01. Es war die allgemeine Meinung, dass Hayes Reflexe und Meidbewegungen an diesem Abend weltklasse waren, zumal die Defense neben der Kondition als einer seiner Hauptschwächen angesehen wurde.
Ja, richtig. Es war und ist die allgemeine Meinung, dass Haye in dem Kampf eine Weltklasseverteidigungsleistung gezeigt hat. Differenziert betrachtet müsstest Du aber darstellen, dass die Skepsis vieler Betrachter vor dem Kampf sich in Sachen Defense auf seine mangelnde Deckungsfähigkeit bezog. Das darf für die Beurteilung seiner Verteidigung im Kampf irrelevant bleiben, da ein vermeiden von Treffern über Beweglichkeit und Reflexe den reinen Verteidigungsdienst mindestens so gut erledigt, wie das Abblocken von Schlägen. Kein Vorwurf an der Stelle, nur die m.E. rein sachliche Feststellung, dass dieses Argument zuerst von der Haye hat den Kampf eigentlich gewonnen-Fraktion eingebracht wurde, um zu belegen, dass es die Weltklasseverteidigung von Haye war, die ihm hier in Verbindung mit seinen klareren und härteren Treffern einen knappen Sieg bescheren musste, das Wladimir fast nur daneben schlug und nichts Bedeutungsvolles traf.
Auf einem ganz anderen Papier steht, wie man aus solchen zum Teil extremen Meidbewegungen noch Kontern kann oder selbst Angriffe starten kann, die dann zu etwas Zählbaren führen. Da kam dann, wie Du selber feststellst relativ wenig, obwohl Du selber sagst:
Er bewegte sich auch nicht ständig außerhalb von dem Bereich, wo Wladimir nicht seinen Jab treffen konnte. Da waren auch super Defense-Aktionen innerhalb von Wladimirs "Wohlfühlzone" dabei.
Warum traf Haye den roboterhaften Wladimir, der im Rückwärtsgang oft off-balance schien, so selten? Die Antwort liegt zum einen in der Art seiner eigenen Defense begründet (siehe oben), sie liegt auch in den vielen überzogenen Mätzchen begründet, mit denen er den Ringrichter zu beindrucken suchte und sie liegt in der Antwort auf meine zweite Frage begründet:
02. Zunächst einmal: Klitschkos Trefferquote war besser. Darauf willst du vermutlich hinaus. Wladimir arbeitetet überwiegend mit dem Jab, das ist die beste Waffe eines größeren Boxers gegenüber dem kleineren, um ihn nicht in dessen optimal Schlagdistanz zu lassen. An diesem Abend traf er weniger, als sonst mit der Führhand, aber gut, sicherlich von der Quote her besser als Haye. Es steht ja auch außer Frage, dass er mehr Treffer landete und dementsprechend auch nach Punkten gewann - ich meine jetzt aber nicht klare Treffer, die waren eher Mangelware.
Ich wollte nicht auf die bessere Trefferquote von Wladimir hinaus, die ja von einigen auch noch in Zweifel gezogen wird, was man natürlich tun kann, wenn man es vernünftig begründet - Compubox ist keine heilige Kuh.
Es ist übrigens auch nicht ungewöhnlich, dass der kleinere Boxer gegen solche Brocken nicht unbedingt die beste Schlagquote hat. Schau dir einmal die Statistiken zu Holyfield vs. Lewis 2 an, da hat der Warrior mit Sicherheit auch nicht die beste Trefferquote und weniger Treffer als Lewis, der natürlich viel seinen Jab einsetzte, trotzdem war der Kampf knapp. Der Schlüssel ist in solchen Kämpfen für den kleineren Mann gegen solche Brocken eben meistens, sich der Führhand halbwegs zu entziehen (das schaffte Haye) und so viel zu machen, dass man trotz der schwierigen Gegebenheiten, Treffer zu landen so viele Versuche startet, um am Ende genug Zählbares zu landen. Haye hätte einfach mehr nachsetzen bzw. mehr Aktionen starten müssen, dann wäre seine Quote wahrscheinlich nicht gestiegen, aber die Anzahl der Treffer.
