Ich glaube als wirklichen Favoriten kann man Klitschko nicht sehen. Dafür ist er mittlerweile gefährlich alt und hat anderthalb Jahre nicht geboxt und nun ist er gegen einen ganz ernst zu nehmenden Gegner im Ring. Allerdings ist Klitschko auch in seinen letzten Kämpfen noch immer gut genug und schnell gewesen, um vielleicht auch in 2 Wochen aus Fehlern Joshuas Kapital zu schlagen. Und dazu kommt die Wahrscheinlichkeit, dass Klitschko mit seinem mutmaßlich vorbildlichen Lebensstil ohne Übergewicht und Eskapaden auch als 41-jähriger noch besser beinander sein dürfte als die Mehrzahl der 35-jährigen Schwergewichtler.
Die große Unbekannte ist, inwieweit Klitschko in dem Kampf seine Pace aufnehmen kann und Rhythmus findet. Wie lange er brauchen wird, um rein zu finden. Manchmal sind längere Pausen auch unglaublich wohltuend, weil man den Körper auch mal ernsthaft sich erholen lassen konnte und nervige Verletzungen komplett ausheilen konnten. Wenn Klitschko sofort im Kampf ist und sich wohl fühlt, dann kann er das Ding durchaus gewinnen. Für mich Stand jetzt 50-50, weil man nicht weiß, wie Klitschko derzeit drauf ist. Von Joshua weiß man das ungefähr. Wenn Klitschko keine altersmäßigen Schnelligkeitseinbußen im Vergleich zu seinen vorherigen Kämpfen hatte, dann wird er Joshua vor Probleme stellen und zum Nachdenken bringen.
Vom Stil her sehe ich grundsätzlich eher Klitschko im Vorteil, weil er sowohl auf den Beinen, als auch im Oberkörper klar beweglicher ist. Für einen Halbschwarzen ist Joshua erstaunlich statisch im Oberkörper. Der boxt eher einen osteuropäischen aufrechten Stil, ziemlich geradlinig, der nicht sonderliche Überraschungen beinhaltet, wie bsp. ein Faxen machender Fury oder ein Gummi-Vitali. Das bei Joshua ist in der grundsätzlichen Haltung sehr viel der Sdunek-Klitschko von 2001. Brave, klassische europäische Basics auf exzellentem Niveau und auch gutem Aufwärtshaken, aber insgesamt irgendwie relativ berechenbar und in geraden Linien. Dazu hat Joshua für meinen Geschmack 5 Kilo zu viel Muckis. Klitschko hingegen hat unter Stewart durachaus amerikanische Elemente mit Tänzeln, gebeugtem Oberkörper zur Angriffsvorbereitung und natürlich auch dreckige Taktiken am Rande der Legalität verinnerlicht. Wenn er die Einsetzen kann, dann hat er gute Chancen.
Ich freu mich jedenfalls unheimlich auf den Kampf. Egal wer gewinnt. Solange es kein Skandalurteil ist, wird der Boxsport davon leben können. Entweder kommt die Wachablösung oder man hat eine zweite Cinderallastory a la Foreman. Auch der Beginn einer Trilogie ist durachaus möglich, wenn der Kampf eng wird.