1. Klitschko (+1) - Ein Hall-of-Famer. vielleicht sogar ein ATG - der mit einfachen, aber sehr cleveren Mitteln und ganz viel eigener Dämlichkeit und Angst die Titel verloren hat. Recht so. Das Maß der Selbstperversion von einem sehr ansehnlichen Offensivboxer zu einem Meister des ungeahndeten Fouls zur Vermeidung nicht existenter Gefahr durch mediocre Gegner hat ihn so derart selbst limitiert, dass ein nicht dem üblichen Beuteschema entsprechender Gegner ihn vor unlösbare Probleme stellt. Nun gegen Joshua, sofern die Gesundheit hält. Joshua liegt im deutlich mehr und bietet genügend Lücken, damit Klitschko seinen Jab & Grab-Stil etablieren kann und ein gelegentlicher Haken sein Ziel findet. Vieles hängt von der Frage ab, was Klitschko gesundheitlich und von den Fähigkeiten her noch im Tank hat. Joshuas Chancen steigen mit jedem weiteren verstrichenen Tag. Immerhin, Klitschko hat den Willen, es noch einmal wissen zu wollen.
2. Joshua (+3) Technisch solide, körperlich hat er die richtigen Parameter. Joshua ist ein athletischer Brocken, doch irgendwo lauert der vernehmbare Verdacht, dass ein Treffer auf den Punkt Joshuas Höhenflug beendet. Titelträger, dynamisches Talent und es bleibt trotzdem der Verdacht, dass trotz erkennbar stetiger Verbesserung der anstehenden Qualitätssprung von Nichts und Niemanden zu Klitschko etwas groß sein könnte. Zumindest kann er sich mit Witzgegnern wie Molina nicht auf eine echte Herausforderung vorbereiten.
3. Povetkin (+-0) - Povetkin hat seit der desaströsen Niederlage gegen Wladimir Klitschko erkennbar mit mehr Ernsthaftigkeit trainiert. Boxerisch bleibt es durchwachsen, was gerade auch der Kampf gegen Carlos Takam gezeigt hat. Gegen den phlegmatischen und konditionsarmen Wach gab es einen überzeugenden Sieg, trotzdem bleiben Zweifel an seiner Entwicklung. Der Kampf gegen Wilder sollte nun eigentlich endlich kommen, aber Wilder hat sich verletzt. Als Interims_WM wurde ein Kampf gegen Stiverne angesetzt. Das ist Murks, wofür Povetkin nichts kann. Danach dann endlich gegen Wilder und in diesem Kampf sollte sich nun endlich zeigen, ob Povetkin wirklich etwas dazu gelernt hat. Technisch steht er über Wilder, hat aber beim Punch und den Körpermaßen klare Nachteile. Wilders maue Deckung sollte die Möglichkeiten eröffnen, die Artur Szpilka bereits mehr als verdeutlicht hat. Es hängt davon ab, ob Povetkin taktisch diszipliniert aus einer sicheren Defensive agiert und mehr zu bieten hat als planloses Anstürmen.
4. Wilder (+-0) - Es ist völlig egal ob man nun bei Wilder selbst oder bei Haymon die Schuld sucht, beide sind fragwürdige Figuren. Große Gegner fordern, irgendwelche Graupen oder (Never-)hasbeens wegklatschen und sich bereits gegen schwächere Contender schwer tun - Ganz großes Kino. Gegen Artur Szpilka, einem Boxer der vierten Reihe, sah Wilder bis zum KO nicht gut aus. Es bleibt ein überdurchschnittliches taktisches Verständnis und der wirklich hervorragende Punch. Das würde gegen den Povetkin aus dem Klitschko-Kampf reichen, daher entscheidet sich der Kampf daran, ob Povetkin mehr in den Ring mitbringt. Nach den letzten Eindrücken könnte das der Fall sein.
5. Ortiz (+1) - Er ist eigentlich schon zu alt für einen Prospect, gestofft hat er auch schon und wusste zwischenzeitlich zu überzeugen. Erst Jennings dann Thompson weggehauen. Ortiz ist das schwache Abbild eines Old School-Boxer mit Punch. Zuletzt konnte Ortiz nicht wirklich überzeugen. Gegen Scott kam er nie in Gefahr, sah aber boxerisch eher mau aus. Gegen "Who the f.ck is" Allen war es dann auch überwiegend peinlich. Ortiz wurde eine Zeit lang als Next Big Thing gehandelt. Ich kann nicht beantworten, warum er das sein könnte. Immerhin darf er jetzt wohl für den überflüssigen WBA-Regular-Titel gegen Briggs ran. Den Schwachsinn braucht auch kein Mensch, könnte Chisora-Whyte in noch unterirdischer werden.
