Ich bin: Celine Dion (2024)
Gleich zu Beginn der Dokumentation sehen wir eine junge Celine Dion, welche davon träumt, ein internationaler Star zu sein und fähig sein möchte, ihr ganzes Leben lang zu singen.
Der Film zeigt viele Facetten von Celine Dion. Grossartige Auftritte, tolle Outfits, eine durchgestylte und eine ungeschminkte Celine, welche nun ein völlig anderes Bild abgibt und deutlich älter als 56 Jahre wirkt.
Einer ihrer drei Söhne fragt sie: in welches Land, in welchen Staat würdest Du gehen, wenn Du wählen könntest? Celine gibt die nachdenklich machende Antwort: Obwohl ich die Welt so oft bereist habe, habe ich nicht wirklich was von ihr gesehen. Ist dies nicht seltsam?
Bei Celine Dion wurde SPS diagnostiziert. Die Buchstaben stehen für das Stiff Person Syndrome, eine sehr seltene Krankheit, welche das Nervensystem attackiert. Nur 1-2 Personen von einer Million werden hiermit krank, wobei doppelt so viele Frauen wie Männer davon betroffen sind. Aerzte erklären es so, dass die Muskeln gegen den Körper rebellieren, was zu ernsthaften Spasmen führt.
Nachdem Celine 27 Alben herausgab, 250 Millionen Tonträger verkaufte und mit ihren Liedern mehrfach Grammys und Oscars gewann, sagte sie im Jahr 2021 ihr mit Spannung erwartetes Konzert-Heimspiel in Las Vegas ab und widmete sich der Erholung, verliess ihr Haus selten.
Vor 17 Jahren hätte sie plötzlich bemerkt, wie ihre Stimme höher wurde. Sie wäre am Morgen aufgestanden, hätte ihr Frühstück zu sich genommen und festgestellt, wie ihre Stimme höher wurde. Sie hätte Panik bekommen. Wenn man nach einem Konzert müde sei, würde die Stimme bis zu einem Ton nach unten gehen. Man singe sich dann ein und sie zeigt auch mit den Händen eindrücklich, wie sie die Stimme "zieht" und runterbringt. Celine stellte fest, wie die Stimme beim Runterbringen zerbrach. Es wäre ein Muskelding gewesen. Sie hätte in der Folge den Soundcheck nicht zu lange machen können. Schliesslich stellte man ihr die Diagnose SPS aus. Es läge an den Muskeln, den Nerven. Man könne es nicht sehen.
Celine wirkt traurig, als sie sagt, es sei so schlimm geworden, dass sie nicht mehr laufen konnte, weil sie die Balance verloren hätte. Es wäre sehr schmerzhaft gewesen, Sie könne ihre Stimme noch nicht wieder wirklich brauchen. Flüsternd gibt sie zu verstehen: sie vermisst die Musik, aber auch das Publikum. Celine wirkt angefasst. Das Show Business gebe ihr viel Energie und diesen Umstand betrachtet sie als Geschenk. Es wäre wie eine Droge. Wenn man aus der Seele heraus eine Künstlerin sei, wäre man es für immer.
Es wäre hart, eine Show abzuliefern und noch härter, eine Show abzusagen.
Bevor Celine an SPS litt, wäre die Musik der Dirigent ihres Lebens gewesen. Sie wäre der Musik nur gefolgt. Die Musik hätte ihr die Richtung vorgegeben und es wäre stimmig für sie gewesen, sie hätte sich wohl gefühlt.
Celine beschreibt, was in ihrem Körper vorgeht, wenn sie mit SPS singt: die Lungen wären beim Atmen okay, aber vor den Lungen sei es starr. Celine versucht zu singen, ihre Stimme bricht und ihr Schmerz ist spürbar, wenn sie sagt, wie schwierig es für sie sei, dies so zu hören und es sei nicht einfach, dem Interviewer dies zu zeigen, denn sie möchte, dass dies niemand hören könne. Celine wirkt hier eindrücklich verletzlich und man möchte sie genau in diesem Moment einfach nur in den Arm nehmen.
Celine sagt in der Doku des Oeftern bemerkenswerte Sätze wie:
Wenn Du schnell gehen willst, geh alleine und wenn Du weit gehen willst, geh zusammen.
Dion ist sichtbar eine Perfektionistin, eine Lady welche hart an sich arbeitet, mit hoher Fallhöhe. Ihre Wohnung ist grotesk gut aufgeräumt. Die Kleider perfekt geordnet, sogar die Socken wirken wie mit dem Lineal ausgerichtet. Zweifellos eine Frau mit grosser Disziplin.
Celine ist in Charlemagne, Quebec, Kanada, aufgewachsen hat 13 Geschwister. Schneereich wärs gewesen, die Jugend geprägt mit einem guten Ambiente, viel Musik, vielen Geschenken, viel Liebe und Glück. Die Mutter wäre selber Musikerin und eine starke Frau gewesen. Bilder zeigen sie Geige spielend. Der Vater spielt Handorgel. Finanziell war man nicht auf Rosen gebettet. Manchmal wäre nichts mehr im Kühlschrank geblieben und die Mutter hätte dann einen hervorragenden, wohl schmeckenden Karrottenkuchen aufgetischt. Für sich selber sang Celine nicht oft, aber am Küchentisch hätte sie für die Familie viel gesungen, was ihr Spass gemacht hätte. Sie hätte sich immer vorgestellt, auf einer Bühne zu stehen.
