Weil ja gerade über die Motoren geredet wird und ich eh schon lange mal eine Erklärung zum Ferrari-System schreiben wollte...
Die Erklärung, warum Ferrari auf einmal wieder so mittelmäßig ist, ist recht einfach: es ist systembedingt. Ich verzichte ganz bewusst auf die ganzen Details, im Grunde geht es um wenige Eigenschaften. Mercedes und Honda fahren ein Konzept namens Split Turbo (im Folgenden ST), Ferrari und Renault einen Joint Turbo (JT). Vor 2014 hatte wohl jeder das JT-Konzept im Kopf, wenn er an die neue Ära dachte. Es gibt einen Motor (ICE), an dessen Ende ein Turbo geflanscht wird und möglichst kurze Auspuffrohre, die zu diesem Turbo gehen. Die Abgase des Motors gehen über die Rohre zur Turbine, welche den Luftverdichter (Kompressor) antreiben. An der Turbine liegt eine Welle an, die zur MGU-H geht und dort Energie speichert (mittlerweile haben alle die MGU-H im V des Motorblocks liegen). Jetzt dachte sich Mercedes, das geht auch anders und haben den Kompressor nicht direkt an die Turbine gesetzt sondern auf die andere Seite des Motorblocks (also vor den Motor). Das hat zwei entscheidende Vorteile: Erstens, der Kompressor ist weg von der durch die Auspuffgase heißen Turbine und kann dadurch deutlich größer gebaut werden (eigentlich ist auch die Turbine größer). Remi Taffin hat mal den Größenunterschied auf 20-30% geschätzt, in der Formel 1 eine riesige Dimension. Das ermöglicht es unter Volllast mehr Luft in den Motor zu bringen und/oder mehr Energie zu speichern. Zweitens, dadurch dass der Kompressor nun vor dem Motor sitzt, ist die gesamte Einheit aus ICE + Turboteile + MGU-H weniger lang und damit kompakter, was dem Schwerpunkt und der Aerodynamik zugute kommt. Der ST besitzt jedoch einen entscheidenden Nachteil: Der größere Kompressor muss mit mehr Energieaufwand von der MGU-H und Turbine beschleunigt werden. Das ist beim Wechsel von Teillast zu Vollast, also z.B. beim Beschleunigen aus engen Kurven heraus von Nachteil (größeres Turboloch). Mercedes (und mittlerweile auch Honda) umgehen dies, indem sie den Kompressor auch in langsameren Bereichen mit recht viel Energie von der MGU-H antreiben, um das Turboloch zu vermeiden. Ergo steht weniger Energie für Volllast zur Verfügung, was den Größenvorteil etwas ausgleicht. In Summe bleibt aber ein Vorteil gegenüber JT. Nun hat es Ferrari in den letzten Jahren geschafft, mit ihren Tricks diesen Nachteil des JT auszugleichen. Was genau das war, kann keiner genau sagen. Ich schließe mich aber eigentlich dieser Theorie hier an:
Ferrari hat nicht einen einzigen Trick verwendet, sondern wohl eher deren zwei. Sie haben wohl den Benzinsensor (Fuel Flow Meter) überlistet und zwischen dessen Messintervallen mehr Benzin eingespritzt als sie es durften. Ferner haben sie wohl einen künstlichen Eingang im ölbasierten Turbokühler (Intercooler) genutzt, um der Luft, die in den Motor kommt, Öl beizumischen (Background: Die Luft, die zum Motor gelangt, kommt nicht einzig und allein aus dem oberen Ansaugeingang, sondern zum Teil auch vom Intercooler, da das mehr Luft und damit mehr Effizienz produziert). Damit konnten sie mehr Leistung und damit auch mehr Energie (über die MGUs) produzieren (Öl als Energieträger). Das hat ihnen den Nachteil des JT gegenüber des ST wohl mehr als ausgeglichen. Als die FIA 2019 dagegen vorging, war dieser Vorteil weg. In Summe bleibt dann der Nachteil des JT-Konzepts gegenüber dem ST-Konzept. Was die FIA nun mit den Regeln gegen Q-Modi tun will, ist Ferrari (und Renault) hier wieder etwas unter die Arme zu greifen. Wir erinnern uns, der ST generiert wegen des größeren Kompressors mehr Energie, die ich auf eine Runde aggressiver einsetzen kann. Im Rennen verhindern die Energietransferlimitationen im technischen Reglement einen allzu großen Vorteil, auch wenn ich glaube, dass Mercedes und Honda einen besseren Overtake-Modus haben dürften. Die FIA sagt sich also, okay, wir haben Ferrari ihre Spielchen zu sehr eingeschränkt, dann gleichen wir durch den Verbot der Q-Modi das wieder etwas aus. Renault, die sie sich eigentlich immer ans Motoren-Reglement gehalten haben, wird sich auch die Hände reiben. Ob das jetzt gut und fair ist, ist Ansichtssache. So funktioniert die Formel 1 aber nunmal. Wenn ein Team durch ein technisches Konzept zu sehr an Vorteilen gewinnt, gleicht man das durch Verbote sukzessive aus. Genau deswegen wurden elektronische Fahrwerke, Massedämpfer, Doppeldiffusor und co. verbannt.