Hab gerade Mittagspause. Wird ein etwas längerer Text. Mal sehen, ob ich den in der Zeit hinkriege.
@Brummsel hat mir viel schon vorweggenommen. Ich versuche noch zu ergänzen und deshalb werde ich auch auf die Eichmann/von Trotha-Frage öffentlich eingehen.
Zunächst muss mal gesagt sein, dass sich hier das juristische und moralische in der Diskussion etwas vermischt hat. Das ist für mich schon ein Unterschied. Moralische Bewertungen finden auf einer emotionaleren, teilweise deutlich subjektiveren Ebene statt. Da ist klar, dass ein Mörder und ein Massenmörder beide weggesperrt gehören. Die juristische Ebene muss aber viel objektiver sein und sachlicher. Da spielt es eben nicht nur eine Rolle, dass die irgendwie weggesperrt gehören. Da müssen klare Grenzen gesetzt werden, wer, wann, wie, für wie lange weggesperrt wird. Und wo es Ausnahmen gibt. z.B. Notwehr.
Ich werde jetzt statt moralisch das Wort emotional verwenden, weil es eine deutlich subjektivere, persönlichere Ebene beinhaltet. Und auf dieser Ebene, müssen wir ehrlich sein, ist Mensch schon nicht mehr gleich Mensch. Da kann man Tiere komplett ausblenden. Wir verurteilen mehr, wenn ein hilfloses Kind oder ein Mensch mit einer Behinderung gequält wird, als eine erwachsene, gesunde Person. Oder wenn wir das Beispiel von @Kinski mit dem brennenden Haus nehmen: Zwei Personen sind drin. Man kann nur eine retten. Ich gehe davon aus, dass im Zweifel jeder eher seinen eigenen Bruder, als einen wildfremden rettet. Oder eher eine Person, zu der wir neutral eingestellt sind, als einen Massenmörder. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Spinne. Wenn ich eine Spinne als Haustier im Terrarium habe und per Zufall auch eine unter dem Dach sich eingenistet hat und ihr Netz dort eingerichtet, dann rette ich bestimmt zuerst mein Haustier, zu dem ich eine emotionale Bindung habe. Natürlich, je drastischer die Umstände, desto schwieriger ist es emotional eine Entscheidung zu treffen und teilweise ist es auch juristisch nicht so einfach. Also gerade im Fall Mensch/Mensch. Aber es ist klar, dass jeder von uns eine emotionale Priorisierung vornimmt, egal ob bei Mensch oder Tier. Und auf dieser Ebene ist eben Mensch nicht gleich Mensch und Tier nicht gleich Tier, obwohl das im Gesetz (also insbesondere beim Menschen) so verankert ist. Und je nach dem wie man in solchen Fällen die Parameter verschiebt, ist auch anderes Verhalten akzeptabel. Einen toten Menschen einfach so zu essen würde jeder als völlig verwerflich empfinden. Im Fall der Rugby-Mannschaft aus Uruguay, die nur so am Leben bleiben konnte, ist es ein anderer Fall.
Und jetzt kommen wir zu Mensch – Tier. Wenn ich da pauschal einfach gleichsetzen würde, müsste ich ja gleich zum Polizeiposten rübergehen und mich wegen Massenmord stellen. Schliesslich habe ich auch schon Tiere gegessen und tue es immer noch – habe ja gesagt, dass ich noch nicht völlig vegetarisch lebe, aber mich desensibilisiere – oder Fliegen erschlagen etc. So einfach ist das nicht und deshalb ist kein Metzger, Jäger etc. mit Eichmann oder von Trotha gleichzusetzen. Aber auch da gibt es Unterschiede. Küken shreddern hat für mich nicht die gleiche Qualität, wie ein Metzger, der ein Tier selbst schlachtet. Zumal ich persönlich Jäger und Metzger kenne, denen es wichtig ist, dass das Tier beim Tod nicht leidet. Das ist immer noch besser, als ein Tier zu quälen. Das sind aber auch nur die Parameter, die ich heute, am 10. Februar 2022 anlegen kann. Wo es gesellschaftlich legitim angesehen wird, Tiere zu essen und wo ein Metzger oder Schlachthofbesitzer im guten Glauben handelt. Wenn du mich im Jahr 2122 fragst, wo es vielleicht möglich ist einzelne Körperteile eines Tieres zum Fleischkonsum zu züchten und kein Tier dafür jemals wieder sterben müsste. In diesem Fall wäre jemand, der trotzdem noch Küken shreddert, näher an Eichmann dran, als es heute der Fall ist.
