T. C. Boyle - Drop City
Überzeugte und weniger überzeugte (Spät-)Hippies versammeln sich in diesem Roman von Boyle, die sich - ihrer zwischen Drogen, Sex und Katerstimmung dahinplätschernden Existenz im sonnigen Kalifornien beraubt - ausgerechnet nach Alaska aufmachen, um dort dem Traum der großen Hippie-Familie erneut nachzujagen.
Boyle nimmt sich des Themas glücklicherweise auf durchaus kritisch-ironische Weise an, wobei andererseits manche dramatischen Elemente der Handlung etwas gewollt wirken. In jedem Fall ein unterhaltsames Buch für den an den 60ern und 70ern interessierten Leser.
Bruce Chatwin - Traumpfade
Eine Art philosophischer Reisebericht aus Australien, mit dem uns Chatwin nichts Geringeres nahebringen will als seine These, dass der Mensch eigentlich zum Nomadendasein geboren und Sesshaftigkeit eher schädlich sei.
Sehr amüsant und auch durchaus kurzweilig zu lesen, wobei das Buch formal gesehen doch arg zerfleddert wirkt.
Jorge Luis Borges - Erzählungen
Borges ist einer der Pioniere der literarischen Postmoderne und hat bei all den komplizierten literarischen und geistesgeschichtlichen Hintergründen seiner Erzählungen doch nie die essenziellen ökonomischen Regeln vergessen, die Poe damals für Kurzgeschichten aufgestellt hat.
Wer also einen Sinn für eine Mischung aus Kafka und Berkeley einerseits und Conan Doyle und Agatha Christie andererseits hat, dem sei Borges wärmstens empfohlen.
Louis Begley - Lügen in Zeiten des Krieges
Aus der Sicht eines Jungen werden der Einfall der Deutschen in Polen und die Shoa geschildert. Nach einem Kapitel, in dem die weitgehend idyllische Kindheit des Ich-Erzählers geschildert wird, bricht buchstäblich die Hölle über ihn und seine Familie herein.
Man kann sich als Leser der kindlich-nüchternen Perspektive des Ich-Erzählers kaum entziehen, und das Grauen wird gerade so besonders eindrücklich (literarisch) erfahrbar. Die Abschnitte, in denen es um das Dante'sche Inferno geht, dienen einerseits dem Bemühen um Distanzierung, andererseits wird aber gerade dadurch die grausame Realität der Ereignisse in ihrer Unvergleichlichkeit betont.
Sándor Márai - Das Vermächtnis der Eszter
Wie bei "Die Glut", mit dem der Autor (lange nach seinem Tode) in Deutschland erfolgreich war, handelt es sich auch hier um einen Roman, der von Menschen handelt, die fast bis zur Paralyse von der Vergangenheit bestimmt sind.
Im Falle der Eszter fand ich jedoch Konstruktion und Durchführung weitaus weniger gelungen als bei der "Glut"; bei all den schönen Details bleibt die Titel gebende Dame psychologisch blass bis unglaubwürdig, was dem Roman natürlich nicht gerade zugute kommt.