ORF.at: Herr Scheiber, wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Mario Scheiber: Geht so. Seit Montag bin ich aus dem Spital. Ich musste länger bleiben, weil die MR-Untersuchung am Kopf ergeben hatte, dass die linke Vorderseite langsamer funktioniert. Nichts Schlimmes, wie mir die Neurologin versicherte. Aber ich sollte mir absolute Ruhe gönnen. Ich hatte ziemlich viel Glück. Der Aufprall war enorm.
ORF.at: Über ein Schädel-Hirn-Trauma wird derzeit, seit Hans Gruggers Unfall, nicht gerne gesprochen.
Scheiber: Es war auch nur ein leichtes. Gott sei Dank war ich nur kurz bewusstlos und nach ein paar Minuten wieder da. Angeblich erkannte ich sofort Arzt und Trainer. Ich selbst kann mich an nichts erinnern, weder an den Sturz noch an die folgenden Momente oder Stunden.
ORF.at: Wie fühlen Sie sich mental?
Scheiber: Ein schwieriges Thema. Derzeit geht es mir ganz gut, weil ich bei meiner Familie und meiner Freundin zu Hause bin und nicht an den Sport denke. Das zählt für mich im Moment. Ans Skifahren verschwende ich keinen Gedanken. Was da passierte, ist ein Schmarrn. Schon wieder im Krankenhaus, wieder eine Saison vorbei, wieder in meiner zweiten Saison nach dem Comeback verletzt. Das ist mental hart zu verdauen. Obwohl bei meinem Sturz sehr, sehr viele Schutzengel dabei waren und zum Glück nicht mehr passiert ist.
ORF.at: Pech war, dass Sie zwei Wochen vor WM-Beginn stürzten. Weinen Sie dieser Chance nach?
Scheiber: Klar, das wäre mein Job gewesen. Auch wäre mir Garmisch besonders gut gelegen, dort war ich fast immer auf dem Stockerl. Ich habe gute Erinnerungen. Die Chance auf eine gute WM wäre wohl groß gewesen. Aber was soll’s, um eine verlorene Medaillenchance zu trauern bringt ja doch nichts. Für mich wichtiger ist, dass ich mit meinen Leuten normal reden kann, dass ich keine bleibenden Schäden davongetragen habe, dass ich lebe.
ORF.at: Denken Sie ans Karriereende?
Scheiber: Der Gedanke liegt nahe. So interessiert mich das nicht, so macht es keinen Sinn mehr. So konkret wie jetzt habe ich noch nie ans Aufhören gedacht. Aber es drängt nicht. Ich lasse mir einfach ein paar Monate Zeit, schaue, dass ich wieder richtig gesund werde und entscheide dann, ob ich den Hut draufhaue oder weiterkämpfe. Die zahlreichen Verletzungen innerhalb kürzester Zeit sind im Kopf schwer zu verkraften. Ob ich dazu noch einmal die nötige Motivation finde, das weiß ich nicht.
ORF.at: In den vergangenen Jahren gelang Ihnen das stets.
Scheiber: Schwierig war es immer, aber irgendwie gelang es mir, mich aufzuraffen und zurückzukämpfen. Diesmal ist alles anders. Hinzu kommt der Sturz vom Hans (Grugger), der mich ziemlich fertigmacht. Seither ist der Wurm drin. Das ganze Team ist verunsichert. Jeder ist froh, wenn er gesund daheim ist und nicht auf einer Intensivstation liegt. Ich weiß nun mehr denn je, wie gefährlich dieser Sport ist, und weiß es zu schätzen, dass ich nur kleine Wehwehchen erlitt und keine schweren Kopfverletzungen. Das ist ein Zeichen.
ORF.at: Welche Rolle spielt der Grugger-Sturz in Ihrer Entscheidungsfindung?
Scheiber: Schon nach meiner Verletzung vor zwei Jahren fragte ich ihn, wie es mit seiner Motivation ausschaut. Damals redeten wir uns ein, dass wir uns nie wieder verletzen, dass ab sofort alles passt und alles aufgeht. Irgendwann mussten die Verletzungen doch vorbei sein. Doch daraus wurde nichts. Beide sind wir wieder verletzt. Er mehr, ich weniger. Das kostet Nerven. Denn ein Sportler will auch nach der Karriere noch ein Leben führen, mit Kindern und Familie, nicht nur den Sport leben und danach nicht mehr. Sport ist schön, solange nichts passiert. Bei uns aber gibt es kaum Stürze ohne Verletzungen. Das zipft mich an.
ORF.at: Welche Pläne hätten Sie für die Zeit nach der Karriere?
Scheiber: Noch keine. Das werde ich mir in den kommenden Wochen und Monaten sehr genau überlegen, ob ich weitermache bzw. was ich danach machen werde oder machen könnte. Damit habe ich mich noch nicht auseinandergesetzt. Zunächst werde ich einmal versuchen, mich ordentlich auszukurieren. Was ich dann mache, sehe ich früh genug. Und für die Zeit nach dem Sport lasse ich mir noch was einfallen