@liberalmente
Refns und Millers Filme sind auf der Oberfläche natürlich überhaupt nicht miteinander zu vergleichen. Refns Filme sind meistens auf einen Protagonisten fokussierte Charakterdramen, während Millers Actionfilme eine Welt zeichnen und darin eine kleine Geschichte erzählen. Die Gemeinsamkeit ist, dass Beide mehr mit Bildern kommunizieren als mit Worten und Dialogen. Darum ist bei beiden Regisseuren alles was man sieht und hört bis aufs kleinste Detail geplant und perfektioniert und wenn möglich wird keine Szene dem Zufall überlassen. Der für dich entscheide Unterschied wird wahrscheinlich das Tempo dieser Erzähltechnik sein. Nimmt man andere Arten der Kunst als Vergleiche für diese Techniken, dann wären Refn Filme einem Gemälde gleich. Lange, sehr prächtige Shots deren Gewicht man spüren kann. Millers Filme auf der anderen Seite wirken eher wie eine schnelle Komposition von vielen kleinen Schnitten, die als Szene erst ein Kunstwerk ergeben. Beide sind dabei stilistisch sehr extravagant und für beide Regisseure spielt nicht das "was" bei der Erzählung der Geschichte eine Rolle sondern das "wie". Beispielweise in Drive befindet sich das Paar oftmals im Auto oder im Fahrstuhl wo sich viele Szenen ähneln, jedoch ist der Subtext und die Details im Charakterverhalten entscheidend um die Szenen zu verstehen. Bei Fury Road unterscheiden sich die Actionszenen durch die wechselnden Motivationen der Charaktere. Obwohl es sich dabei um eine große Verfolgungsjagd handelt, ist jeder Abschnitt durch andere Beweggründe der Figuren gekennzeichnet. Ebenso hat sich die Beziehung der Figuren zueinander geändert. Der jeweilige Stil bringt aber auch Nachteile mit sich, denn Refn kann man vorwerfen, dass er nur Tiefe vortäuscht und Miller muss damit Leben, dass seine Filme bloß als Actionfest abgestempelt wird. Hat man jedoch ein Auge für Details und bevorzugt die Erzählweise über Bilder, so kann man die Filme beider Regisseure genießen.
Um Fury Road verstehen zu können, braucht es Kontext in der Entwicklung des Actiongenre. Auch wenn Les Selvage von videospielartigen Sequenzen spricht, ein Begriff der etwas neumodisches impliziert, ist Fury Road ein sehr klassischer Actionfilm. Anders als heutige Actionfilme, was zur Zeit gleichbedeutend mit Superheldenfilme ist, werden Computereffekte als Hilfsmittel benutzt und nicht um eine Szene zu kreieren. Dadurch wirken die Szenen echter. Auch werden in den Szenen klare Schnitte, ähnlich wie die des 90er Jahre Hong Kong Kinos, benutzt um den Bildern eine klare Erzählstruktur zu geben. Shakey Cams, die im Prinzip Action und Bewegung nur vortäuschen, werden nicht benutzt. Ebenso ist die Verbindung von Ton und Bild genial.
Auch klassisch ist die Funktion die Action in Fury Road hat. Diese fungiert als Träger von Spannung und Erzählung. Nehmen wir als Beispiel den Endkampf in Avengers an. Jeder Kampf der einzelnen Figuren führt praktisch zu nichts, denn ob jetzt der Hulk das eine Alien haut oder nicht, spielt für den Verlauf der Geschichte keine Rolle. Diese Art von Action ist eher als Spektakel gedacht. Ebenso der Endkampf im dritten Star Wars. Auch da spielt es eigentlich keine Rolle, wie der Kampf abläuft, denn am Ende wissen wir eh was passiert. Fury Road hingegen verschärft mit jeder Sequenz die Lage der Gruppe und entwickelt somit einen Spannungsaufbau. Ebenso hervorzuheben ist, dass es während der Actionszenen es zu Stimmungswechseln kommt, die auch betont werden. Beispielsweise wird die Überzahl der gegnerischen Fahrzeuge stilistisch in Szene gesetzt um Dramaturgie zu erzeugen.
Ich möchte den Film an dieser Stelle jedoch nicht weiter sezieren aufgrund von Spoilern. Ich kann nur sagen, dass der Film sehr viel von Details und Bildern lebt, diese aber in sehr viel Action und Spektakel verpackt werden. Aufgrund des hohen Maßes an Spektakel und Action kann dieses jedoch untergehen, aber für ein geübtes Auge ist das ein Genuss. Ich kann darum nicht sagen, ob diese Art von Film dich anspricht, jedoch kann ich mehrmals betonen, dass es sich bei diesem Film nicht um ein plumpes Actionfest handelt. Vielmehr es ein Film, der im Actiongenre in puncto Bildsprache, seines Gleichen sucht. Für mich als Hobbyfilmemacher, der sich auch mal an Action versucht hat, war das mehr als nur ein Lehrfilm. Eher ein einschüchternes Beispiel, denn so gut wie Miller werde ich in meinen kühnsten Träumen nicht.
PS: Es handelt sich weder um ein richtiges Sequel oder Reboot. Vielmehr ist es eine Geschichte in einer konstanten Welt mit einem wiederkehrenden Hauptcharakter. Ähnlich wie Sherlock Holmes oder James Bond. Jeder Film funktioniert also gut für sich alleine.