Da ist bei LeZonk natürlich schon ne Menge Schaum vorm Mund dabei, aber es ist ja nicht so, dass seine Wut komplett keinen Hintergrund und die Vorwürfe überhaupt keine wahren Kern hätten.
Die Leistungen in den bisherigen Pflichtspielen waren soweit ok, die Ergebnisse onehin (das war, seit Carlo da ist, aber eh nie das Problem). Es ist aber nunmal auch so, dass die letzte Saison eine ganze Reihe von negativen Aspekten hatte und leider, leider sehe ich bis jetzt keine Besserung - was so früh in der Saison überhaupt kein Problem ist. Problematisch ist aber, dass ich bei Carlo bis jetzt keinerlei Erkenntnis oder Willen sehe, daran etwas zu änden. Als da wären:
-Genauigkeit: die hat im letzten Jahr im Vergleich zu den Vorjahren deutlich abgenommen. Die dadurch angenommene größere Freiheit der Offensivspieler hat in keiner Weise zu mehr Überraschungsmomenten oder Kreativität geführt. Das setzt sich in dieser Saison in Vorbereitung und bisherigen Pflichtspielen nahtlos fort: es gibt kaum Automatismen im Aufbau, dei Offensiven können auch kaum Kreativität entwickeln, weil sie eben nicht wissen, wo die Nebenleute sind. Da geht tatsächlich extrem viel über individuelle Klasse und man ist komplett von der Tagesform der Hauptdarsteller abhängig. Mehr als unter Pep und mehr als unter Jupp. Das ist nicht gut, das ist gar nicht gut.
-Jugendförderung: fand im letzten Jahr bekanntermaßen kaum statt. Die ersten Eindrücke machen mich da nicht gerade hoffnungsvoll. In der Vorbereitung probiert jeder Trainer mal Nachwuchsspieler aus, aber es geht um die Pflichtspieleinsätze. Sanches wurde für mich im Laufe der Vorbereitung immer stärker und selbstbewusster, um dann keine einzige Pflichtspielminute zu sehen. Im DFB-Pokal war das Spiel zeitig entschieden, Sanches, Benko und Friedl saßen auf der Bank. Wer wird eingewechselt? Vidal und Alaba, denen 20 Minuten gegen Osnabrück sche'ßegal sind, für Benko oder Friedl wäre es eine echte Erfahrung gewesen (auch Osnabrück ist, wenn es ein echtes Pflichtspiel ist, etwas anderes als Testkick in China zwischen zwei Trainingseinheiten). Sanches hätte das Gefühl vermittelt bekommen, auf einem guten Weg zu sein und dazuzugehören. So etwas kommt in Carlos Gedankenwelt ziemlich offensichtlich einfach nicht vor (siehe auch Coman) und das gefällt mir nicht. Das Hauptproblem beim mangelnden Einsatz von Talenten ist eben, dass Carlo da überhaupt keine Notwendigkeit sieht und diesbezüglich kein Problembewusstsein hat.
-Teamführung: wurde beim Amtsantritt ja so gelobt. Das sei das große Plus gegenüber Pep etc. Status Quo ist aber, dass Kimmich kurz davor war, sich auf Vereinssuche zu begeben und es nach dessen Aussage eben praktisch keine Kommunikation gab ("wir müssen ja auch nicht reden") und Müller extrem angepisst ist. Es ist natürlich kein Problem, wenn Müller mal draußen sitzt, das muss er schon abkönnen. Wenn er aber eine richtig gute Vorbereitung gespielt hat, als Kapitän auflief und ihm gegenüber anscheinend auch nicht wirklich kommuniziert wird (was aus seinen Aussagen nach Bremen ja ganz gut rauszuhören war), dann ist das suboptimal. Die Bosse werden nicht ohne Grund jemanden als SD eingesetzt haben, der eben gerade in der Kommunikation mit den Spielern seine Stärken hat. Carlo ist sicher kein Unmensch, das war Pep aber auch nicht. Aber die Erzählungen von früheren Stationen a la "für Carlo gehen seine Spieler durchs Feuer" sind bei uns offenkundig nicht übertragbar. Diese Mannschaft geht für diesen Trainer ganz sicher nicht durchs Feuer, das steht für mich fest. Nicht als Ganzes und auch keine Einzelnen. Wenn die Arbeitsatmosphäre im Alltag besser als "professionell" sein sollte, würde mich das schon wundern.
