Zwischendurch findet er auch noch Zeit, Tennis zu spielen. Zum Beispiel am Dienstag in Shanghai. Da trifft Roger Federer zum Auftakt des grössten Turniers in Asien auf Albert Ramos-Viñolas (ATP 46). Gegen den Spanier verlor er hier vor vier Jahren im Startspiel überraschend. Das Masters-Turnier am Huangpo ist für den Weltranglistendritten die erste Station einer ausgedehnten Weltreise, die an die Tournee einer Rockband erinnert. Sie führt ihn bis in vier Monaten durch alle Erdteile, in über ein Dutzend Metropolen und über eine Strecke, die mit rund 100'000 Flugkilometern reichen würde, um den Globus mehr als zweimal am Äquator zu umrunden.
Sechs Länder, sechs Auftritte
Selbst für den Jetlag-gewohnten Federer ist sein Reiseprogramm extrem. Denn neben dem üblichen Turnierpensum mit Shanghai, Basel und London (ATP-Finale) stehen bis Ende Jahr auch nicht weniger als sechs Schaukämpfe in sechs Ländern an. Der erste nächsten Montag in Tokio gegen Kei Nishikori, die anderen fünf vom 19. bis zum 24. November in Süd- und Mittelamerika. Davon vier gegen Alexander Zverev und einer, in Buenos Aires, gegen Juan Martin Del Potro.
Nach zwei Wochen Ferien, die er mit seiner Familie an einem unbekannten Ferienort – in der Regel irgendwo im Indischen Ozean – verbringen wird, folgt ab dem 11. Dezember das Trainingslager in Dubai. Dann geht es nach Australien – erst zum ATP-Cup in Sydney, dann zum Australian Open. Nächste Tennisstation ist am 7. Februar der Match for Africa gegen Rafael Nadal in Kapstadt, wo die 48000 Tickets im Nu weg waren. In der Heimat seiner Mutter wird er zudem ein Projekt seiner Stiftung besuchen. Auch nach dieser intensiven Phase wird er nicht lange ausruhen können. Zwischen dem Turnier in Dubai Ende Februar und Indian Wells (USA) erwägt er einen weiteren Schaukampf.
Stellt sich die Frage, ob die Belastungen für den 38-Jährigen nicht zu gross werden könnten. Denn wo er auch zum Tennisspielen auftaucht, ist sein Terminkalender bereits randvoll. Sponsoren, Fans, Medien und Turniere haben vielerlei Ansprüche, und allen will Federer nach Möglichkeit geben, was sie sich erhoffen. Dabei hilft ihm, dass er diese Verpflichtungen im Gegensatz zu vielen gefragten Persönlichkeiten grundsätzlich weniger als Last denn als Gelegenheit empfindet, etwas zurückzugeben.
In Shanghai, wo er 2014 und 2017 den Titel geholt und früher auch zweimal das Saisonfinale gewonnen hatte, sagte er nun: «Weil ich nur einmal im Jahr hier bin, möchte ich das Beste daraus machen – für meine Partner, die Fans, für mich und den Markt.» Wichtig sei dabei allerdings, dass alles genau geplant sei: «Wenn ich weiss, was kommt, fällt es mir leicht, mich darauf zu freuen.» In Südamerika hatte er 2012 auf einer Exhibition-Tour eine seiner beeindruckendsten Reisen erlebt, und in Südafrika wollte er schon immer einmal auftreten.
Auch Zverev, der Federer nach Südamerika begleiten wird, erwartet eine angenehme Woche. «Wir werden Spass in den Städten haben, ohne uns im Training zu schinden. Das ist toll», sagte er. «Für mich ist das wie Urlaub.» Stresslindernd ist dabei auch, dass Showkämpfe sportlich keinen Druck bringen und Tennisgrössen wie Federer die Reisestrapazen minimieren können. Im Privatjet oder in den besten Sitzen langer Linienflüge reist es sich doch angenehmer als in der Holzklasse.