Meine Güte ... hier schreiben ja manche die letzten Seiten mit ganz schön Schaum im Mund.
Bottas sei eine Lusche, weil er beim Start auf nicht gleicher Höhe mit Hamilton liegt und dann bei Abbey nen Rückzieher macht ... sonst hätte er ggf. in Farm links ne Lücke für Verstappen geöffnet, wenn er da außen fährt.
Oder Bottas ist ein Loser, weil er da den Reifenschaden hat. Oh Mann...
1. Hamilton
Glück im Unglück. Schumacher ist einst in Spa wegen einer zu dünnen Bodenplatte disqualifiziert worden. Man argumentierte, dass der Dreher über die Randsteine viel abgeschrubbt hätte, aber die FIA akzeptierte das nicht als Ausrede. Hamilton hat da auf drei Rädern auch ordentlich was auf der Strecke abgeschliffen, aber dank der Anstellung nur ein Teil des Unterbodens.
Eine Runde früher und Hamilton wäre auch außerhalb der Punkte gelandet. Bottas' Reifenschaden bietet ihm erst die Möglichkeit überhaupt die Führung zu behalten. So vergrößert sich die WM-Führung auf 30 Punkte.
Klar ... ein Ausfall kann viel ändern. Sowohl bei Bottas als auch bei Hamilton. Ist nunmal so, wenn man in jedem Rennen 18 bis 26 Punkte fast fest einplaten kann.
Das Mercedes Hamilton nicht reinholte, als Verstappen zum Boxenstop gekommen war, überraschte schon etwas. Man rechnete wohl eher damit mehr als 10 Sekunden beim Reifenwechsel zu verbocken, als dass auch Hamilton einen Reifenschaden kassiert.
2. Verstappen
Auch Verstappen hatte Einschnitte im linken Vorderreifen. Vermutlich waren da doch zu viele Frontflügel-Splitter von Räikkönen ... oder vielleicht lag von Kwjat noch hier und da was rum. Allzu viele Marshalls waren da ja nicht beschäftigt und es kam eher die Methode "Wegtreten" zum Einsatz als ein Kehrbesen...
Ein Reifenschaden hätte auch ihm passieren können ... wer weiß. Der Boxenstop bot sich wegen des riesigen Vorsprunges auf Leclerc ohnehin an. Verstappen wäre vielleicht so oder so reingekommen, völlig unabhängig davon, was mit Bottas' Reifen los ist.
Der Extra-Punkt war einfach reizvoller als darauf zu hoffen, dass Hamilton einen Reifenschaden ereilt ... und man selbst nicht.
3. Leclerc
Es wird gerne von Mercedes-Dominanz geschrieben, davon dass Hamilton und Bottas nur um die Strecke gecruised sind und garnicht voll aufdrehen (dafür sahen die Reifen aber nicht allzu gut aus ... auch jene, die nicht platt am Auto hingen).
Am Ende muss man aber auch folgendes sehen. Hamilton fährt zwar gut 15 Sekunden Vorsprung auf Verstappen raus, doch dahinter fährt Leclerc pro Runde gut eine Sekunde langsamer als Verstappen (und gut anderthalb langsamer als Mercedes). Und Leclerc fährt dabei ein ebenso einsames Rennen wie Verstappen weit vor ihm.
Nicht nur die Dominanz von Mercedes ist vorhanden ... diese Saison zeigt sich eine noch viel größere Lücke zwischen Verstappen und dem Rest des Feldes (das von Leclerc nicht aufgehalten wurde).
Ohne die Mercedes wäre das ein dominanter Rennsieg geworden ... nur halt von einem Red Bull.
Leclerc kann dabei dennoch zufrieden sein. Dritte Kraft in Silverstone ... viel mehr kann man bei Ferrari diese Saison nicht erwarten.
4. Ricciardo
Hat sich nicht davon lumpen lassen, dass er beim SC-Restart von Norris kassiert wurde, als er selbst die Nase ausstreckte, um an Sainz vorbei zu kommen. Nachdem er lange Grosjean nicht richtig unter Druck setzen konnte, kam er irgendwann vorbei und der Vorsprung der McLaren auf ihn wurde nach und nach ein Stückchen kleiner.
