Was den vierten Satz angeht, muss ich etwas zurückrudern. Zverev hat gesagt, dass es sich für ihn Mitte des vierten Satzes so anfühlte, als hätte ihm jemand den Stecker gezogen. Grundsätzlich muss er aber die Herangehensweise ändern. Dabei bleibe ich. Er muss aggressiver werden und in den entscheidenden Momenten konsequenter sein.
Man kann natürlich die Erkrankung und die ungünstige Vorbereitung als Ausrede abtun, aber es hat zumindest eine Rolle gespielt. Das klassische Rasenspiel mit Volley und Slice ist sicher nicht sein natürliches Spiel und hat er hat da ohne Zweifel Schwierigkeiten. Allerdings glaube ich, dass diese Schwierigkeiten ohne gute Vorbereitung stärker zum Vorschein kommen als sonst. Letztes Jahr war er da deutlich weiter. Er war gegen Raonic über vier Sätze der bessere Mann und selbst das Netzspiel war in der letzten Rasensaison ordentlich. Dass er bisher nur einen Top-Ten Sieg auf Rasen vorzuweisen hat, hängt auch damit zusammen, dass er auf Rasen gegen Top Ten-Spieler bisher kaum gespielt hat. Zwei Finalteilnahmen und eine Halbfinale-Teilnahme auf Rasen schon in sehr jungen Jahren können sich sehen lassen.
Der 19-jährige Zverev hat auf Rasen viel besser abgeschnitten als der 19-jährige Shapovalov, der ja so ein komplettes Spiel hat. In Betracht der scharfen Kritik an seinem Rasenspiel ist das erstaunlich. Man konzentriert sich einfach zu sehr auf die diesjährigen Eindrücke. Wenn er nächstes Jahr mit einer vernünftigen Vorbereitung immer noch so spielt, kann man die Kritik so üben. Dann unterschreibe ich das sofort. Jetzt nicht. Grundsätzlich passen sein Aufschlag und seine Grundschläge zu Rasen und insgesamt zu allen Belägen.
Schnelle Sandplätze liegen ihm extrem gut und München, Madrid Rom und Washington liegen ihm vielleicht am besten, aber man sollte nicht unter den Tisch kehren, dass er auf langsameren Sandplätze bisher meist auch nicht so richtig abliefert. Auf den großen Plätzen in Paris hat Zverev im Grunde noch kein richtiges Top-Spiel abgeliefert. Die US Open erinnern momentan eher an ein Sandplatzturnier, was Zverev ebenfalls nicht geholfen hat. Da sagt ja auch keiner, Zverev beherrscht diesen Belag nicht. Seine Siegqoute auf Rasen ist für einen jungen Spieler nicht herausragend, aber doch gut bis sehr gut. Man sollte nicht vergessen, dass die Leistungsdichte auf Rasen höher als auf Sand ist. Auf Sand profitiert er von der schwachen Konkurrenz.
Die viele größeren Probleme sind seine Passivität und die Chancenverwertung. Wenn er offensiver agieren würde, wäre seine Probleme am Netz auch nicht so ausgeprägt. Hier muss erst mal die Basis stimmen, bevor man über die Feinarbeit spricht.
Genutzte Breakbälle
Wimbledon 2017 gegen Raonic: 3/17
US Open 2017 gegen Coric: 1/11
Australian Open 2018 gegen Chung: 3/6
French Open 2018 gegen Lajovic: 7/23
French Open 2018 gegen Dzumhur: 9/18
French Open 2018 gegen Khachanov: 5/13
Wimbledon 2018 gegen Gulbis: 3/13
Das ist insgesamt schon sehr dünn, obwohl seine Gegner häufig in wichtigen Momenten gut serviert und gut gespielt haben. Meistens war er einfach zu passiv und hat nicht mit der richtigen Körperspannung gespielt. Gestern kamen eben noch schwierige Rahmenbedingen hinzu.