Ich grüße die hiesige Box-Community aus Österreich und oute mich als langjähriger Mitleser, der nun seinen eigenen Saft zum aktuellen Ringgeschehen im Schwergewicht dazu gibt. Ich bin boxbegeistert aber kein Fan und neige stets zum Underdog. Aus zeitlichen Gründen befasse ich mich fast nur mit dem Top-Schwergewicht und betrachte Schlagzeilen zum Boxgeschehen in erster Linie nur als Meinungsmache einer milliardenschweren Sportindustrie. Mich interessieren vielmehr die unterschiedlichen Meinungen und Sichtweisen der privaten Boxinteressierten, welche häufig wesentlich breiter gefächert sind, als die sogenannten Expertisen irgendwelcher Experten.
Wilder vs. Fury III – Wilder KO7
Fury hat die unliebsame Klitschko-Ära beendet und Fury ist mit Wilder über die Runden gegangen, damit hat Fury eine Menge Bewegung ins Schwergewicht gebracht. Sein Sieg über Wilder im zweiten Kampf hinterlässt jedoch einen sehr faden Beigeschmack, denn Wilder war in diesem Kampf, warum auch immer, nur ein Schatten seiner selbst. Es spielt keine wirkliche Rolle, ob Wilder nun ab der zweiten Runde wegen seines Ohres Gleichgewichtsprobleme hatte oder ob er einfach untrainiert war oder ob irgendetwas von Wilders Manipulations-Behauptungen real war, aber feststeht, dass Wilder spätestens ab Runde zwei nicht mit dem Wilder aus den vorherigen Kämpfen vergleichbar war. Und zusammen mit der Tatsache, dass der erste Kampf ein Unentschieden war, ist ein dritter, klärender Kampf um den WBC-Titel beinahe unabdinglich. Immerhin ist der WBC-Titel der begehrteste Titel im Schwergewicht!
Einen dritten Kampf wollte Tyson Fury aber nicht und mit zweifelhaften Verhandlungen zwischen Arum und Hearn bezüglich eines Kampfes zwischen Fury und Joshua, ist beinahe genügend Gras über Furys Verpflichtung zu einem dritten Kampf gegen Wilder gewachsen. Zum Glück hat aber ein Gericht entschieden, dass Fury zuvor doch nochmals gegen Wilder kämpfen muss, obwohl Fury vs. Joshua bereits eingetütet gewesen sein soll.
Der Termin für Wilder vs. Fury III stand bereits fest, aber Fury hat sich mit einer tolldreisten Lüge aus der Affäre gezogen und er muss sich die Frage gefallen lassen, warum? Wenn er doch Wilder im zweiten Kampf so sehr dominiert hat, dann hätte er doch besser den ersten Termin wahrgenommen und stünde im Falle eines Sieges bereits jetzt für Joshua zur Verfügung, ohne dass Joshua zwischenzeitlich gegen Usyk untergegangen wäre.
Man mag über Wilder behaupten was man will, aber er ist vor keinem Boxer davongelaufen. Er hat selbst Ortiz, ein wirklich guter Techniker mit enormer Power und enormen Kinn, der ihn im ersten Kampf sogar am Boden hatte, einen Rückkampf angeboten und diesen erneut durch KO gewonnen. Und obwohl Wilder im ersten Kampf von Ortiz immens durchgerüttelt wurde, sah er auch in der siebten und schwierigsten Runde nicht so desolat aus, wie ab der zweiten Runde gegen Fury. Es ist beinahe offensichtlich, dass mit Wilder im Rückkampf gegen Fury etwas nicht stimmte und Wilder hat direkt nach dem Kampf auch darauf reagiert. Das diese Reaktion etwas "komisch und fragwürdig" herübergekommen ist, bleibt unbestritten, ändert aber nichts an den sichtbaren Fakten.
Aus dem dritten Kampf hat Wilder aber gelernt. Medial wird derzeit zwar gerne behauptet, dass Wilder nicht die hellste Kerze auf der Boxtorte ist und er sein Training völlig falsch angehen würde, aber gerne wird dabei vergessen, dass Wilder bis zum zweiten Kampf gegen Fury eigentlich alles richtig gemacht hat und 5 Jahre lang WBC-Weltmeister mit neun erfolgreichen Titelverteidigungen war. Und genauso ist davon auszugehen, dass Wilder auch dieses Mal wieder beinahe alles richtig machen wird. So wird sich Wilder keinesfalls darauf einlassen, Wasser zu trinken, welches er nicht selbst abgefüllt hat, er wird die Handschuhe genauestens untersuchen lassen und er wird vor dem Kampf niemanden zu sich lassen und all das ist nur möglich, wenn er jemandem in seiner Ecke hat, dem er vollends vertrauen kann und das ist Malik Scott.
Malik Scott ist aber nicht nur für die Vertrauensbasis sehr gut, nein, Scott verfügt auch über eine boxerische Fähigkeit, die für Wilder gegen Fury enorm hilfreich sein wird und diese Fähigkeit hat Scott gegen Luis Ortiz 12 Runden lang geradezu zelebriert. Es war nicht schön anzusehen, aber Scott ist einer der wenigen, die gegen Ortiz nicht auf die Bretter musste. Malik Scott konnte sich immer sehr gut einem Infight und einem Bombenhagel entziehen und genau das muss Wilder gegen Fury auch machen, denn boxtechnisch hat Wilder nicht die geringste Chance gegen Fury. Wilder darf sich zu keiner Zeit dem Stil von Fury unterwerfen und wenn Fury ihm diesen Stil aufzwängen will, muss Wilder das a la Scott gegen Ortiz unterbinden. Mehr muss Wilder eigentlich nicht dazu lernen, bzw. mehr kann Wilder eigentlich nicht dazu lernen, aber das würde auch völlig ausreichen, um Fury aus der Reserve zu locken und ihn dann, wie gegen Ortiz 2, mit Geduld abzuschießen. Das ist das Einzige was Wilder kann und das wird auch sein erfolgreiches Rezept sein.
Der körperliche Aufbau von Wilder ist auch nicht so verkehrt, wie häufig angenommen wird, denn Wilders ist kein Haye, dessen Schlagkraft in erster Linie auf Geschwindigkeit basierte. Wilder ist da eher wie Joyce unterwegs, der seine Schläge zwar telegraphiert, aber selbst dann gewaltigen Schaden hinterlässt, wenn der Gegner genügend Zeit zur Deckung hatte. Ein paar Kilo mehr werden also nichts an Wilders Schlaghärte ändern, aber die paar Kilo werden Wilder dabei helfen, weniger von Fury erdrückt zu werden.
Alles in allem gehöre ich also zu den Leuten, welche nicht nur diesem Kampf entgegenfiebern sondern Wilder darin als Favoriten sehen und das nicht etwa, weil ich Fury am Boden und Wilder siegen sehen, sondern weil ich gerne das tatsächliche Kräfteverhältnis zwischen beiden Boxern sehen möchte. Und prinzipiell würde ich mich sogar über einen Sieg von Fury mehr freuen, weil ich auch ein größerer Freund von Technik als von Schlagstärke bin. Im Lauf der Jahre haben mich aber Boxer wie Wilder und Joyce doch davon überzeugen können, das letztendlich nur ausschlaggeben ist, wer den Ring stehend als Sieger verlässt!
In diesem Sinne wünsche ich allen einen spannenden Boxabend, der hoffentlich nicht doch noch kurzfristig abgesagt wird und nach dem Ende absolut keine Zweifel mehr übriglässt.
moneyslave
