User "Hicham":Hallo Mats. Viele sagen, dass Rafael Nadal vor allem dank seiner Fitness so stark auftrumpft. Ich denke allerdings, dass er einfach ein sehr cleveres Spiel aufzieht. Was denkst du?
Mats Wilander: Für mich ist Rafael einer der cleversten Spieler der Tour. Natürlich hilft ihm seine außerordentliche Fitness, aber: Eine starke Physis hilft jedem Spieler. Der Unterschied bei Nadal ist, dass seine körperliche Präsenz bereits im Kopf beginnt. Nadal will den Sieg einfach manchmal mehr als seine Konkurrenten. Die US Open werden für ihn aber sehr schwer zu gewinnen sein. Sein Topspin springt nicht so stark ab.
Ben:Hallo Mats. Es ist kein Geheimnis, dass du ein großer Fan von Roger Federer bist. Nadal hat olympisches Gold, auf dem Rasen in Wimbledon und auf Asche in Paris gewonnen. Glaubst du, dass "Rafa" in einer gewissen Hinsicht schon mehr erreicht hat als Federer? Ist Federers Vermächtnis vielleicht doch nicht so ruhmreich wie viele denken?
Wilander: Ich glaube nicht, dass Nadal schon mehr erreicht hat als Roger, nur weil er im selben Jahr in Wimbledon und Roland Garros gewonnen hat. Roger hat ebenfalls in Wimbledon triumphiert, bei den Australian Open und den US Open. In Paris hat er dreimal in Folge das Finale erreicht. Er ist bezüglich seines "Vermächtnisses" Nadal so weit voraus, dass es fast schon unheimlich ist. Tatsache ist aber auch, dass Nadal der einzige Gegner war, den Roger als Nummer eins der Welt nicht regelmäßig schlagen konnte. Seine Quote gegen Nadal ist negativ. Dieser Fakt verleiht dem Duell "Federer-Nadal" ein besondere Note. Aber gegen irgendjemanden muss Roger ja verlieren, und dieser irgendjemand ist eben meistens Nadal. Es bleibt aber dabei: Nichts und niemand rückt Federers einzigartige Karriere in den Schatten.
Rhymes450:Novak Djokovic besiegte Nadal 2008 zweimal - immer auf Hardcourt. In Cincinnati schien "Noles" Taktik zu sein, Nadal in die Vorhand zu zwingen, um weite Räume zun öffnen und die relativ schwachen Returns des Spaniers dann seinerseits mit harten Vorhandschlägen zu beantworten. Siehst du noch andere Spieler, die mit einer ähnlichen Taktik Erfolg haben könnten?
Wilander: Diese Taktik ist gegen Nadal generell empfehlenswert. Viele Spieler versuchen, diese Spielweise gegen ihn anzuwenden, auch auf anderen Belägen. Man kann die Bälle auf Hardcourt besser timen und Nadals Schläge prallen auf einem harten Untergrund höher ab. Dadurch fällt es einem leichter, die Flugkurve des Balles exakt zu berechnen. Allerdings funktioniert das nicht auf Rasen oder Asche, Nadals Gegner können die Bälle auf diesen Belägen nicht so früh attackieren - Djokovic hingegen kann das. Auch Tomas Berdych ist dazu in der Lage, ebenso James Blake. Aber das ist kein Geheimnis, es ist unter den Topspielern bekannt, dass Nadal damit Probleme hat. Eine beidhändige Rückhand ist bei dieser Taktik allerdings von Vorteil, und deswegen hat Federer Schwierigkeiten, diese Spielweise gegen Nadal einzusetzen.
Jean:Siehst du momentan irgendeinen Nachwuchsspieler, der das Zeug zum ganz großen Star hat?
Wilander: Ich denke, Ernests Gulbis könnte einer werden. Die Frage ist aber, wo er momentan steht und was er vorhat. Für mich besteht kein Zweifel, dass er zur Zeit der wohl talentierteste Nachwuchsspieler auf der Tour ist. Juan Martin del Potro gefällt mir auch sehr gut, und er ist ja ebenfalls noch recht jung. Es ist bei allen talentierten, jungen Spielern aber eine Frage des Kopfes: Wie stark bist du mental in einem bestimmten Abschnitt deiner Karriere? Es ist schwierig vorauszusagen, wie sich ein "Jungspund" wie Gulbis diesbezüglich entwickelt.
Lamine:Wie fühlt man sich als junger und noch realtiv unerfahrener Spieler, wenn man auf Stars wie Federer oder Nadal trifft?
Wilander: Es ist ein Gefühl von "Alles oder Nichts". Diese Spieler sind mit den Bildern von Federers und Nadals Erfolgen praktisch "aufgewachsen". Für Nachwuchsspieler sind Nadal und Federer die absoluten Stars - und das ist für die Psyche während eines Matches natürlich nicht besonders gut. Diese Ehrfurcht ist das erste, was junge Spieler ablegen müssen. Sonst werden sie nie in der Lage sein, große Spieler zu schlagen.
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