VfL Bochum
Manchmal frag ich mich, wie das Leben denn so wär', wenn es dich nicht gäbe. Nein, das wär' kein Leben mehr. Wenn alle Stricke reißen, du bist immer für uns da. Auf dich kann man sich verlassen, seit über hundert Jahren.
Worauf man sich auf jeden Fall verlassen kann ist, dass der VfL Bochum meist ordentlich bis sehr gut in die Saison startet, nur um dann in eine jährliche Herbstkrise zu schlittern und sich spätestens zur Winterpause vom Aufstiegstraum zu verabschieden. Den guten Start gab es auch in der letzten Saison, in der man trotz Auftaktniederlage gegen den 1. FC Köln nach sechs Spieltagen auf dem Relegationsplatz stand. Es folgten, wie sollte es auch anders sein, zwei vermeidbare Niederlagen. Als es gerade so aussah, als könne man den Herbstfluch brechen, setzte es nach sechs ungeschlagenen Spielen (3 Siege, 3 Unentschieden) Niederlagen gegen Sankt Pauli und in Berlin, nur um dann im letzten Spiel vor der Winterpause in Köln zu gewinnen und so die Hoffnung ("wenn man gut ins neue Jahr startet, dann geht noch was!") in der Fangemeinde wieder aufkeimen zu lassen. Spätestens nach dem 23. Spieltag und vier Niederlagen hintereinander hatte sich das Thema aber erledigt und so geht man in die 10. Zweitligasaison hintereinander. Zudem feiert das Ruhrstadion seinen 40. Geburtstag und der User John Lennon wird im Laufe der Saison bestimmt seine tausendste Stadionwurst verspeisen - oder sind es schon zehntausend?
So oder so, wäre das doch der perfekte Zeitpunkt, um die zweite Liga zu verlassen und seinen natürlichen Platz in der Bundesliga wieder einzunehmen.
Verzichten muss Trainer Robin Dutt, dessen Vertrag 2020 ausläuft, auf die beiden Leistungsträger Hansi, ähm, Lukas Hinterseer und Jan Gyamerah, die beide für umme nach Hamburg zum HSV wechselten. Damit muss der VfL, der nach der Ausgliederung weiterhin auf den reichen Prinzen wartet, einen zuverlässigen Knipser und einen vielseitigen Abwehrspieler ersetzen. Die weiteren Abgänge sind dagegen deutlich leichter zu verkraften. Aussie Robbie Kruse hatte sich gedanklich schon in der Rückrunde verabschiedet und spielte dementsprechend in den letzten Wochen der Saison keine Rolle mehr. Auch der Vertrag mit Sidney Sam wurde nicht verlängert. Sam, dem ja durchaus der Ruf eines schwierigen Spielers vorauseilt, verhielt sich in der gesamten Zeit in Bochum vorbildlich, konnte aber den Erwartungen nur teilweise gerecht werden, so dass es nachvollziehbar ist, dass er dem eingeleiteten Umbruch zum Opfer fällt. Jannik Bandowski (SpVgg Unterhaching) konnte verletzungsbedingt in den letzten drei Jahren nur wenige Spiele machen, konnte aber zumindest andeuten, dass er das Zeug zu einem ordentlichen Linksverteidiger mitbringt. Ihm und Haching ist zu wünschen, dass das schlimmste überstanden ist und der Körper ab sofort mitspielt. Eigengewächs Tom Baack kam trotz Verletzungssorgen in der Innenverteidigung nur auf wenig Einsatzzeit und sucht sein Glück ab sofort in Regensburg. Felix Dornebusch, der beim letzten Saisonspiel vom Publikum lautstark, aber vergebens, gefordert wurde ("wir wollen den Dorne sehen"), konnte nie über den Status des Ersatztorwarts hinauskommen und sucht noch einen neuen Verein. Ungeklärt ist noch die Zukunft von Tim Hoogland und Stefano Celozzi, denen von Dutt und Sebi Schindzielorz mitgeteilt wurde, dass sie in den Planungen für die neue Saison keine Rolle mehr spielen und sie sich dementsprechend einen neuen Verein suchen können/sollen. An der Tatsache, dass der Vertrag von Hoogland erst wenige Monate zuvor um ein Jahr bis 2020 verlängert wurde, sieht man, dass Sportdirektor Schindzielorz unter Christian Hochstätter gelernt hat. Es würde mich jedenfalls nicht wundern, wenn beide auch nach dem Ende der laufenden Transferperiode weiter auf der Gehaltsliste stehen, da der Markt für beide überschaubar sein dürfte.
Mit Patrick Drewes (Würzburger Kickers) wurde ein neuer Herausforderer für Manuel Riemann verpflichtet, aber alles deutet darauf hin, dass es zu keinem Wechsel kommen und Riemann wieder als Stammtorwart in die Saison gehen wird. Simon Lorenz kehrt nach einem Jahr bei 1860 München, in dem er eine gute Entwicklung nahm, gestärkt zurück und konkurriert mit Armel Bella-Kotchap um den Platz neben dem designierten Abwehrchef Saulo Decarli, den der ein oder andere vielleicht noch aus seiner Braunschweiger Zeit kennt. Decarli stand die letzten beiden Jahre beim FC Brügge unter Vertrag, kam dort aber kaum zum Einsatz. Dass er sich in der Vorbereitung eine Hüftverletzung zuzog, ist da natürlich alles andere als optimal. Als Rechtsverteidiger gesetzt ist der junge Engländer Jordi Osei-Tutu, der aus der Arsenal Academy für ein Jahr an die Castroper wechselt. Aus Las Palmas kommt Flügelspieler Danny Blum in den Ruhrpott. Stürmer Silvère Ganvoula, der von Anderlecht ausgeliehen war und meist die Jokerrolle übernahm, wurde nach längeren Verhandlungen fest verpflichtet. Gerade die letzten Spielen sahen vielversprechend aus und mit mehr Einsatzzeit könnten da noch weitere Schritte nach vorne kommen.
Eigentlich wollte ich den VfL irgendwo im Mittelfeld einsortieren, aber dann wurde mir klar, dass das Quatsch wäre. Natürlich, mit Hinterseer und Jan "Jambo" Gyamerah muss man zwei Leistungsträger ersetzen, aber in wenigen Wochen wird man in Bochum gar nicht mehr wissen, wer das überhaupt war. Osei-Tutu wird die Linie entlangmarschieren und Ganvoula zum 15 Tore-Mann mutieren. Das offensive Mittelfeld mit Weilandt, Blum, Pantovic, Maier, Eisfeld und Lee hat sowieso mindestens Bundesliganiveau und müsste nur mal von größeren Verletzungen verschont bleiben (hast du gehört, lieber Fußballgott?). Der 17jährige Bella-Kotchap wird der nächste heiße ****** aus Bochum. Ich habe in den letzten Jahren so einige junge Spieler gesehen und bei Bella-Kotchap hab ich seit seinem ersten Einsatz das "Leon Goretzka-Gefühl." Da hat man auch sofort gesehen, dass der für Höheres berufen ist. Also...am Ende steht Platz 3 und die Relegation gegen irgendwen, den man natürlich weghaut. Danach wache ich auf und stelle fest, dass es höchste Zeit für die Saisonvorschau 2020/21 und der Text zur elften Zweitligasaison hintereinander, in der der Aufstieg diesmal aber 100%ig klappt, noch nicht fertig ist.
Und geht mal was daneben, glaub uns, dass stört uns nicht. Du hast alles hergegeben. Bochum, wir sind stolz auf Dich!