Ricciardo war schneller als die beiden ... und konnte Norris kassieren. Für Renault ein zufriedenstellendes Ergebnis. Man spielt mit Racing Point, Ferrari und McLaren in einer Liga. Das sah vor der Saison nicht gerade danach aus.
5. Norris
Mit etwas mehr Teamplay hätte Sainz seinem Teamkollegen DRS zur Verteidigung gegen Ricciardo geben können. Ricciardo kam einfach schneller durch Becketts & Co. und schloss dann mit DRS auf der Hangar Straight zu Norris auf, den er so kurz vor Ende kassierte. Im World Feed ging das etwas unter, da Bottas gerade mit Plattfuß über die Strecke zuckelte.
6. Ocon
Ocon fuhr geschmeidig in dem Moment auf den Stellplatz in die Box, als Ricciardo gerade rausfuhr. Dennoch verlor er da etwas Zeit, Vettel schlüpfte beim Boxenstop durch. Doch diesen Platz holte sich Ocon beim Restart gleich wieder.
Es dauerte einige Zeit, bis er an Stroll vorbei kam. Danach konnte er die Lücke zu Norris nocht etwas verkleinern, aber es reichte nicht mehr, um in Schlagdistanz zu kommen.
7. Gasly
Als Gasly mal freie Fahrt hatte (also nachdem er Giovinazzi und Vettel kassierte), da fuhr er in etwa die Zeiten von Sainz. Der Alpha Tauri ging - für seine Verhältnisse - in Silverstone überraschend gut. Gutes Ergebnis für Gasly.
8. Albon
Am Ende konnte Albon doch noch was vom Wochenende retten. Davor sah es lange nicht gut aus. Wenn man einen neuen Renningenieur bekommt kann das aufbauend sein ... kann mehr weniger heißen "ok, wir versuchen was anders, nun musst du aber auch liefern".
Das Qualifying lief nicht wie gewünscht. Der Crash mit Magnussen geht auf Albons Kappe und der frühe Boxenstop warf ihn in Verbindung mit der Kwjat-SC-Phase hinter Griovinazzi zurück.
Und während vorne Verstappen eine Sekunde pro Runde schneller als Leclerc fuhr, steckte weiter hinten hinter Giovinazzi fest. Ok ... 2019 wäre so eine Konstellation noch dramatischer gewesen ... so war es für Albon einfach nur frustrierend.
Nach seinem Reifenwechsel war er dann neben den Mercedes - dank fricher Reifen - mit am schnellsten im Feld. Nach Runde 45 (Hamiltons schnellste Rennrunde) fuhr er eine Sekunde schneller als die Spitze. Nur jemand mit späterem Boxenstop konnte ihm die schnellste Rennrunde noch nehmen.
Nach 6 Überholmanövern und dreier unfreiwilliger Boxenstops anderer Piloten kam Albon noch von 17 auf 8 vor.
Er hätte den Speed für einen 4ten Platz gehabt ... aber dann muss es auch im Qualifying laufen.
Dieser Samstag lässt beinahe die Vettel-Gerüchteküche noch etwas aufblubbern.
Da ringen Mutmaßungen darüber, dass Mateschitz gerne Vettel zurück hätte, während die thailändische Yoovidhya-Familie lieber weiter Albon im RB sehen möchte.
Naja ... abwarten. Zwei Mal nacheinander hat Albon nun das Q3 verpasst, konnte aber noch in die Punkte fahren ... hätte aber den Speed für 4te Plätze gehabt.
9. Stroll
Ein neunter Platz kann für Racing Point einfach nur eine Enttäuschung sein ... zumal Stroll außerhalb der Punkte gelandet wäre, hätten Bottas und Sainz keine Reifenschäden gehabt.
Auch am Samstag - der deutlich kältere Temperaturen bot als der Freitag - sah es für Racing Point z.B. im FP3 noch recht ordentlich aus ... die Racepace war aber eher mäßig.
Nachdem Grosjean von Norris abreißen lassen musste und von Riccardo und Stroll kassiert wurde, zogen die Renault-befeuerten Boliden das Tempo etwas an. Stroll konnte da nicht mithalten.
