experience_maker schrieb:
Man vergleicht den besten Nash (2005/2006), aber nicht mit Cousy, dem Rentner, sondern dem besten Cousy der Fünfziger, wie er sich im Vergleich zu seiner Konkurrenz präsentierte. Und bei dem kann Nash selbst mit Anfang 30 noch locker in die Lehre gehen. Aber es ist wirklich interessant, dass mittlerweile sogar ausgewiesene Basketballkenner wie mein Kollege Cuttino der Ansicht sind, die Suns würden Nash jedem Point Guard der Geschichte vorziehen, egal ob Cousy, Robertson, Magic Johnson oder Kidd (der Nas einiges über Tempobasketball beigebracht haben dürfte).
Es ist gut möglich, dass sie tatsächlich jeden dieser PGs einem Nash vorziehen würden - individuell steht gewiss keiner von ihnen hinter Nash zurück bzw. in ihrer Prime sind sie teils gar deutlich besser: Kidd vor allem durch seine Defense, Reboundarbeit und vielleicht das wohl noch etwas bessere und vielseitigere Playmaking, Magic Johnson durch das beste Playmaking aller Zeiten und seine Körpergröße (was ihn zu einem Alptraum für den Gegner machte), Robertson als bestes All-Around-Paket.
Bei Cousy wäre ich vorsichtiger - seine Spielmacherfähigkeiten werden jetzt im Nachhinein als mit die besten aller Zeiten dargestellt und er wird gewiss darin sehr gut gewesen sein. In Sachen Scoring stehen bei ihm aber vergleichsweise maue Zahlen mit Quoten, die einen Iverson im Vergleich sehr gut aussehen lassen - und vor allem ist wenig über seine Defensequalitäten zu finden. Und welche Erfolge hatte Boston mit ihm in der Zeit vor Bill Russell? Meisterschaften gewannen sie jedenfalls nicht und noch nicht einmal wurde ihre Division gewonnen. Aufgrund der Lobeshymnen, die seit 50 Jahren nicht mehr in Frage gestellt werden, samt des Fehlens ordentlicher Aufnahmen von Spielen von Cousy ist mir jedenfalls nicht wohl dabei, ihn bei Vergleichen mit späteren Spielern so einfach die Krone aufzusetzen und zu sagen: "Ja, er war auf jeden Fall besser!"
Das ist für mich genau das, was gerade du, exp_maker, doch bei zukünftigen Fans bezüglich Nash befürchtest.
Jetzt kommt aber das Entscheidende: Die NBA ist weder Fantasy Game noch NBA Live. Man kann nicht einfach einen Spieler mit einem angenommenen Wert 80-84 (Nash in seiner jetzigen Prime) durch einen mit 88-93 (Kidd in dessen Prime) ersetzen und die Werte aller Spieler im Team einfach aufsummieren und auf Erfolg schließen, sondern GMs wie Coaches versuchen Spieler danach zusammenzupuzzlen und einzusetzen, wie sie zusammen ein erfolgreiches System spielen können. Sätze wie "ersetze ihn doch einfach durch xy" muss man vorsichtig weiterdenken, denn sie verändern auch die anderen Variablen im Team.
Die Suns haben sich die letzten zwei Jahre einmal gewollt und einmal notgedrungen zu einem extremen Small Ball mit höchster Geschwindigkeit entschieden, einem Team, das vor allem durch seine überragende Offense zu gewinnen versucht (von dem, was ich bisher aus der Geschichte der NBA gesehen habe, gehört diese zu den besten aller Zeiten). Und für diese Art des Basketballs findet man selbst in der Geschichte kaum einen besseren Point Guard von seiner Art zu spielen. Es ist nunmal wie auf Nash zugeschnitten.
Man weiß, dass er in anderen Systemen und mit schlechteren Schützen an seiner Seite weniger gut zurecht kommen würde als jetzt bei Phoenix oder auch schon in den 4 Jahren, die er Starter in Dallas war. Dies bestreitet wohl kaum jemand, der ihn häufiger hat spielen sehen. Er ist nur in diesem einem einzigen System herausragend, in dem sich die gegnerische Offense nicht komplett auf ihn konzentrieren kann (dadurch kann er umso mehr so effizient seinen hervorragenden Wurf ausnutzen - was das ausmachen kann, sieht man ja zum Beispiel bei Jason Terry in Atlanta und Dallas, dessen Wurfquoten in den Himmel schossen und dessen TS% sich sehr verbesserte), da er mindestens 3 Spieler neben sich hat, die mit ihm sprinten und hervorragend scoren können.
Dieses System hat er in Dallas gehabt, und jetzt noch umso mehr in Phoenix, in dem jeder Spieler (auch Marion! Wenn man sich ihn genau ansieht, ist er in den letzten beiden Jahren sehr viel effizienter als in den Jahren zuvor) des aktuellen Kaders besser seine Offensivstärke im Fastbreak/S&R-Basketball ausleben kann als in anderen Systemen. Einerseits profitiert er sehr von dem Raum, der ihm durch die anderen geschaffen wird, andererseits ist er aber selbst gefährlich genug, dass er wiederum für seine Mitspieler den Raum schafft. Es passt für die Offense fast optimal. Er ist der Katalysator, dass dieses System auch erfolgreich angewendet wird, und in diesem derjenige, der wohl den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmacht (unterm Strich stehen dabei nunmal - wie auch von Mystic angeführt - mehr Siege mit ihm und mehr Niederlagen ohne ihn. Was nützt es, wenn Diaw sein Triple Double macht, die Suns aber verlieren?), und als solcher ist er dann auch ein legitimer MVP-Kandidat. Nicht der aus Gesamtsicht so logische und zwingende wie andere Kandidaten vor allem in diesem Jahr und aus historischer Sicht erst recht nicht, aber aus dieser einen Argumentationssicht gehört er dazu und kann auch gewählt werden.
Ein Kidd könnte in Sachen Spielgestaltung durch seine ebenbürtige Passarbeit und sein Aufposten sicherlich ähnliche Arbeit leisten (und im Gegenzug bei der Defense sogar derart bessere Leistungen bringen, dass er als Gesamtpaket ohne Zweifel der bessere ist), aber seine mangelnde Wurfreichweite und -sicherheit führen dazu, dass sich der Gegner anders auf die Suns einstellen würde. Wer weiß, ob sie noch genau so spielen würden und ihre ganz speziellen Stärken so erfolgreich ausnutzen könnten wie gerade unter Nash? Ich vermute es, aber sicher bin ich mir dabei nicht.