Vermutlich müsste man da die Duelle gegen Wilder nennen.
Danke für Deine differenzierten Aussagen. Ich sehe es aus einem Grund anders, den Du selber nennst:
Ich finde es immer etwas schräg wie im Boxen aufgrund einzelner zuletzt erfolgter Kämpfe sich auf einmal alles verschiebt bei den Einordnungen. Damit meine ich, wenn die beiden klar besten Boxer gegeneinander kämpfen, wo Leute dahinter gegen diese beiden quasi als chancenlos angesehen werden und auf einmal der Verlierer dieses Top-Duells dann knackbar wäre für die dahinter. Wenn die Nummer 2 gegen die Nummer 1 verliert, heißt das noch lange nicht, dass die Nummer 3, 4 oder 5 auf einmal mehr Chancen gegen den hätte.
Gerade bei Wilder, Fury und Joshua wird das deutlich. Wilder war über Jahre - undifferenziert betrachtet - das gefährliche KO-Monster, dass jeden Gegner schlafen legen kann und der natürlich ganz oben anzusiedeln ist, weil er jeden Kampf durch KO beenden kann.
Das Muster seiner Kämpfe unter Berücksichtigung der Stärken und Schwächen seiner Gegner zeigt jedoch, dass genau das nicht stimmt. Wilder hat in seiner Karriere eine lange Reihe von Boxern gehabt, die sehr offen geboxt haben. Musterbeispiel war zuletzt noch der Helenius. Boxerisch hat er schon früh viele Schwächen gezeigt und dabei viele Gegner geboxt, die nicht oder nur unzureichend Möglichkeiten hatten, das auszunutzen.
Gerade die Fury-Trilogie hat aber offenbart, dass Wilder sehr wohl schlagbar ist, wenn man sich taktisch auf ihn einstellt und bestimmte Fehler vermeidet. Wilder hat Schwierigkeiten mit schnellen beweglichen Leuten, die variabel boxen oder körperlich präsenten Boxern, die ihn unter Druck setzen. Im ersten Duell hat Fury Wilder studiert und genau diese Erkenntnis in den beiden weiteren Duellen umgesetzt
*. Wilder war faktisch dann chancenlos, wenn Fury ihn erdrückt hat.
*Wichtig und nicht zum Vorteil Furys muss allerdings erwähnt werden, dass Fury das nicht gerade immer mit fairen Mitteln bewerkstelligt hat und das kennzeichnend für seine Kämpfe auch immer Schwächen in den Defensiv-Basics sind. Furys Deckung ist löchrig und er agiert im Ring häufig pomadig, anstatt sich auf seine Linie zu konzentrieren. Zudem ist sein Kinn maximal durchschnittlich, wenn überhaupt. Seine Recovery-Möglichkeiten sind hingegen überragend.
Interessant und letztlich auch bezeichnend für Fury ist, dass gerade Zhang gezeigt hat, wie man mit viel Druck Wilder humorlos wegklatschen kann. Immerhin ein Zhang, der auch nicht mehr auf der Höhe seines Vermögens boxen dürfte. Parker hingegen hat Wilder schlichtweg auf eine Weise ausgeboxt, wie es Fury nicht vermochte und nur sein Punch hat Wilder punktemäßig überhaupt im Kampf gehalten.
Kurzum: Wilder war nie so gut, wie einige Betrachter ihn gerne gemacht haben, auch dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass er mittlerweile nachgelassen hat.
Damit wird auch einiges zu Fury festzustellen sein. Insbesondere die Frage, warum Fury mit seiner überschaubaren Gegnerschaft eigentlich wie das achte Weltwunder betrachtet wird, obwohl man daran begründete Zweifel haben darf?
*
Einen wesentlichen Aspekt hast Du selbst genannt:
Dazu kommt, dass Fury gegen Usyk ganz anders gegenhalten konnte und zwischenzeitlich den Kampf sogar kontrollierte. Von sowas war AJ gegen Usyk meilenweit entfernt.