Als ein Bruder heiratete, hatte sie mit nur 5 Jahren einen Auftritt. Sie hätte bemerkt, wie der begleitende Gitarrenspieler einen Fehler beging und sich zu ihm umdreht. Ihre Mutter hätte ihr dann erklärt: wenn jemand was Falsches spielt, sing einfach weiter, als ob nichts passiert wäre. Celine weist darauf hin, dass die Performance zählen würde. Sie sei um ein Vielfaches grösser als der Song selbst.
Als Celine Probleme mit SPS bekam, hätte sie mit Medikamenten nachgeholfen. Zwar habe ihr das Adrenalin geholfen, aber sie stellt traurig fest, dass sie bei Auftritten habe betrügen müssen. Sie wirkt enorm angefasst, wenn sie erklärt, dass sie bei falschen Tönen aufs Mic geklopft habe, um ein technisches Problem vorzugaukeln oder hätte das Mic ins Publikum gehalten, um es singen zu lassen und um wohl ihre Schwäche zu kaschieren. Es hätte auch Momente gegeben, wo man die Show stoppen musste, ein schneller (Kleider)-Wechsel vorgetäuscht wurde und sie nicht wieder auf die Bühne zurück kam. Sie könne nicht mehr lügen. Man hätte für Konzertabsagen Nasennebenhöhleninfektionen, Niereninfektionen vorgeschoben. Sie hält die Hände vors Gesicht. Die Lüge wiege zu schwer.
Alles was sie könne, sei zu singen. Das habe sie ihr ganzes Leben lang gemacht. Das liebe sie am Meisten. Sie vermisse es, nicht mehr auf der Bühne zu sein, habe immer 100 % gegeben. Jetzt müsse sie sich um ihre Gesundheit kümmern.
Interessanterweise weist sie darauf hin, dass sie rauchige Stimmen mag, Sie bewundert jene Leute, welche durchfeiern können, mit unsolidem Lebenswandel und trotzdem toll performen können. Sie sagt, die im Studio aufgenommenen Songs seien gut, aber auf der Bühne zu singen sei einfach besser. Es gebe keine Fehler auf der Bühne, weil es einfach menschlich sei, sie zu machen.
Wieder wird Celine philosophisch:
Da sei ein Apfelbaum. Leute würden viel bezahlen, warten in der Schlange. Sie gebe ihnen Aepfel. Die Besten würde sie polieren. Alle würden mit einem Korb voller Aepfel davon ziehen. Manchmal würden aber die Aeste weniger Kraft haben, abfallen, würden weniger Aepfel produzieren, aber da wären noch immer so viele Leute in der Schlange. Sie möchte nicht, dass Leute auf Aepfel warten, wenn sie keine zu verteilen habe.
Celine geht ins Tonstudio. Möchte es wieder mit singen versuchen. Sie lässt es offen, ob es klappt. Was sie singt, tönt nicht besonders gut. Die Crew belügt sie: you re doing great. Celine ist nicht dumm und scheints zu merken. Weitere Aufnahmen sind einen Tick besser, aber sie ist wohl professionell genug, um zu merken, dass dies nicht genügt. Noch immer feilt sie am Song. Wieder und wieder. Es ist einfach zu hören, dass sie aussergewöhnlich gut ist, aber der thrill is gone.
Das Team wirft noch ein beautiful, merci Celine, ein.
Celine trifft den Therapeuten. Er arbeitet an den sich versteifenden Füssen. Sie liegt auf der Massagebank. Der erfahrene Therapeut sieht schon an den Füssen, dass das Hirn überstimuliert ist. Celine hat Spasmen, welche zu einer Krise führen können. Man gibt ihr Valium. Celine wimmert vor Schmerzen. Verstörende Bilder. Celine wirkt uralt, leidend. Die Cam hält drauf, Minutenlang sieht man eine weggetretene Celine, mit starrem, leeren Blick, gefühlt dem Tod nahe. Ihre Mundwinkel zucken unkontrolliert. Der Therapeut gibt ihr eine Dosis Nasenspray, Hilfspersonal erscheint. Noch immer wimmert Celine. Langsam, ganz langsam, entspannen sich ihre Hände, beruhigt sie sich wieder. Darf man solche Bilder zeigen? Celine wird noch dort gefragt und sie willigt schon dort ein.
Nach überstandenem Anfall ist Celine kaum mehr wiederzuerkennen. Sie ist aus der Asche auferstanden, Leben kehrt in ihre Augen, in ihren Körper, zurück.
Celine wird die sagenhaften Worte sprechen:
Wenn ich nicht mehr rennen kann, werde ich laufen. Wenn ich nicht mehr laufen kann, werde ich kriechen. Aufgeben werde sie nicht. Nein. Aufgeben werde sie nicht.
Einblender: eine damals junge Celine Dion kommt auf die Bühne, sieht sich um, lacht und ist glücklich.