6. Pulev (+1) - Typ ehrlicher Handwerker mit einigen Schwächen. Nach der klaren Niederlage gegen Wladimir konnte er gegen den Veteran George Arias überhaupt nicht überzeugen. Gegen Chisora boxte er phasenweise gut, phasenweise taktisch dämlich. Das lässt wenig Hoffnung für höhere Weihen trotz des Sieges, weil er auch defensiv ungemein schwach ist. Die Idee, den Trainer zu wechseln, kann ich nicht nachvollziehen. Wegner hat ihn keinen Deut weiter gebracht. Ein Kampf gegen den alten und satten Samuel "Black Butterbean" Peter hat auch niemand gebraucht. Das Schwergewicht ist ein kollektiver Witz.
7. Haye (+7) - Haye ist vom Potenzial immer noch mindestens ein Top 5-Mann. Nachdem er früher viel Geld mit wenig (Klitschko) oder nichts (Harrison) gemacht hat, macht er nun viel Geld mit Kämpfen gegen nichts, niemanden oder Hasbeens. Doll. Der selbsternannte Retter des Schwergewichts verdient auch weiterhin sein Geld mit notorisch lachhaften Kämpfen. Nunmehr gegen einen Pitbull aus dem Halbschwergewicht, der ganz böse gucken und Haye nicht leiden kann. Letzteres durchaus verständlich! In der Ferne wartet mit Parker schon ein schlagbarer Titelträger - Chapeau!
8. Parker (+1) - Parker ist noch relativ jung. Nachdem er gegen den üblichen Mix aus Laufkundschaft und (Never-)hasbeens geboxt hat und dabei ganz brauchbar ausgesehen hat, kam gegen Takam zunächst eine wenig überzeugende Standortbestimmung und dann wie aus dem Nichts ein WBO-WM-Kampf gegen Ruiz Jr. - Der Trend setzte sich dabei fort. Der Titelgewinn ist eigentlich schmeichelhaft, anderseits war es Not gegen Elend und verdient haben ihn beide Boxer nicht. Als nächstes wohl eine Gimme Defense gegen Nichts und Niemanden und dann gegen Haye, der Pflichtherausforderer ist. Was für ein Witz. Wenn Haye seine Eier finden sollte, dann boxt er Parker dumm und dämlich.
9. Ruiz Jr. (+3) - Ruiz ist ein Vollidiot. Den WM-Kampf gegen Parker hatte er ebenso wie Parker selbst nicht verdient. Die erkennbare Siegchance (fernab des fragwürdigen Urteils) hat er schon durch seinen körperlichen Zustand weggeschmissen. Hoffentlich jagt ihn Sanchez zu Fuß von Neuseeland ist Trainingscamp zurück. Solange Ruiz Jr. so fett bleibt, kann er seinen dynamisch beweglichen Stil nicht 12 Runden lang durchziehen und wird wohl ein zweiter Solis bleiben. Schade.
10. Stiverne (+-0) - Es soll alles besser werden, außerdem war er im Wilder-Kampf dehydriert etc. pp. Bla Bla... Ich erwarte von Stiverne nichts mehr. Ein vielleicht nicht einmal solider Mann, der in seiner Karriere einen herausragenden Kampf hatte. Vielleicht so ein bisschen ein amerikanischer Chisora. Auch gegen Rossy konnte er nicht überzeugen. Nunmehr gegen Povetkin, der uns von der kanadischen Wanderdüne befreien möge.
In das Schwergewicht ist nach den Titelverlusten Wladimir Klitschkos Leben gekommen, das sah eigentlich gut aus. Dumm nur, dass das Schwergewicht trotzdem ein Trauerspiel bleibt, weil die Top-Contender alles andere als Top sind. Fury ist erst mal raus, Joshua boxt weiterhin gegen nichts und niemanden, Ortiz, Parker & Ruiz Jr. haben sich nicht mit Ruhm bekleckert und Wilder/Povetkin sind extrem inaktiv. Das war es. Mehr denn je sind Leute in den Top30, die entweder technisch, taktisch oder körperlich eine Zumutung sind. Oftmals treffen zwei oder gar drei Kriterien zu. Not gegen Elend. Wann hat es zuletzt mal einen Prospect gegeben, der über mehrere Kämpfe gegen qualitativ besser werdende Gegner überzeugen konnte?