Jein. Für das erste Joshua-Usyk-Duell ist diese Bewertung zutreffend. Für das zweite Joshua-Usyk-Duell nicht. Mag sein, dass Fury sich im zweiten Usyk-Kampf noch besser schlagen wird, bis dahin kann man dem nicht zustimmen. Objektiv haben sowohl Fury im ersten Kampf als auch Joshua im zweiten Kampf eine sehr gute Leistung gegen Usyk gebracht. Dafür gehört beiden Boxern Anerkennung. Fury hatte gegen Usyk drei klare Runden gewonnen, die waren klarer als die gewonnen Runden von Joshua, der dafür aber mehr Runden gewonnen haben sollte. Gut möglich, dass Fury in zweiten Usyk-Duell mehr leisten wird, bis dahin ist der qualitative Unterschied zwischen Fury und Joshua als Usyk-Gegner nicht so groß - ein "ganz anders gegenhalten" hat es nicht gegeben, eine wirkliche Kontrolle hat Fury nur ganz kurz und Usyk hat wie so oft - auch gegen Joshua - Gegenmittel gefunden und umgesetzt.
Der Kampf Usyk vs Fury war der Kampf der beiden klar besten Schwergewichtsboxer. AJ folgt dann dahinter, aber die Lücke zu den beiden ist schon deutlich, er hat da für mich gegen beide einfach keine Chance.
Sehe ich anders aus den oben genannten Gründen. Usyk ist der klar beste Schwergewichtsboxer. Fury und Joshua befinden sich dahinter und nahezu auf Augenhöhe. Warum? Weil genau das
Ich sah von Fury im Kampf gegen Usyk nichts, was an seinem Status der Nummer #2 im Schwergewicht zu rütteln wäre.
m. E. nicht stimmt.
Warum sah Ngannou so gut gegen Fury aus und wurde anschließend von Joshua humorlos weggeklatscht? Könnte es vielleicht daran liegen, dass Ngannou nun wahrlich kein begnadeter Boxer ist, aber Mittel gegen Furys Drückerei hatte und selber Druck ausüben konnte, was Fury nicht schmeckt? Kann es weiterhin sein, dass Fury nicht wie Joshua in der Lage ist, technisch sauberes variables Offensivboxen zu zeigen?
Fury hat Schwierigkeiten mit Boxern, die druckvoll und variabel offensiv boxen. Davon gibt es ein paar im aktuellen Schwergewicht und entsprechende Duelle möchte ich erst einmal sehen, bevor ich Fury einen Status zuspreche, den er sich objektiv eher nicht erworben hat.
Eher muss Usyk höllisch aufpassen, dass Fury sich nicht Dinge einfallen lässt um das Ding im Rückkampf zu drehen.
ps: Ich war vor dem Kampf für Usyk, weil er für mich zum einen insgesamt der beste Boxer ist und zum anderen deutlich sympathischer als Schwätzer Fury. Ist also nicht so, dass ich Fury-Fan oder sowas wäre. Ich mag AJ da sogar mehr, aber Fury würde dieses Duell von Sekunde 1 an, beginnend außerhalb des Ringes, bis zum Ende dominieren.
Vielleicht bekommen wir ja noch Fury vs AJ, ich hoffe es natürlich.
Ich hoffe auch, dass der Kampf kommt, aber ich vermute eher, dass das keine deutliche Nummer pro Fury wird.
Ich vermute auch, dass Fury nicht mehr viel im zweiten Usyk-Kampf drauflegen kann.
*Der Schwätzer Fury ist wahrlich ein gutes Gesamtpaket, viel besser als es sein Gelaber und seine schmutzigen Tricks vermuten lassen. Trotzdem wird er seit seinem Klitschko-Sieg derartig überhöht und das trotz klar erkennbarer Schwächen. Die hat Joshua auch, aber der ist mit seinem gestelzten Verhalten vielen Betrachtern unsympathisch, was gleich entscheidend in die Beurteilung einfließt. Gut möglich, dass Furys unorthodoxer Boxstil Joshua nicht liegt, ebenso möglich, dass Joshuas körperliche Ebenbürtigkeit kombiniert mit seiner offensiven Variabilität Fury große Probleme bereitet.
Kurzum: Fury hat gegen Usyk einen sehr guten Kampf gemacht. Über die Summe seiner Kämpfe hat er aber mindestens genauso viele Schwächen wie Joshua gezeigt, eine Duell der beiden Boxer dürfte daher recht ausgeglichen sein.