Ja, hätte er müssen - ob was dabei rausgekommen wäre? Ich habe meine Zweifel, die in meiner Antwort auf meine zweite Frage begründet liegt. Einen großen, m.E. den größten Anteil an der niedrigen Trefferquote von Haye hatte Wladimirs hervorragende eigene Defensive, die zwar nicht so schön und geschmeidig aussah, die aber ihren Dienst mit zunehmender Dauer des Kampfes immer besser tat. Sicherlich, spektakulärer ist das unter den Schlag durchtauchen von Haye - verdient es deshalb bei der Vergabe der Punkte mehr Beachtung als Wladimirs Abfangen des Schlages mit der Schulter. Oder war Wladimir in Wirklichkeit ein Hasenfuß, der immer nur vor Haye flüchtete? Wieso hatte Wladimir dann die Ringmitte und war der Boxer, der sich fast ständig im Vorwärtsgang befand?
Von den klaren bzw. harten Treffer, die allgemein Mangelware waren, nahmen sich beide nichts, Wladimir traf trotz sehr guter Defense von Haye einfach doch noch genauso viel Jabs, um den Kampf nach Punkten zu gewinnen. Man kann doch aber nicht abstreiten, dass Wladimirs Jab wie selten zuvor, oft erfolgreich gekonnt gemieden wurde. Da hat Haye einen ordentlichen Job gemacht, weil das aufgrund der Größenvorteil von Klitschko, eine extrem schwere Aufgabe ist. Er hätte einfach mehr eigene Aktionen starten bzw. nach gelandeten Treffern mehr nachsetzen müssen.
Man muss da auch nichts abstreiten. In Sachen Haye musste mehr machen, unterschreibe ich Deine Ausführungen sofort. Man darf dann aber ebensowenig abstreiten, dass die Tatsache, dass Haye selber so wenig traf, eben auch an Wladimirs Defensive lag, die so schlecht dann nicht gewesen sein kann. Wenn man also die Defensivleistung bei der Punktevergabe berücksichtigen muß (was ich nun dazu gelernt habe), dann bitte gleiches Recht für beide Boxer. Dies kommt bei den Hayes Defensivleistung muss sich in den Punkten niederschlagen-Verfechtern leider viel zu kurz und darauf wollte ich hinaus.
Enttäuscht von Haye und vom Kampf sind doch nur diejenigen, die Haye seine Sprüche abgekauft haben. Ich hatte Haye im Vorfeld des Kampfes deutlich schlechter eingeschätzt, womit er mich mit seiner Leistung schon etwas überrascht hat. Hatte gedacht, er taumelt gleich beim ersten richtigen Treffer und könnte Wladi nicht so klar treffen.
Nö, ich habe ihm seine Sprüche nicht abgekauft und war trotzdem enttäuscht von ihm (und wieder einmal von Wladimir) - Meines Erachtens hat Haye ein besseres Ergebnis verschenkt. Haye hat z.B. zeitweilig einen guten eigenen Jab etablieren können, hat diese Taktik aber in den Runden 8 bis 11 fast völlig eingestellt. Darüber hinaus hätte er z.B. wie Red Shadow es richtig schrieb an dieversen Stellen nachsetzen müssen - insbesondere in den Fällen, in denen er lieber den Ringrichter angestarrt hat, auch wären Konter in den Fällen möglich gewesen, in denen er sich darauf zurückgezogen hat, sich zu Boden fallen zu lassen - auch dann als Wlaimir noch gar nicht am Mann war, diese dämlichen Mätzchen haben ihn auch viele Punkte und vielleicht auch eine (T)Ko-Chance gekostet und das enttäuscht mich, nicht die Nichteinhaltung seines aufschneiderischen Geschwätzes zur Promotion des Kampfes.