Hier meine Liste nach Monaten mal aktualisiert:
1. Tyson Fury (neu)
Es ist schwer ihn auf Platz 1 zu listen. Für mich (und viele andere Betrachter) hat er Wilder geschlagen. Dabei war er zuweilen nachlässig, weswegen man das Unentschieden mit dem Zudrücken sämtlicher Augen inkl. Hühneraugen noch akzeptieren kann. Wilder hat sein übliches taktisches Pensum abgespult: Den Jab bringen, gelegentlich zum Körper variieren und darauf warten, dass der Gegner Lücken offenbart. Das hat Fury getan, aber Fury hat Wilder trotzdem hervorragend gelesen und überwiegend so eindeutig schlecht aussehen lassen, dass man ihn eigentlich nur an Eins sehen kann. Er hat von den drei großen Namen im derzeitigen Schwergewicht die beste Perspektive. Nunmehr gegen Tom Schwarz. Gegen wen? Diese Ansetzung ist ein schlechter Witz und eigentlich unverzeihlich. Fury und sein Management gehören für diese Farce geteert und gefedert.
2. Deontay Wilder (+/-0)
Wilder ist das Punchmonster, der immerhin so smart ist, dass er mittlerweile einen Stil pflegt, bei dem seine erheblichen boxerischen und staminabedingten Schwächen nicht so zu tragen kommen. Taktisch erinnert das an Anthony Joshua, nur dass dieser die Taktik gelegentlich nicht durchhält. Gegen Fury sah er rundenweise sehr schlecht aus, was nichts Neues ist. Die gleiche Taktik wie gegen Ortiz, nur dass diesmal Fury nach dem zweiten Niederschlag wieder hochgekommen ist. Gegen Breazeale konnte WIlder dann wieder zeigen, dass er nicht nur viel Punch hat, sondern dass ihm statische Gegner sehr liegen.
3. Andy Ruiz Jr. (+7)
Ein talentierter, aber körperlich schlecht trainierter Underdog holt sich die Titel. Chapeau! Oder vielleicht doch nicht? Doch, dafür hat sich Ruiz Jr. jede Anerkennung verdient. Der Sieg war keineswegs ein Zufall. Er war von Ruiz Jr. und seinem Team sehr gut vorbereitet. Es war bekannt, dass Joshua boxerische und taktische Schwächen hat und die Taktik, in Joshuas Aktionen reinzukontern war zweifelsfrei nicht dem Zufall geschuldet.
Aber: Ruiz Jr. hat nicht nur aufgrund seiner Taktik und seiner sehr guten boxerischen Grundausbildung gewonnen, er hat vor allen Dingen auch gewonnen, weil Joshua fürchterlich dämlich geboxt hat. Das ist zwar Joshuas höchstpersönlich eigene Schuld, ändert aber nichts daran, dass man mit anderer Taktik Ruiz Jr. vor größere Probleme stellen kann, siehe Parker. Sehe Ruiz Jr. nicht auf längere Dauer unter den Top 5.
4. Anthony Joshua (-3)
Wie einige Betrachter hier, die ihn schon in Amateurtagen beobachtet haben, habe ich frühzeitig prognostiziert, dass Joshua fallen wird. Zu offenkundig waren seine boxerischen Schwächen und zu deutlich auch seine taktischen Defizite in der Defensive. Im Grunde genommen hat schon der Kampf gegen sein großes Idol Wladimir Klitschko gezeigt, dass ein druckvoller Joshua zu viel Körner verbraucht und dass er bei seinen überfallartigen Attacken viel zu offen für Konter ist. Joshua selber schien das auch gemerkt zu haben und schon gegen Takam und Parker agierte er deutlich vorsichtiger. Man hätte daher vermuten können, dass er seinen WK studiert habe. Hat er aber wohl nicht hinreichend. Joshua war gegen Ruiz Jr. dem Druck der US-Premiere offenkundig nicht gewachsen und hat es taktisch komplett versemmelt. Ruiz Jr. mit ordentlicher Jab-Workrate und Variationen zum Körper (siehe Ausführungen zu Wilder) und durch ständiges Abbrechen des Gefechtes den Gegner zum Neuaufbau zwingen, um ihn in Bewegung zu halten: das hätte Ruiz Jr. Körnervorrat in der zweiten Hälfte des Kampfes zur Neige gehen lassen. Der erste Niederschlag beendete faktisch den Kampf. Joshua macht einmal mehr nicht den Eindruck, das Zeug zum großen Champion zu haben. Trotzdem wäre ein Rückkampf gegen Ruiz Jr. durchaus zu gewinnen.
5. Dillan Whyte (+/-0)
Typ ehrlicher Handwerker. Er boxt, was man ihm vor die Nase setzt und erarbeitet sich dabei seine Siege, die seine Position rechtfertigen. Das liegt manchmal auch an der taktischen Blödheit und dem Phlegma seiner Gegner (Chisora, Parker), aber sei es drum: Gegen Wilder und Fury keine Chance, Ruiz Jr. dürfte er schlagen können. Demnächst gegen Oscar Rivas, der schon gegen Bryant Jennings wenig überzeugen konnte.
6. Luis Ortiz (+/-0)
Zu alt, zu wenig Kondition, zu phlegmatisch. Ortiz hätte den Kampf gegen Wilder gewinnen können. Boxerisch hatte er Wilder in der Tasche. Wilder wusste um Ortiz konditionelle Schwächen und so nahm das Drama seinen Lauf. Ortiz hat keine Luft mehr nach oben, weil er seine konditionellen Probleme nicht in den Griff bekommt. Daher wird der Rückkampf gegen Wilder auch kein anderes Ergebnis bringen.
7. Alexander Povetkin (+/-0)
Povetkins Karriere ist zuende. Für ganz oben ist er zu alt. Ein Povetkin mit der Einstellung der letzten Jahre, der 15 Jahre jünger wäre, würde das derzeitige Schwergewicht dominieren. So reicht es locker für Siege gegen die dritte Reihe im Schwergewicht, die erste Reihe ist unerreichbar.
8. Jarell Miller (-1)
Miller ist ein Vollidiot. Das fällt nicht nur unmittelbar auf, wenn er - was leider zu häufig vorkommt - die Schauze aufmacht. Es zeigt sich auch in seiner Dopinggeschichte. Dämlich bis zum geht nicht mehr. Boxerisch ist mit Miller nichts los. Vom Typ her ein Bully, der trotz seines abnormen Gewichts konditionell zu den besten Boxern der Top 10 gehört. Stoisches Stalken des Gegners bis er ihn irgendwann niederwalzen kann, mag gegen die dritte Reihe reichen - für ganz oben ist es zu wenig. Brummt derzeit seine Dopingstrafe ab.
9. Kubrat Pulev (-1)
Boxerisch einer der besten Schwergewichtler. Sein Punch ist unterdurchschnittlich und das Alter macht sich auch bereits bemerkbar. Die Nummer mit Jenny Ravalo sagt viel über beider Charakter aus. Vielleicht demnächst ein Kampf gegen Ruiz Jr., der ihm stylistisch sehr liegen dürfte. Für ganz oben reicht es eigentlich nicht mehr.
10. Adam Kownacki (Neu)
Brot und Butter-Boxer, den man an 10 einstufen kann, aber nicht muss. Boxerisch solide, aber ohne wirkliche Stärken. Wird schon gegen die Mitherausforderer aus den Top 10 einen ganz schweren Stand haben. Soll wohl gegen den abgehalfterten Chris Arreola ran. Lösbare Aufgabe aber kaum Perspektive nach oben.