Durchaus interessantes Rennen, bei den vielen verschiedenen Strategien fiel es garnicht mal sooo leicht, immer den Überblick zu bewahren ... insbesondere im Mittelfeld.
Nunja, vorne war es ja recht "ruhig". Verstappen mit der Bestzeit in jedem freien Training, im Qualifying, der schnellsten Rennrunde und der Führung in jeder Rennrunde. Fehlte glatt nurnoch das Q1.
Man kann grübeln, ob Hamilton mehr Druck auf ihn hätte aufbauen können, wenn er nicht schon mehr als 8 Sekunden Rückstand gehabt hätte, nachdem er an Sainz vorbei war.
Aber letztlich ist Verstappen relativ kontrolliert seinen Stiefel runter gefahren, wenn auch manchmal neben der Strecke. Am Ende war er auf härteren Reifen so schnell wie die Konkurrenz die ihr bestes gab. So brauchte man bei der Strategie nur reagieren und die Soft-Reifen am Ende auch nicht stressen.
Ungefährdeter kann ein Sieg kaum sein.
Kleiner Hoffnungsschimmer für Mercedes ist, dass Russell im Rennen vor Perez geblieben ist.
Sicherlich ist das auch seinem guten Start geschuldet ... und dass Perez nicht an Alonso vorbei fand, bis dieser an die Box kam. Das Timing von Perez' Boxenstops schien mir nicht allzu ideal zu sein, er musste dann doch immer dem - durch Russells frühere Stops - anwachsenden Rückstand hinterherhecheln.
Gerade in der Mitte des Rennens hätte Perez mehr aufholen müssen, um Russell einzuholen. Aber zu dem Zeitpunkt hatte er halt die harten Reifen drauf und war auch "nur" so schnell wie Verstappen, der vorne mutmaßlich cruiste.
Erfreulich - für Mercedes - ist, dass man das einzige Team war, das auf die Hard-Reifen verzichtete bzw. verzichten konnte.
Da waren die Rundenzeiten im ersten Stint doch recht lange ziemlich stabil, während andere Team deutlich früher an die Box kommen mussten.
Für Ferrari war das dann recht ernüchternd, dass man Sainz schon früh reinholte, um einem möglichen Undercut durch Hamilton zuvor zu kommen ... er dadurch seinen zweiten Satz Mediums aber fast doppelt so lang fuhr. Gut war da führ ihn nur, dass Stroll trotz weicherer Reifen im zweiten Stint nicht viel auf ihn aufgeholt hatte, so dass dessen 2ter Boxenstop dann auch keine große Undercut-Gefahr mehr darstellte.
Sainz war übrigens nur einer von zwei Piloten, die den Soft-Reifen nicht gefahren sind.
Die Strategie bei Leclerc kommt in die Reihe "Dinge, die wohl nur Ferrari selbst versteht".
Ja, es ging nicht so recht für ihn voran und er verlor ein wenig den Anschluss zu Piastri und Gasly (beide auf Soft-Reifen gestartet). Aber warum man nach nur 17 Runden die Hard abschraubt und ihn dann ewig lang auf Soft-Reifen fahren lässt? Er kam Gasly da auch nur wieder etwas näher, weil dieser erneut hinter Piastri hing.
Leclercs Abstand zu Sainz hatte sich nach den ersten Boxenstops nicht mehr viel geändert, also Speed mangelte ihm da nicht ... aber die Taktik wirkte etwas ratlos.
Bei Stroll und Alonso wusste ich auch nicht so recht, warum man nicht auf den Medium setzte. Bei Stroll gingen die Rundenzeiten schon recht früh in die Knie und man schickt ihn erneut auf Soft raus. So riskierte man eher, dass Alpine mit Ocon auf einen Overcut setzt.
Doch bei Alpine holte man Ocon früher rein als vielleicht nötig. Zu spät, um vor Tsunoda auf die Strecke zurück zu kommen ... zu früh, um in Relation zu Alonso später genügend frische Reifen zu haben.
Der Sieg gegen Alpine und Ocon markiert den Aston-Martin-Erfolg in diesem Rennen. Inklusive dem haarigen Verteidigungs-Manöver von Ocon, der etwas fspät rüber zog.
Nachdem er sich im Qualifying den Underboden ankratzte, zeigte Alonso dann ja im Rennen, wie man die Reifen länger frisch hält ... als Stroll. So hatte er ja dann am Ende den deutlich jüngeren Hard-Satz war zeitlich mit einem Speed wie die Mercedes unterwegs.
Statt Stroll noch locker zu überholen, verzichtete er darauf ... stattdessen fuhr er mit unter einer Sekunde Rückstand hinter Stroll ins Ziel ... fast Vollgas und einhändig durch die letzten beiden schnellen Kurven, während er den spanischen Fans zuwinkt.
Ein starkes Rennen haben Tsunoda und Zhou geboten. Das gescheiterte Abwehren des Hülkenberg-Undercuts sorgte dafür, dass Alpine und Ocon unter Druck gerieten. Das wiederum kam Alonso entgegen, der vergleichsweise freie Fahrt hatte/bekam.