-Fitness/Verletzungen: angeblich ja Schuld des alten Trainerteams und seiner Arbeitswut. Weniger gearbeitet wird ja anscheinend (siehe Automatismen), weniger Verletzte hatten wir im letzten Jahr nicht, aktuell auch nicht.
-der Mythos "Bestform im Frühjahr": hat im letzten Jahr nicht geklappt. Man war im Rückspiel in Madrid zwar nah dran, das war aber eher dem Charakter des Teams geschuldet, denn der Einstellung durch den Trainer. Sonst muss man ihm nämlich auch die zweite HZ des Hinspiels an die Backe heften, die die unwürdigste des FC Bayern in den letzten 7 Jahren war. Insgesamt war man in den CL-KO-Spielen weder besser, noch schlechter als in den Vorjahren. Das ist mir persönlich auch nicht wichtig, weil Erfolg in der europäischen Topklasse extrem an Kleinigkeiten, Verletzungen und Tagesform hängt. Das ist eben nicht planbar. Nur wurde bei Ancelotti so getan, als ob es das wäre und damit all die anderen Fehlentwicklungen und spielerischen Fehlleistungen entschuldbar wären. Das war ein Trugschluss und nicht so schlimm, wenn eben nicht so viele andere Dinge unter ihm klare Rückschritte wären, die zwar nicht zu schlechten Ergebnissen führen, aber zu einer Rückwärtsentwicklung des Teams (spielerisch, stilistisch, es wird eine mühsam über Jahre und drei Toptrainer erabeitete DNA einfach stoisch und mit Bematenmentalität abgewickelt) und des gesamten Vereins (gerade auch mit Blick auf das neue NLZ).
Die aktuellen Leistungen sind ok und auch wenn sie es nicht wären, wäre das so früh in der Saison nicht schlimm. Die Ergebnisse sind auch völlig in Ordnung. Aber das Ancelotti so ü-ber-haupt nicht den Eindruck vermittelt, dass er bei auch nur einer Fehelntwicklung der letzten Saison irgendeinen Handlungs- oder Arbeitsbedarf sieht, das finde ich schon jetzt wieder richtig besch*ssen. Sorry. Man soll ihn wegen mir ja nicht gleich entlassen, das wäre medial auch kaum zu transportieren. Schließlich gewinnt man ja immer und wird auch künftig fast immer gewinnen. Aber ich will, dass er allmählich mal anfängt, nicht nur ans anstehende Spiel, sondern an Entwicklung zu denken. Dafür muss man bei diesem Kader nichtmal in Kauf nehmen, großartig Punkte einzubüßen. Sonst hätte man sich das neue NLZ auch sparen können und dann muss man den Kader auch nicht mit jungen Spielern auffrischen, die ja auch einmal Leistungsträger und Identifikationsfiguren werden sollen. Wie das bei seiner bisherigen Arbeitsweise funktionieren soll, ist mir ein komplettes Rätsel (Stammplatz für Kimmich als RV war ja eine Anweisung von oben und kaum seine Idee). Er ist fachlich gut genug und intelligent genug, um das umzusetzen, ich erwarte aber auch, dass er das endlich mal tut. Und ich will, dass im Training so viel investiert wird, dass angemessen attraktiver Fußball herauskommt, der das von LvG über Jupp bis zu Pep hart und kontinuierlich erarbeitete Ballbesitz und Flexibilitätsprinzip der letzten 7 Jahre impliziert und mindestens beibehält (eigentlich ist beim FC Bayern stetige Verbesserung Pflicht).
Wenn das nämlich nicht passiert, wird man im Rückblick, völlig unabhängig von den derzeitigen Tagesergebnissen und etwaig gewonnenen Meisterschaften, von den Ancelotti-Jahren als komplett verlorenen Jahren sprechen, die seinem Nachfolger einen riesigen Berg an Arbeit hinterlassen haben. Da bin ich leider sehr sicher.
Stand jetzt hätte Ancelotti ganz hervorragend irgendwo zwischen Magath und Hitzfeld II gepasst. Da war der FC Bayern genau so, wie Carlo tickt. Zum FC Bayern der Jetzt-Zeit passt er für mich bis jetzt rein gar nicht. Und ich will diesen "alten" FCB auf gar keinen Fall zurück, unter keinen Umständen.