Der Artikel ist in vielen Punkten sachlich unkorrekt:
Dabei ist schon lange klar, dass der Name Klitschko Massen bewegt: Allein in Deutschland verfolgten mehr als zehn Millionen Zuschauer seine größten Kämpfe live im Fernsehen.
Man könnte auch sagen: In Deutschland war Klitschko ein Weltstar. Denn außerhalb Deutschlands hat er definitiv nicht "die Massen bewegt".
Der Ukrainer kam beim deutschen Publikum so gut an, weil er wie sein Bruder Vitali und auch "Gentleman" Henry Maske in den Neunzigerjahren zeigte, dass man im Faustkampf auch mit Intellekt und respektvollem Verhalten reüssieren kann.
Auch das trifft so nicht zu. Die Klitschkos wurden gerade zur Beginn ihrer Laufbahn als 2 Meter große K.O.-Maschinen verkauft. Praktisch die Knockout-Garantie im Doppelpack. Das war es bis zum Schluss, was das Publikum in erster Linie an dem Boxer Wladimir Klitschko geliebt hat. Nicht sein aufgesetztes gentleman-Gehabe, das ohnehin erst später kam.
bei seinen Siegen in New York 2008 gegen Ibragimow und 2015 gegen Bryant Jennings war Klitschko zu klar überlegen. Dadurch wurden die Kämpfe langweilig und boten nicht das Spektakel, das sich die Zuschauer versprochen hatten.
Gegen Ibragimow war er nicht überlegen sondern hat in einem taktisch geführten Kampf, in dem er null komma null Risiko gegangen ist, pro Runde 1-2 Treffer oder Schläge mehr auf den Zetteln gehabt. Das war allerschlimmstes Anti-Boxen (übrigens von beiden) und wurde daher zu Recht vom Publikum ausgebuht. Und im Grunde war der Kampf beispielhaft dafür, weshalb Wladimir es in den USA nie wirklich geschafft hat. Gegen Jennings fehlten ihm im Spätherbst seiner Karriere die Mittel, um besser auszusehen. Auch hier galt wieder mal: Klarer Punktsieg, aber bei den Zuschauern keinen Hunger auf mehr Klitschko gemacht.
Aber Tyson hat nicht über zwölf Runden technisch sauber geboxt, sondern hat seine Kontrahenten mit Urgewalt und den verheerendsten Haken der Boxgeschichte überrollt. Deswegen steht Tyson zumindest in den Ranglisten vieler Fans vor Klitschko.
Tyson hat als Boxer die ganze Welt in Atem gehalten und war auch jedem Nicht-Boxfan ein Begriff. Und das ganz ohne Internet und soziale Medien. Was für ein absurder Vergleich, der selbst Wladimir vermutlich die Schamesröte ins Gesicht treiben dürfte.
So viel dazu.
Mein persönliches Fazit zu Wladimirs Karriere:
Sein Kampfrekord ist schon eine Hausnummer, die man anerkennen und respektieren muss. Ja, er hat über viele Jahre eine sehr schwache Gewichtsklasse dominiert. Auch dafür gebührt ihm Respekt. Aber er hat seit Beginn des Sicherheitsboxens nie mehr so etwas wie Boxinstinkt in seinen Kämpfen gezeigt. Das kompromisslose Nachsetzen bei angeschlagenen Gegnern. Mal einen echten Schlaghagel abfeuern. In einen Brawl mit einem Gegner gehen, so wie Vitali gegen Sanders, bei dem es die Zuschauer von den Sitzen reißt. Mal einen Plan-B zeigen, wenn Plan-A (wie gegen Fury) nicht funktioniert. Unvergessen, wie er vor dem shotten in den Seilen hängenden Rahman stand und vor lauter Angst, sich einen Konter zu fangen, nur mit dem Jab stocherte, so dass selbst der ihm zugeneigete Reporter rufen wollte: Hau ihn doch endlich um!
Meistens kam ja doch früher oder später dann noch der K.O. und bei RTL, in der deutschen Halle und dem Fernsehpublikum machte sich Zufriedenheit breit. Aber mit diesem Boxstil konnte er in den USA nun mal nicht zum Superstar aufsteigen.
Und um nochmal auf den Vergleich mit Tyson zurückzukommen: Dessen K.O.-Siege werden noch in 50 Jahren 10 Mal so viele Klicks auf youtube erhalten wie Wladimirs Knockouts.
Klitschko war unbestritten einer der erfolgreichsten Schwergewichtsboxer der Geschichte. Aber für mich ist er keine Boxlegende und wird das auch niemals sein.
Ich wünsche ihm trotzdem alles Gute für seine zweite Karriere, wie immer die aussehen mag.