Grundsätzlich ist das ja verständlich. Das Argument, dass in der aktuellen Zeit weder Trainerteams, noch Management durchgehend mitreisen können, ist ja nicht von der Hand zu weisen. Das ist mit der Familie natürlich deutlich leichter umzusetzen. Nach den Kapriolen der letzten Monate (Vaterschaft, Rechtsstreitigkeiten, Vorwürfe der Ex-Freundin, etc) kann ich auch verstehen, dass ein gesteigertes Bedürfnis nach vertrauten Menschen und vertrauter Umgebung besteht - und wenn der Vater nunmal selbst Profi war und der Bruder es noch ist, bietet sich das ja auch ein bisschen an.
Misha Zverev macht auf mich in Interviews grundsätzlichen einen positiven (im Sinne von positiver Energie) und bodenständigen EIndruck, der ist sicher kein schlechter Ratgeber, der zudem die Tour in und auswendig kennt und Sascha sicher auch auf dem PLatz gerade beim Offensivspiel noch gute Tipps geben kann.
Auf der anderen Seite verstärkt die Entscheidung natürlich einen Eindruck, den man bei Sascha (finde ich jdf) seit jeher hat: dass da ein junger Mann ist, der sich sehr schwer damit tut, Konflikte, die seine Karriere betreffen, konstruktiv zu lösen, Entscheidungen auch mit perspektivischem Blick zu treffen und ganz allgemein Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Er spricht zwar gern über Respekt und Eigenständigkeit, flieht aber am Ende oft sehr gerne in den Schoß derer, die es unter Garantie gut mit ihm meinen und ihm eine gewisse Komfortzone ermöglichen.
Kurzfristig und angesichts der Covid-Umstände finde ich die aktuelle Entscheidung einigermaßen nachvollziehbar, mittelfristig kann das aber nicht der Weg sein. Es klingt abgedroschen, aber bei Sascha bietet sich der Spruch "Junge, irgendwann musst du auch erwachsen werden und deinen Weg gehen - mit allen Konsequenzen" schon irgendwie an.
Was natürlich nicht heißt, dass die Familie keine Rolle spielen soll. Wenn man Eltern hat, die beide Leistungssportler waren (der Vater sogar Tennisprofi), dann ist ja klar, dass sie immer wichtige Ratgeber sind. Ich würde Misha Zverev auch zutrauen, ein guter Vollzeitcoach zu sein (dafür müsste er aber seine eigene Karriere zumindest im Einzel beenden). Aber dieses "wir sind die Zverevs, ein Familienunternehmen und jeder hilft bei allem ein bisschen mit, wir wissen am besten, was gut für Sasha ist" - das ist auf Sicht zu viel und hilft ihm aus meiner Sicht nicht, sondern schadet eher.
Eine Zusammenarbeit mit Becker würde ich ausgesprochen befürworten. Boris hat sich schon als Coach bewiesen, ist auch kein Ja-Sager, sondern würde Sasha sicher auch fordern und persönlich können die beiden ja wohl gut miteinander.