn Wladimir es sich in der Perversion dieses Systems zu komfortabel einrichtet. Das konnte man schon im Povetkin-Kampf sehen, wo Wladimir irgendwann nur noch abklammern wollte und dann sogar offen mit ausgestreckten Armen auf Povetkin losgegangen ist. Ein cleverer Boxer als Povetkin hätte die sich offenkundig bietende Chance genutzt, wenn sich Wladimir nur noch auf die Klammerei konzentriert und andere technische und taktische Überlegungen komplett fallen lässt. Wer tief genug in einem solchen System steckt, hat dann auch Schwierigkeiten wieder umzuschalten.
Die Frage ist in der Tat, ob Pulev genug Instinktboxer ist, um solche Chancen zu nutzen. Sanders war das. Du hast umfangreich dargelegt, warum Pulev nicht so abgeklammert werden kann wie z.B. Povetkin.
Ich sehe das anders. Neben den Dirty Tactics gehört es seit Jahren zu Wladimirs Strategie den Gegnern früh mit harten Treffern den Schneid abzukaufen. Das hat gegen Haye gut funktioniert, gegen Povetkin war es offenkundig auch der Fall und es lässt sich eine lange Linie an Gegnern aufzählen, die irgendwann statt durchdachter Offensivbemühungen auf Überlebenskampf mit Alibiangriffen umgeschaltet haben. Es wird begrenzt interessant werden, wie viel Instinkt und körperliche Präsenz bei Pulev nach den ersten harten Treffern noch bleibt. In der Regel ist es Wladimir, der sich mit Treffern noch mehr Respekt verschafft, selten ein Gegner.
Der erste Thompson-Kampf hat gezeigt, dass Wladimir durchaus Treffer nehmen kann, auch eine hohe Zahl an Treffern. Ich bin bei denjenigen, die meinen, Wladimir wolle Treffer unbedingt vermeiden, dass bedeutet aber nicht, dass er wie so oft kolportiert, auseinander fällt, wenn er welche schlucken muss. Er gerät auch nicht mehr in Panik, wenn er unter Druck gerät. Aus zu großer Selbstsicherheit hat sich im Wach-Kampf eine kurzfristig kritische Situation ergeben, die er problemlos mit deutlich mehr Übersicht wie in früheren Tagen gelöst hat. Er stolpert manchmal unkontrolliert im Rückwärtsgang, Panik ist aber etwas anderes. In diese Richtung sollte man nicht weiter an alten Legenden stricken.
Ich bin bei Dir, wenn Du sagst, dass Pulev theoretisch die Mittel hätte, um Wladimir einen ausgeglichenen Kampf aus der Distanz zu liefern. Wenn man es körperlich und technisch kann, dann boxt man Wladimir am besten aus der Distanz und Halbdistanz. Haye und Thompson haben gezeigt wie anfällig Wladimir für den Jab des Gegners ist. Wenn man aber den sich auf Gürtelhöhe abduckenden Ranschieb-Infightwühler gibt, sieht man gegen Wladimir unter den bestehenden Outmatching-Bedingungen kein Land. Entweder man kann Wladimir kommen lassen um ihn mit Präzision auszukontern oder man setzt den eigenen Jab durch. Alles andere funktioniert unter den herrschenden Bedingungen nicht. Es wäre also schon viel gewonnen, wenn Pulev sich als erster Gegner seit längerer Zeit mal an einer intelligenten Taktik versucht. Der Thompson-Kampf hat da bei mir die Zweifel verstärkt, die ich bis dahin schon an Pulev hatte.