Das glaube ich nun überhaupt nicht. Seine Körperprache und sein Kleidungsstil lassen sowas oberflächlich vermuten, aber auf mich wirkt Sané eigentlich als Typ eher introvertiert und zurückhaltend.
Wenn man die aufreizend wirkende Körperpsprache mal weglässt, kann man ihm in Sachen Einstellung auf dem Platz auch wenig vorwerfen. Seine anfänglichen Defizite bei der Defensivarbeit, hat er komplett abgestellt, Sané arbeitet eigentlich sogar mehr nach hinten als Gnabry und deutlich mehr als Coman. Er macht auch bei jedem Angriff seine Laufwege, macht bei jedem Umschaltangriff ordentlich Meter und hält diszipliniert seine Position. Da gibt es für mich nichts zu bemängeln.
Das Probelem ist nur, dass er offensiv absurd schlechte Entscheidungen trifft und da zur Zeit nichts zu klappen scheint. Solche Spielertypen leben aber von Intuition und Selbstvertrauen, was Leroy zur Zeit offensichtlich beides völlig abgeht. Wenn ein Spieler auf der einen Seite eine absolut ordentliche Workrate hat, aber die Entscheidungsfindung und das Durchsetzungsvermögen im 1vs1 fast komplett ausfallen, ist das nach meiner Erfahrung ein Hinweis auf Verunsicherung. Ganz sicher aber keiner auf Abgehobenheit und zu hohe Selbsteinschätzung.
Genau die gleichen Dinge hat man in schwierigen Karrierephasen auch Götze oder Özil (lange bevor er tatsächlich seine Karriere schleifen ließ) vorgeworfen und mMn war das da genau so Blödsinn, wie jetzt bei Sané.
Für mich ist eigentlich offensichtlich, dass Sané kein Einstellungsproblem hat, auch kein Fitnessproblem (jdf kein schwerwiegendes), sondern eben ein psychologisches. Sowas kommt vor. Er mag ein Typ sein, der sich Dinge zu Beginn zu einfach vorstellt, keine Ahnung. Auf jeden Fall scheint er aber zu den Spielern zu gehören, die sich eben nicht am eigenen Schopf mit einer "Sch... drauf, euch werd ich*s zeigen" Haltung aus einem - wie auch immer entstandenen Leistungsloch - schnell selbst wieder in die Spur bringen können.
Pfiffe oder den Spieler einfach mal eben als selbstverliebten Pseudostar abzuschreiben, scheinen mir jdf die grundlegend falschen Wege zu sein und ich sträube mich auch, bei sowas mitzumachen.
Natürlich ist Leroy in allererster Linie selbst gefordert, dafür ist er Leistungssportler und Spitzenverdiener. Aber gleichzeitg stehen da auch ein umsichtiges Vereins- und Beraterumfeld in der Pflicht und selbstredend ist jetzt JN als Pädagoge gefragt. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, Sané jetzt einfach weiter spielen zu lassen, oder ob man ihn mal ein oder zwei Wochen komplett rausnimmt. Das muss am Ende Nagelsmann einschätzen und entscheiden. Klar ist aber für mich, dass der Spieler jetzt kein Draufhauen, sondern Hilfestellung benötigt. Vom Club, aber auch als Fan sollte man sich da nicht ausnehmen.
Ich denke, Du hast da einiges treffend beschrieben.
Mir stellt sich dabei trotzdem die Frage, ob dann eine solche Person im Profi-Fußball richtig aufgehoben ist. Eigentlich war Fußball von der Basis aus gesehen immer ein Asi-Sport. Das ist zuweilen hässlich, aber gerade darin besteht auch ein Teil des verbindenden Elements im Fußball, ob man es nun gut finden mag oder nicht. Die Gedemütigten und Geknechteten ziehen ins Stadion, um dort in einer Parallelwelt endlich einmal Teilhabe an etwas Größerem zu erlangen. Dort findet man sein Ventil, eine Art ungebundene asoziale Freiheit, die man mit einer Horde teilt.
Und diese Horde soll Rücksicht nehmen auf Leroy Sane?
Ich war mal am Bökelberg als der FC Bayern gastierte. Die Bayern hatten ihren Lothar dabei. Judas war noch das Freundlichste, was Matthäus zu hören bekam. Irgendwann skandierte das ganze Stadion: Ganz Gladbach hat Dich schon gef…, Lolita Matthäus. Was macht Lothar? Der entblödet sich nicht und geht tatsächlich mit drohend gen Fangruppe geschüttelter Faust auf die Peiniger los und beschimpft sie, Riesengelächter.
Danach ist Lothar zurück auf dem Feld und nimmt erst mal gepflegt das gesamte Gladbacher Mittelfeld auseinander. Bald lacht keiner mehr.
Ribery war ähnlich gestrickt. Der blieb zehnmal beim Dribbling hängen, wird ausgepfiffen, beim elften Dribbling macht er das Tor und zeigt allen symbolisch den F-Finger. Ich glaube, so ein bisschen diese ihr-könnt-mich-alle-mal Einstellung, ich bin immer noch der Geilste, braucht man vielleicht als Profi-Fußballer, um sich gegen so eine feindliche Wand durchsetzen zu können.
Versteh mich nicht falsch, im realen Leben sind mir die sensibleren, leiseren Geister oft lieber...
Keine Ahnung, ob Leroy das noch packt, aber als stiller und eher introvertierter Typ hat er es nun verdammt schwer und ich hoffe, er erhält im Verein so viel Unterstützung wie möglich. Ist halt auch die Frage, wie lange man sich Leroy als Spieler auf dem Feld leisten kann. Manche technischen Unzulänglichkeiten bei der Ballannahme und im Passspiel sind einfach haarstäubend. Das ist teilweise nicht bundesligatauglich.
Kann mir eigentlich auch nicht vorstellen, dass er das nicht normaler Weise drauf hat. In den Bewegungen sieht man Sane schließlich an, dass er koordinativ hochbegabt ist. Solche Typen erlernen doch die Technik eigentlich recht leicht...
Ich hatte mehrere Jahre im Tennis in der Mannschaft an Position zwei gespielt. Über Jahre hatte ich kein einziges Einzel verloren. Dadurch kam man auf die blöde Idee, mich an Position eins zu stellen. Das war mir peinlich. Mit jeder misslungenen Aktion wurde mir das immer peinlicher und ich konnte überhaupt nicht mehr zu meiner Technik und kämpferischen Einstellung finden. Für die auswärtigen Zuschauer sah ich sicherlich wie ein Anfänger und Luschi aus, obwohl ich das Spiel von klein auf gelernt hatte und eigentlich, wenn ich mich wohl fühlte, eine Kampfmaschine war.
Könnte mir vorstellen, dass es Sane manchmal ähnlich geht und er dabei immer mehr blockiert. Seine Fehler tun ja sogar mir als Zuschauer manchmal weh...
Schwierig!