Umgekehrt glaube ich aber, dass Du die Dinge in Hamburg oft schöner redest, als sie sind. Auch wenn Du ausgibst, kein Fan zu sein.
Bin ich auch nicht. Es ist halt der Bundesligist der Stadt, in der ich seit gut 12 Jahren wohne und mein Anlaufpunkt, wenn ich Bundesligafußball sehen will. Da beschäftigt man sich ja automatisch mit dem Verein, da ja auch zig Kollegen und Freunde HSVer sind und der Verein in Hamburg immer ein Riesenthema ist. Ich bin auch nicht der Typ, der dann ein paar Mal pro Saison mit ins Stadion geht und dann fragt "der 7er da bei euch, wer ist das nochmal?". Da sympathisiert man mit den Jahren natürlich schon (oder entwickelt eine extreme Abneigung, je nach dem).
Aber Fan ist was anderes. Ich bin dem HSV eng und freundschaftlich, aber platonisch verbunden. Meine ganze Liebe gehört natürlich nur dem FCB, mit dem bin ich seit 37 Jahren glücklich verheiratet.
Natürlich ist beim HSV längst nicht alles gut, die Abhängigkeit von Kühne ist natürlich eine mittlere Katastrophe. Das ist aber weniger die Schuld der aktuellen Führung, sondern die der vergangenen Jahre. In der aktuellen Situation hat man gar keine Alternative dazu, das Geld zu nehmen und Kühnes Bedingungen zu akzeptieren. Es werden auch aktuell viele Fehler gemacht: die Gehaltsstruktur ist zu hoch, die Aufwendungen für Geschäftsstelle sind viel zu hoch und man tut sich noch immer schwer, angefangene Dinge auch mal richtig durchzuziehen.
Aber die jetzige Führung macht wenigstens
überhaupt mal Dinge richtig: man hat jetzt den "Campus", insgesamt hat Bernard Peters im Jugendbereich viele sinnvolle Dinge angestoßen und in Sachen U-Nationalspielern tut sich ja auch ein bisschen was. Leider geht in Hamburg dem aufgeregten Umfeld immer alles nicht schnell genug. Sportlich hat man in diesem Sommer endlich mal eine vernünftige Transferperiode ohne Altstars, die ihren letzten Frühling schon hinter sich haben und mit Verpflichtungen, die kadertechnisch sinnvoll sind. Und Labbadia holt halt mit viel Einsatz das raus, was möglich ist.
Das ist natürlich nicht alles pures Gold, aber verglichen mit dem, was in den Jahren davor hier in Hamburg abgelaufen ist, ist das wenigstens schon mal was. Dem HSV fehlten ja vor 2 Jahren prakisch sportlich, wirtschaftlich und strukturell wirklich sämtliche Voraussetzungen, um irgendwie ein konkurrenzfähiges Produkt am Markt zu etablieren. Gerade als Bayernfan war das schon krass mitanzusehen. Gemessen an dem, was in einer Stadt wie Hamburg möglich ist, ist das jetzt immer noch (viel zu) wenig, aber es ist immerhin ein Anfang. In 1-2 Jahren kann man so eine Ruine eh nicht Instandsetzen. Beim HSV ging es zum Zeitpunkt der Umwandlung in HSV+ und der Rückkehr Beiersdorfers ja nicht um Reparaturen, sondern um die Grundsanierung eines Gebäudes, das zwar unter Denkmalschutz stand, aber akut einsturzgefährdet war. Jetzt hat man wenigstens die Chance, irgendwie erfolgreich zu arbeiten. Ohne Kühne wäre das unmöglich - und ohne die Verpflichtung Labbadias auch. Der hat immerhin den sicheren Abstieg noch irgendwie verhindert (in der Relegation dann mit viel Glück) und danach jetzt Platz 10 erreicht, ohne jemals in wirklicher Abstiegsnot zu sein. Auch wenn im HSV-Fanlager schon wieder gemurrt wird, war das das Optimum, was möglich war.