Ich hätte erwartet, dass Stroll im Bereich von Leclerc ankommt ... gegenüber den Renault und den McLaren hatte er den Vorteil einen längeren ersten Stint fahren zu können. Aber der Kwjat-Crash hat diesen Punkt unwichtig werden lassen.
Die Kopie ist ein gutes Stück langsamer als der 2019-Mercedes (dessen Pole-Zeit vom letzten Jahr dieses Jahr für die zweite Startreihe gereicht hätte). Nur abgucken reicht halt nicht.
10. Vettel
Kaputter Ladeluft-Kühler, lockere Pedale, mäßig viel Zeit auf der Strecke und Setup-Probleme. Das Wochenende lief mies für Vettel, der vor zwei Jahren noch in Silverstone gewonnen hat.
Dabei hat er nicht über Nacht das Rennfahren verlernt ... mal zum Vergleich, sein Vorsprung (in Sekunden) auf Leclerc war in Ungarn größer, als der Abstand zwischen Leclerc und Vettel in Silverstone.
Vielleicht findet er ja nächste Woche ein passendes Setup? Wie gesagt ... es ist ja nicht so, als wenn er mit dem Silverstone-Circuit an sich nicht zurecht käme...
11. Bottas
Bottas hielt die meiste Zeit über einen recht konstanten 2-Sekunden-Abstand zu Hamilton. Er war eigentlich gut dabei.
Doch seine Reifen ließen nach, Vibrationen kamen hinzu. Bottas verlor dann 1 bis 2 Sekunden auf Hamilton und Verstappen. So stark abgefahrene Reifen sind dann vielleicht mal eine Runde früher für Trümmerteile anfällig.
Ich hatte Bottas bessere Chancen zugedacht, weil ich mit einem 2-Stop-Rennen rechnete und dass Bottas dann im Vorteil wäre, weil er noch einen Satz unbenutzter Mediums übrig hatte (Hamilton nicht aufgrund seines Drehers im Q2).
Am Ende holte er in Riesenschritten auf Vettel auf und setzte sich mit DRS auf der Hangar Straight daneben ... aber er lenkte etwas zu spät ein und verpasste so noch einen letzten WM-Punkt.
12. Giovinazzi
Gemessen daran, dass sich die Ferrari-Junioren in der F2 miteinander um die Meisterschaft streiten, ist dieses Wochenende für Giovianazzi deutlich angenehmer gewesen als z.B. vor zwei Wochen in Ungarn.
Er hatte Räikkönen mehr oder weniger im Griff und konnte auch eine ganze Weile mit Vettel mithalten.
Als Gasly dann vorbei war, musste Giovinazzi abreißen lassen ... doch er konnte den Platz vor Russell halten.
13. Russell
Erneut im Q2, aber gestartet von ganz hinten. Die Strafe hätte nicht mal sein müssen, Russell hätte auch ohne die schnelle Runde - in welcher er die gelben Flaggen ungenügend beachtete - es ins Q2 geschafft.
Beim SC-Restart wollte er Albon ärgern und versuchte sich neben diesen zu setzen ... Albon werte ab und Räikkönen konnte durch die Lücke innen durchschlüpfen.
Hinter Räikkönen verlor Russell dann recht viel Zeit. Als er am Ex-Weltmeister vorbei war, fuhr Russell Rundenzeiten wie Vettel 3 Plätze vor ihm. So holte er dann nach einer Weile auch Giovinazzi ein, kam aber nicht mehr vorbei.
Ohne die Strafe im Qualifying wäre vielleicht ein WM-Punkt drin gewesen.
14. Sainz
Sainz konnte sich recht schnell an Grosjean vorbeimanövrieren und fuhr mit Respektsabstand ca. 4 Sekunden hinter Leclerc ... ohne groß Druck von hinten durch Norris.
Sainz hatte - verglichen mit Bottas - noch mehr oder weniger Glück. Der Reifenschaden trat ein paar Kurven später auf, er musste nicht eine komplette Runde mit Plattfuß fahren. Sainz verlor auf der Inlap 5 Sekunden ... Bottas derer 35.
