Luxemburgs Kommunistische Partei beschäftigt sich auch mit dem Thema des imperialistischen Radlers Starkarm und finden, daß Fausto Coppi der Bessere der Campionissimos war.
Nachzulesen zur Zeit auf
http://www.zlv.lu
Ich darf zitieren:
Armstrong – Ein ganz Großer?
Es ist bekannt, dass viele Journalisten gerne die Keule des Superlativs schwingen und sich im Jargon der Bewunderung ergehen. Womit sie einem sehr aktuellen Verehrungs-Bedürfnis unserer Gesellschaft nachkommen – wie man schon beim Tod des Papstes sehen konnte.
Diese regelrechte Verehrungs-Sucht war wieder aktiv bei Gelegenheit des 7. ”Tour de France“-Sieges von Rad-Papst Lance Armstrong. – Im Wort (26.7.) waren einige Epitheta aufgezählt: ”Superman“, ”Magier“, ”Marsmensch“, ”Großer Manitour“, Mitglied im ”Club der Unsterblichen“, usw. Außerdem hörte man ”Tourminator“, ”größter Radsportler aller Zeiten“, ”überlegener Sieger“, u.a.
Zum ”überlegegen Sieger“: in der vorletzten Etappe gegen die Zeit – die einzige Etappe, die er gewann – hatte er nur 23 Sekunden Vorsprung auf Jan Ullrich. Tatsächlich, sehr überlegen. Aber das war symptomatisch für die Bewertung von Armstrongs Leistungen in der ganzen ”Tour de France“. Er war der unerreichbare ”Dominator“, obwohl er in den Bergen nie allein vorne ankam.
Fausto Coppi gewann die ”Tour de France“ 1952 so überlegen (und im selben Jahr den ”Giro“), dass der ”Tour“-Direktor Jacques Goddet den anderen Fahrern noch während der ”Tour“ höhere Preisgelder anbot, um das Rennen nicht in Apathie untergehen zu lassen.
Coppi gewann damals mit fast einer halben Stunde Vorsprung auf Stan Ockers. Sowas kann man wirklich als überlegenen Sieg bezeichnen. Damals kam denn auch das Wort vom ”Campionissimo“ auf – berechtigterweise. Aber das scheinen die meisten Sport-Kommentatoren heute vergessen zu haben.
Armstrong hat sieben ”Tour de France“ gewonnen, aber sonst nur wenig Bedeutendes; hauptsächlich die Strassen-Weltmeisterschaft 1993 in Oslo, die ”Flèche Wallone“ (1996), die ”Tour de Suisse“ (2001), den ”Dauphiné libéré“ (2002 und 2003).
Coppi gewann die Strassen-Weltmeisterschaft 1953 in Lugano auf schwierigstem Terrain und im selben Jahr wieder den ”Giro“, den er auch 1949 neben der ”Tour de France“ gewonnen hatte, und dazu die Verfolgungs-Weltmeisterschaft auf der Bahn (diese auch schon 1947). Von den großen Klassikern gewann er Mailand–San Remo (1946, 1948 und 1949), Paris–Roubaix (1950), die ”Flèche Wallone“ (1950), die ”Tour de Lombardie“ (1947, 1948 und 1954). 1942 stellte er einen neuen Stunden-Weltrekord auf.
Ich erwähne hier als Gegenfigur zu Armstrong Fausto Coppi, nicht Eddy Merckx. Denn Coppi war der vielseitigste Rennfahrer, und Merckx hatte nicht mehr mit dieser Vielfalt großer Gegner zu tun. Zwar ist der ”palmarès“ von Merckx größer als der von Coppi, aber Coppi (Jahrgang 1919) wurde durch den Krieg zurückgeworfen (ähnlich wie Gino Bartali).
In Equipe Magazine (vom 6. Juli 1991) zitierte Jacques Goddet, die für ihn zehn größten Leistungen der Radsportgeschichte (”Les exploits du siècle“). Darunter Bartalis Sieg in der ”Tour de France“ 1948, zehn Jahre nach seinem ersten Sieg (und 1950 hätte er, mit 36 Jahren, wohl wieder gewonnen, wäre er nicht in den Pyrenäen ausgestiegen nach einem Angriff durch chauvinistische Zuschauer); Koblets Sieg in der flachen Etappe Brive–Agen der ”Tour“ 1951 (die er gewann), wo er 135 Kilometer lang allein an der Spitze gegen ein hinterher jagendes Feld (mit Coppi, Bobet, Ockers, Bartali, Robic, Géminiani) aushielt und die Etappe wie in einem Zeitfahren gewann; Coppis Sieg in der ”Tour“ 1952 (und dort besonders sein Etappensieg in Alpe d’Huez); Charly Gauls Sieg am Monte Bondone in Schnee und Sturm (”Giro“-Sieg 1956); Anquetils Sieg in Bordeaux–Paris, usw...
Wo hätte Armstrong einen Erfolg zu verzeichnen, den man ohne Zögern neben diese und andere Ausnahme-Leistungen stellen könnte? Armstrong gehört nicht in diese Familie der Größten der Großen. Könnte man vielleicht seine sieben ”Tour“-Siege als ”Gesamtpaket“ nehmen und daneben setzen? Aber da kommt wieder der Einwand, dass er nur auf die ”Tour“-Siege zu gefahren und trainiert hat. Einer seiner direkten Vorgänger, Miguel Indurain, gewann noch zweimal ”Giro“ und ”Tour“ im selben Jahr.
Ivan Basso, Zweiter der ”Tour de France“ (3. letztes Jahr) hätte diese Jahr den ”Giro“ gewinnen können, wäre da nicht sein schwarzer Tag mit der Darm-Infektion gewesen. Man kann sich Armstrongs perfekte, quasi wissenschaftliche ”Tour“-Vorbereitung gar nicht vorstellen mit einem ”Giro“ dazwischen, dessen Streckenführung schon lange den Ruf hat, schwieriger zu sein als die der ”Tour de France“.
Armstrongs größte Leistung als Sportler wie als Mensch ist vielleicht sein Sieg über den Krebs mit anschliessend völlig neuer Karriere als ”Tour“-Sieger. Als ob er das Glück gehabt hätte, schwer krank zu werden, um aus dieser Krankheit gestärkt an Energie und Kraft herauszukommen.
Was die Doping-Vorwürfe betrifft (Armstrong hat schon eine Verleumdungsklage eingereicht gegen das neue Buch von P. Ballester ”L.A. Confidential, les secrets de Lance Armstrong“, das nächstes Jahr erscheinen soll), – so gilt vielleicht für viele: ”Wer im Glashaus sitzt, wirft nicht mit Steinen“. Allerdings: als er 1999 (Jahr seines ersten ”Tour“-Sieges) positiv getestet wurde, hat die UCI ihn weißgewaschen, weil er ein Rezept von seinem Arzt besaß. Wodurch aber der Doping-Verdacht gegen Armstrong nie zum Schweigen kam, und Le Monde (25.7.) titeln konnte: ”Le long règne impérial d’Armstrong s’achève dans le doute“.
Armstrong aber beklagte in seiner Rede auf dem Podium in Paris die Zweifler, die ”Skeptiker“ und ”Zyniker“, ”die nicht an WUNDER glauben“. An Wunderglauben aus dem neuen Amerika ist man ja schon gewohnt. Aber nun auch noch im Sport! Das hat Armstrong dann doch wohl nicht nötig.
Joseph Welter