Für Alpha Tauri und Sauber durchaus ein Erfolg, es mit den Alpine aufnehmen zu können.
Schade für Tsunoda, dass er durch die Strafe am Ende aus den Punkten rausgeflogen ist.
Nicht so erfreulich war für die jeweiligen Teams, dass de Vries hinter Magnussen und Piastri festhing, wobei er dennoch zwischenzeitlich eine Undercut-Gefahr für Leclerc darstellte. Und aus Sauber-Sicht wenig erfreulich war das Rennen von Bottas, bei dem nach dem Rennen ein Schaden am Unterboden gefunden wurde, welcher seine Rundenzeiten beeinträchtigte. Man sieht in seiner Onboard-Aufnahme am Start, wie die Trümmer von Norris' Frontflügel-Endplatte im hohen Bogen umherfliegen und sich teilweise knapp vor Bottas' Wagen absenken.
Für Bottas ist es nicht das erste Mal in dieser Saison, dass er in der ersten Runde unverschuldet Schaden am Boliden abbekommt ... und sein Rennen dadurch eher mies läuft.
Zerknirscht ist man am Ende wahrscheinlich auch bei McLaren. Piastri war zumeist mit Gasly beschäftigt und kam somit Zhou nicht entscheidend näher. Ziemlich Pech hatte er dann, als er in einem ungünstigen Moment blaue Flaggen wegen Verstappen bekam, dieser jedoch auf alten Reifen nicht allzu schnell näher kam. Dadurch verlor Piastri auf einen Schlag gut 3 Sekunden Vorsprung auf Leclerc, als er auf der Geraden vom Gas ging. Nachdem Piastri das DRS hinter Verstappen nicht mehr halten konnte, kam Leclerc dann vorbei.
Norris zeigte mit der guten Runde bei wechselhaften Bedingungen das Potential des McLaren ... also, dass dieser für Überraschungen in der Lage ist. In den ersten Kurven war es ein bisserl ein Ziehharmonika-Effekt - der ihm zum Verhängnis wurde - weil Sainz hinter Verstappen etwas lupfen musste. Norris' Start war da nicht ideal, er hätte vielleicht innen gegenüber Hamilton besser verteidigen können ... aber das sagt sich von außen leicht.
Nach dem Reparatur-Stop hatte er 43 Sekunden Rückstand. Bis zum Ende kamen 65 Sekunden hinzu, also in etwa das Niveau der Aston Martin.
Fehlen noch zwei Teams ... Williams und Haas.
Beide waren recht chancenlos.
Der Williams ist einfach ein Bolide, der bei Kursen mit langen Geraden und langsamen Kurven besser aussieht. Eine Strecke wie Barcelona ist Gift für ihn. In schnellen Kurven fehlt ihm der Abtrieb. Also fuhren die beiden Williams lange im Parallelflug dem Feld hinterher. Außer dass sie anfangs Leclerc ein wenig ärgern konnten war nicht mehr drin.
Der Haas zeigt sich einmal mehr als Reifenmörder ... so wie schon bei den Barcelona-Testfahrten, so wie schon letztes Jahr, so wie schon bei anderen Rennen in dieser Saison.
Auf eine Runde kann der Speed der Haas beachtlich sein und auch zu Beginn ihrer jeweiligen Stints waren Hülkenberg und Magnussen jeweils sehr schnell unterwegs. Das zeigte sich z.B. zur Mitte des Rennens, als beide Haas zu ihrem zweiten Boxenstop reinkamen, die beiden RB und die Mercedes zu ihrem ersten. Jene 6 Fahrzeuge waren dann in der Phase die schnellsten im Feld und Hülkenberg flog an so manch Gegner förmlich vorbei.
Man sieht in diesem Ausschnitt, wie die 6 nach ihren Stops in Runde 24 bis 27 ähnliche Zeiten fahren. Bei Red Bull und Mercedes bleiben sie recht stabil. Die beiden dunkelgrauen Linien der Haas zeigen jedoch, dass es nicht lange dauert, bis ihre Rundenzeiten ansteigen ... und das war auch in den anderen 3 Stints der Fall.
Vom Speed her ist der Haas garnicht mal so schlecht. Aber dies geht zu Lasten des Reifenverschleißes. Das ergibt zum einen den Zeitverlust an der Box ... und zum anderen den Zeitverlust, weil man so in mehrere Zweikämpfe verwickelt ist (mal weil man deutlich frischere und mal weil man ältere Reifen drauf hat).
Haas wird sich dementsprechend ähnlich wie das Williams-Team nur mäßig auf das Rennen in Silverstone freuen können. Die Probleme werden da ähnlich sein.
Vielleicht hat man bis dahin die Boxenstops genügend geübt, so dass am hinteren Wagenheber der Bolide zuverlässig und zügig angehoben wird. Es bleibt der Punkt, dass die Haas-Mannschaft die langsamste bei den Boxenstops ist.