Dennoch hatte es Sainz den Vorderreifen gründlich zerfetzt. Die McLaren-Crew brauchte bei dem Boxenstop dann auch klar länger als die Mercedes-Truppe. Sainz kam als vorletzter zurück auf die Piste, direkt hinter Grosjean ... interessanterweise nicht mit Soft-Reifen. Diesen kassierte er schnell und flog dann auf der Hangar Straight an Latifi heran. Latifi versuchte mit Zick-Zack-Fahren ihm den Windschatten zu nehmen (was z.B. in der F2 für manch Ermahnungen sorgte), doch Sainz flog in Stowe locker flockig vorbei.
Das ist natürlich kein großer Trost für den verpassten 4ten Platz.
15. Latifi
War ok, mehr nicht. In der Zeit als Latifi (als er an Räikkönen vorbei war) und Russell (bis er auf Giovinazzi auflieg) frei fahren konnten, da zeigte sich doch wieder klar, dass Russell wesentlich flotter ist. Aber das war eh zu erwarten.
16. Grosjean
Bei Haas muss man schonmal was probieren.
Ich war überrascht, dass Grosjean mit wesentlich älteren Reifen so gut an Norris und dessen frischen Reifen dran bleiben kann ... auch wenn jener die harte Mischung fuhr. Gemessen an den Rundenzeiten scheint es fast schon so, als wäre Grosjean mit den alten Mediums schneller gewesen als mit frischen Hards.
Obgleich er dann von ein paar Boliden überholt wurde (die auch sonst einfach eine andere Liga sind als Haas), hätte ich gedacht man lässt ihn noch ne Weile draußen und probiert dann einen 15-Runden-Stint auf Soft. Ob damit mehr drin gewesen wäre ist fraglich ... schließlich verlor Grosjean nochmal 4-5 Sekunden auf der Suche nach dem ersten Gang.
Ich denke er hätte es vielleicht noch mit Giovinazzi aufnehmen können, der ja vor der SC-Phase vor ihm war.
17. Räikkönen
Der langsamste Bolide im Feld ... da lief garnichts. Kimi war eher nur Hindernis für die schnelleren Williams, keine Ahnung was bei ihm schief ging, in Ungarn liefs deutlich besser.
Der kaputte Frontflügel half natürlich auch nicht weiter.
DNF. Kwjat
Nach einem starken Start und nachdem er Giovinazzi kassiert hatte, sah es recht gut aus für Kwjat. Den Abflug in Maggots nahm Kvyat auf seine Kappe, dabei sah es in der Wiederholung so aus, als hätte er hinten rechts einen Plattfuß gehabt. Der Reifen rutscht da schon von der Felge, während Kvyat noch durchs Kies rutscht ... sieht man bei einem intakten Reifen eigentlich nicht.
DNF. Magnussen
Is schon ok dass Albon eine Lücke nutzen will, wenn er eine sieht ... aber da war sie einfach nicht gegeben und Club eignet sich nicht unbedingt dazu, sich innen neben jemand anders platzieren zu wollen. Ziemlich unglücklich für Magnussen.
DNS. Hülkenberg
Ein abgebrochener Bolzen soll sich im Kupplungsgehäuse verklemmt haben, wodurch Racing Point den Mercedes-Antrieb nicht starten konnte. Ziemlich unglücklich für Hülkenberg, der die Rennpraxis gut gebrauchen könnte.
Naja ... nun hat er erstmal Zeit, sich im Simulator weiter vorzubereiten. Am Freitag saß er da gerade mal eine Stunde drin, um das fremde Lenkrad kennen zu lernen.
Es ist etwas strittig, ob die britische Regierung zum Zeitpunkt von Perez' Test eine 7-tägige oder 10-tägige Quarantäne verlangt ... die FIA hat sich aber wohl ohnehin auf min. 10 Tage festgelegt. Wahrscheinlich darf Hülkenberg sein Glück nächste Woche nochmal probieren.
Und dann muss man eh erstmal schauen, wann bei Perez ein Testergebnis negativ ausfällt.