Ryôyû hat seit neustem eine eigene Kolumne:
Ryôyûs Tagebuch
Hallo, Kobayashi Ryôyû hier
Kasai-san* ist ein guter Mensch
Liebe Leser, ich möchte mich kurz vorstellen. Ich bin Skispringer Kobayashi Ryôyû. Ich glaube, dass es bisher noch keinen Springer gab, der während seiner aktiven Laufbahn so eine Kolumne hatte, aber da ich gern neue Dinge ausprobiere, habe ich einfach damit begonnen. Ich hoffe, es gefällt Ihnen. Ich möchte nicht nur von den Wettkämpfen, sondern unter anderem auch über meine persönlichen Gedanken und alltägliche Gegebenheiten berichten.
Doch zunächst einmal möchte ich mich vorstellen. Geboren und aufgewachsen bin ich in der Präfektur Iwate in der Stadt Hachimantai, wo ich mit etwa 3 Jahren das erste Mal Ski unter den Füßen hatte. Im Winter gab es in der Umgebung unseres Hauses eine Menge Schnee und zunächst war ich darauf mit Kurzski unterwegs. Zum Skispringen kam ich, als ich meinen großen Bruder Junshirô sah, wie er vor dem Haus eine Skisprungschanze baute und darauf sprang, ich tat es ihm nach. An meinen ersten Sprung kann ich mich aber gar nicht erinnern (er lacht). Ordentliche Sprungski hatte ich erst etwa ab dem 3. Grundschuljahr. Wir sind 4 Geschwister und alle, also auch meine ältere Schwester Yuka und mein kleiner Bruder Tatsunao, sind Skispringer.
Bis zu meiner Zeit an der Morioka-Gesamtschule war ich auch Nordisch Kombinierter, aber ich hatte nicht das Gefühl, beides – Skispringen und Langlauf – beherrschen zu können, also habe ich mich aufs Springen beschränkt. Da ich nicht gern lerne, habe ich nicht studiert, sondern bin nach meinem Abschluss der Oberschule im April 2015 ins starke Team von Tsuchiya Home eingetreten. Von Kasai Noriaki-san, der Springer und Mannschaftsführer ist, konnte ich einiges lernen. Er ist ein so herzensguter Mensch.
Bis zur letzten Saison war meine beste Weltcup-Platzierung der 6. Platz, diesen Winter habe ich im 2. Wettkampf das erste Mal gewonnen und konnte ich in 11 der bisherigen 22 Weltcup-Springen siegen. Mir gelingen einfach gute Sprünge und ich habe eine wirklich fantastische Saison. Bei der traditionellen Vierschanzentournee zum Jahreswechsel gelang mir mit 4 Einzelsiegen der perfekte Gesamtsieg. In den letzten Wettkämpfen hat sich dann doch Druck aufgebaut, aber auch damit konnte ich gute Sprünge zeigen und hatte Spaß am Springen.
Skisprungbegeisterung in Japan mäßig
Am 2. Februar auf der Skiflugschanze (HS 235 m) im deutschen Oberstdorf hatte ich keinesfalls damit gerechnet, gewinnen zu können, und doch gelang mir nach 6 Wettkämpfen wieder ein Sieg. Beim Vergleich mit den doch viel kleineren Großschanzen ist dort der Winddruck völlig anders und auch in der Luft ist es viel schwieriger. Wenn beim Absprung nicht alles glatt geht, kommt man nicht auf Weite.
Nun blicke ich der Weltmeisterschaft entgegen. Vor 2 Jahren, mit 20, war ich das erste Mal bei der WM im Mannschaftswettbewerb dabei. Ich erinnere mich an meine damals recht schwierigen Sprünge. Es war insgesamt eine schwierige Saison. Doch trotz all der Schwierigkeiten war da auch ein Teil, den ich genießen konnte.
Dieses Mal freue ich mich unheimlich auf den Mixed-Wettbewerb. Denn daran habe ich noch nie teilgenommen. Beim Einzel wäre es toll, wenn ich gewinnen könnte, doch ich glaube, so einfach wird es nicht. Doch ich glaube fest daran, dass ich gute Sprünge zeigen kann. Ich glaube auch, dass alle, die nur selten Skispringen schauen, es genießen können, uns springen zu sehen, also schauen Sie bitte unbedingt Fernsehen! Ich freue mich außerdem immer, wenn ich vor Ort die japanische Fahne sehe.
Die WM findet im österreichischen Seefeld statt, aber die Einzelentscheidung auf der Großschanze wird auf derselben Schanze in Innsbruck ausgetragen wie das 3. Springen der Vierschanzentournee. Und das ist 30 Autominuten von Seefeld entfernt. In Innsbruck möchte ich wieder gute Sprünge zeigen. Da ich in Seefeld noch nicht gesprungen bin, möchte ich schnell ein Gefühl dafür bekommen.
Skispringen ist in Europa in Deutschland oder Österreich äußerst beliebt, in Japan allerdings sehe ich nur mäßige Begeisterung. Dass Skispringen im terrestrischen Fernsehen nicht ausgestrahlt wird, ist nur einer der Gründe. Ich werde künftig mein Bestes geben, um dies zu ändern.
*-san (= Herr/Frau) zeigt hier den Respekt Nori gegenüber. Er bezeichnet ihn eben nicht als "Nori" oder nur "Kasai", sondern zeigt damit, dass er Kasai als über ihm stehend betrachtet. Im Allgemeinen finde ich seine Sprache recht höflich den Lesern gegenüber, aber das ist in Japan eben so üblich...