The Punisher
Viele meiner Freunde fanden die Serie stark. Ich bin aber überhaupt nicht damit warm geworden.
Der erste Fehler ist imo, dass mir die gefühlt tausendste Marvel-Origin-Story erzählt wird. Den geschwätzigen Erklärbär, der das Wesen der Haupfigur erörtert, lass ich mir für gewöhnlich gefallen. In diesem Fall ist das aber nicht nur ermüdend, sondern auch unnötig. Der Charakter Punisher wurde in der zweiten Staffel Daredevil ziemlich gut und hintergründig etabliert. Jetzt wird trotzdem der Reset-Knopf gedrückt. Prämisse: Frank Castle wird immer noch von seinen inneren Dämonen verfolgt, hat die Kevlar-Weste aber an den Nagel gehängt und arbeitet auf einer Baustelle. Da war mir auch klar, warum hier wieder 13 viel zu lange Folgen am Start sind. Weil ausufernd gezeigt werden muss, wie aus Castle - schon wieder - der Punisher wird. Ich finde die meisten Marvel-Serien zu lang - aber hier stört es mich in einigen Episoden besonders. Vor allem die Folge, in der das selbe Ereignis aus dem Blickwinkel verschiedener Personen stattfindet. Das ist ein gängiges Stilmittel. Hier hat es aber null Mehrwert. Auch viele der Subplots, die aufgemacht werden, fand ich grandios unnötig. Waffengesetzgebung, posttraumatische Belastungsstörung, der Umgang mit Kriegsveteranen ... da hätte man sich imo viel sparen können. Vor allem den Nebenstrang um Curtis und Amokläufer Lewis fand ich langatmig und öde. Karen Page hat ebenfalls keinen sichtbaren Zweck erfüllt, außer mal die Damsel in Distress zu spielen und die Brücke für ein Sequel mit Daredevil zu schlagen.
Den Stil fand ich fade. Kein eigenständiges visuelles Konzept. Kaum Schauwerte. Da fand ich Jessica Jones um Längen besser. Man könnte natürlich argumentieren, dass der karge, schnörkellose Stil gut zum Punisher passt.
Was ich aber am schlimmsten fand, ist, dass man den Punisher auf Biegen und Brechen als einen kindgerechten Good-Guy verkaufen will. Das funktioniert hinten und vorne nicht. Der Punisher ist keine tragische Figur, bei der du das "Harte Schale, weicher Kern" Motiv aus der Mottenkiste kramen kannst. Der Punisher funktioniert als surrealer, durchgeknallter over the top Comic-Action-Rambo. Nicht als dreidimensionaler, tiefgründiger Charakter. In der Serie wird dir aber in jeder Folge um die Ohren gehauen, was für ein netter Typ Castle eigentlich ist: Der Punisher spielt Football mit dem kleinen Zack, der Punisher repariert mit der kleinen Leo den Müllzerkleinerer, der Punisher bringt der Frau Lieberman Blumen vorbei. Rache ist zwar weiter ein Antrieb, vor allem aber will er die vielen Menschen, die ihm am Herzen liegen, schützen. Das wird dir im großen Finale nochmal so richtig um die Ohren gepfeffert, wenn Castle versucht, zwei (ihm unbekannte) Menschen zu retten. Da höhnt der Bösewicht: "Es war schon immer deine Schwäche, dass du dich zu viel um andere gesorgt hast." Hä? Das ist a) das komplette Gegenteil des einzelgängerischen Comic-Punishers und b) funktioniert es selbst dann nicht, wenn man die Serie völlig losgelöst von der Vorlage betrachtet. Der Typ foltert und mordet im Dutzendpack. Zum Teil Unschuldige oder Menschen, die nur Befehle befolgen. Er reisst Scherze über die Zahl der Toten, die auf sein Konto gehen. So eine Figur kannst du nicht erklären oder sogar auf ein Podest stellen. Trotzdem versucht die Serie genau das quasi ununterbrochen. Eines von vielen Beispielen: Fast jede Episode beginnt damit, dass der Punisher von seiner toten Familie träumt und schweißgebadet aufwacht. Als würde die Serie mir sagen wollen: "Frank Castle wird gleich wieder ein paar Menschen an ihren Gedärmen an der Straßenlaterne aufhängen. Aber schau doch hier, er hat schließlich nen guten Grund." Das funktioniert nicht. Egal wieviele andere Charaktere stets betonen, dass der Punisher eigentlich ein dufter Altruist mit Faible für die Selbstjustiz ist.
Den Hauptplot um die Afghanistan-Verschwörung fand ich nicht schlecht. Originell ist aber anders. Es gibt ein paar Twists - die riecht man allerdings 20 Meilen gegen den Wind. Der Schnösel mit dem schicken Anzug und dem selbstgefälligen Grinsen, ist ein Bösewicht? Überraschung ... Score ist unauffällig. Die Action ist in Ordnung und der Hand-to-Hand-Combat gerade im Vergleich zu Iron Fist gut inszeniert.
Positiv ist Jon Bernthal als Punisher. Der hält den Laden zusammen und schafft es, dass der Zuschauer trotz widriger Umstände emotional investiert bleibt. Er kann nichts dafür, dass das Drehbuch, das Setting und die Story seinem Charakter nicht gerecht werden. Der Rest vom Cast macht das solide.
4,5/10 Punkte