Deswegen auch bei der Frage nach der Kellerassel: Nein, juristisch nicht. Ich sehe zwar keinen Grund, wieso man aus dem Nichts eine Assel töten muss, genausowenig wie man keinen Menschen töten muss, aber wenn man das weiterdenkt, würde man zwangsläufig ein normales Leben als Mensch verunmöglichen. Im Sommer ist es fast unmöglich irgendwo langzugehen, ohne Ameisen totzutreten. Und wenn man da wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung vor Gericht stehen würde, dürfte man nie mehr irgendwo hin. Das bedeutet aber nicht, dass ich die Ameise per se als weniger wert anschaue. Wir haben da vielleicht einfach eine andere Definition des Wortes. Ich sehe das alles als notwendiges Übel an, um selbst leben zu können. Ich finde Kannibalismus auch nicht plötzlich knorke, nur weil ich nachvollziehen kann, wie die Uruguayaner ihre Kumpels essen konnten. Es war schlichtweg ein notwendiges Übel. Denn wie gesagt, je mehr man die Parameter verschiebt, desto stärker gilt "jeder ist sich selbst der Nächste". Und nach einem selbst kommen Menschen und Tiere, die einem emotional nahe stehen.
Das heisst dann auch nicht, dass ein Breivik kein Schweineherz bekommen soll. Aber es ist nachvollziehbar, wieso auf einer emotionalen Ebene jemand ein unschuldiges Tier vor einem Massenmörder sehen würde, auch wenn das moralisch (in diesem Fall separiere ich die beiden Begriffe bewusst) schon wegen der Menschenwürde nicht annähernd in Frage kommt und juristisch erst recht nicht.
Im Fall Zouma ist es dann halt auch so, dass man es ächtet, da es eine Katze ist. Und wie gesagt, auf der emotionalen Ebene sind Kleinkind und Katze da verächtlicher, da beide hilflos, als wenn er jetzt Mike Tyson oder einen Tiger getreten hätte. Das bedeutet nicht, dass man das gut findet. Aber auch wenn man innerhalb der Menschenwürde da Tyson > Katze sehen müsste, ich glaube Tyson würde sich wie der Tiger selbst zu helfen wissen, das Kleinkind und die Katze eben nicht.
Das bedeutet auch nicht, dass man das irgendwie auf die gleiche Stufe hebt, wie Greenwood, Overmars und Mendy. Denn sind wir ehrlich, wir können doch die drei alleine nicht auf der gleichen Ebene sehen. Wir sprechen von einem Dick-Pick-Versender, einem Frauenschläger (bei dem ein Fall bekannt ist) und einem Serienvergewaltiger. Da ist Overmars weder emotional, moralisch oder sonstwie auf der gleichen Ebene wie Mendy. Man kann aber alle drei, oder halt mit Zouma alle vier verächtlich finden bzw. ihr Verhalten. Und alle gehören von den Vereinen sanktioniert und alle haben Straftaten begangen und sollen dementsprechend verurteilt werden (sofern es sich bewahrheitet, kenne ja nicht alle Fälle im Detail).
Das alles heisst für mich nicht, dass Tiere weniger "wert" sind als Menschen. Weil auf emotionaler Ebene vermutlich keine zwei Lebewesen für einen den gleichen Wert haben. Für mich ist z.B. klar dass Meine Freundin > @Flöpper > Ingo Unbekannt > Anders Breivik. Und ich würde alle drei gegen Breivik beschützen. Meine Katze würde ich auch gegen Breivik beschützen. Menschenwürde gilt trotzdem auch für ihn.
Hoffe, dass es einigermassen verständlich ist. Ich wollte eigentlich noch was zu Mensch > Tier und Problemen, die diese Pauschalisierung z.B. bezüglich Umweltschutz etc. hat und gewisse Dinge zu Speziesismus, würde aber IMO am Thema vorbeigehen und den Rahmen sprengen.
Erstmal Danke für die ausführliche Antwort, an der ich nichts "auszusetzen" habe und die ich gut verstehen kann.
Der Knackpunkt war/ist, dass es mir und sicher auch @KOH76 um eine verallgemeinerungsfähige moralische Perspektive ging, weil Gefühle und Emotionen selbstredend stets komplett subjektiv sind und sich aus ihnen auch keine Rückschlüsse auf den Umgang mit Dingen ableiten lassen können. Letztlich steht dahinter die Frage, wie wir als Gesellschaft - u.a., aber nicht nur, durch unser Recht - mit dem Verhältnis Tier-Mensch umgehen wollen.
Wenn Du dagegen eine emotionale Perspektive einnimmst, dann widerspricht sich das nicht, sondern betrifft letztlich eine andere Sache.
Wir sind dann hier fertig, denke ich