Ich sehe einen Rückkampf 90:10 für Ruiz, selbst in Wembley. Wenn das nur eine Sekunde nach einer Neuauflage des ersten Kampfes aussieht, wird Joshua mental auseinanderbrechen und verzweifelt einen Weg aus dem Kampf suchen - notfalls per Schutzschwalbe. Klar, er kann Ruiz früh hart treffen und vielleicht kommt der dieses Mal nicht hoch, die Möglichkeit gibt es im HW immer. Aber ich denke, dass Ruiz mit dem Bewusstsein des ersten Sieges noch besser und konsequenter sein wird. Ich traue AJ keinen Wlad-Ansatz zu, dafür ist er boxerisch-defensiv zu limitiert und sein Jab zu schwach. Die Konditionsprobleme sind wirklich augenfällig, das ist äusserst merkwürdig für einen Spitzensportler. Irgendwas stimmt da überhaupt nicht.
Theoretisch halte ich es durchaus für denkbar, dass AJ seinen Stil an die aufgezeigten Schwächen adaptieren kann. Grundsätzlich erscheint auch mir WK insoweit zunächst als geeignete Blaupause. Nur:
1. Emanuel Steward weilt mittlerweile nicht unter uns. Als Trainer hat er schon Bemerkenswertes geleistet, um Top-Boxern gerade in derartigen Problemlagen weiterzuhelfen (ohne LL und WK völlig gleichzusetzen). Ich weiß nicht, ob es insoweit derzeit einen vergleichbaren Trainer gibt. Jedermanns Sache ist dies meines Erachtens aber nicht.
2. Die Anpassung benötigt imho eine beträchtliche Zeit. WK ist nach der Niederlage gegen Corrie Sanders zunächst mit Moli wieder eingestiegen. Noch in den Kämpfen gegen Lamon Brewster und dem Bodenbesuch gegen DaVarryl Williamson hatte sich seine Schwäche - der völlige Verlust der Übersicht bei hohem Gegendruck - erneut gezeigt. Beim Kampf gegen DaVarryl Williamson hatte er nach meiner Erinnerung auch wieder diesen völlig entgeisterten Blick in den Augen - da wurde er jedoch durch den kampfabruch möglicherweise "gerettet". Halbwegs im Griff hatte er seine Emotionen imho erst im Kampf gegen Samuel Peter 2005, als er den Kampf trotz dreier Bodenbesuche gewann. Trotz der Bodenbesuche erschien er mir in diesem Kampf mental stärker und nicht bis ins Mark erschüttert durch die Niederschläge. Da hat er sich in Anbetracht der Umstände relativ souverän durchgefightet.
Die Zeit und möglicherweise auch den Trainer wird AJ angesichts des sofortigen Rematches nicht haben. Im Ring unter Druck sieht alles anders aus. Aus diesem Grund wird es meines Erachtens jederzeit die Möglichkeit geben, dass sich Mechanismen des ersten Kampfes irgendwann wiederholen.
3. Bei Ruiz hat es mich insbesondere überrascht, wie er im Kampfverlauf zunehmend selbstbewusst durchs Feuer gegangen ist. Ich meine vor dem ersten Niederschlag Joshuas in der 7. Runde - hat er eine massive rechte Gerade von Joshua direkt "geschluckt" und unmittelbar in die entstehende Lücke durch die Mitte nachgesetzt. Das empfand ich als wahnsinnig souverän. Dabei ist er auch mit zwei Schritten verhältnismäßig schnell herangerückt. So etwas wird auch 6 Monate später in einem 12-Runden-Kampf noch möglich sein.
Edit: Datumskorrektur