hesse bekam den nobelpreis auch bzw vor allem wg des steppenwolfes. selbstverständlich ist das ein roman von weltrang und weltgeltung, also weltliteratur.
Ich schrieb bewusst "Weltrang" und nicht "Weltgeltung" oder "Weltruf". Alles Mögliche kann den Menschen als brillant gelten oder einen exzellenten Ruf haben, aber was Weltrang besitzt, unterliegt immer noch meiner subjektiven Einschätzung. Ich muss es nur begründen, und das habe ich, so denke ich, ausreichend getan. Fakt ist, dass mir auf Anhieb ein Dutzend deutschsprachiger Romane, Erzählungen etc. einfallen, die ich über dem
Steppenwolf einordnen würde, selbst Hesses
Unterm Rad, das auf mich allenfalls den Eindruck einer soliden Studienarbeit machte. Wenn ich all diese Werke mitsamt dem
Steppenwolf zur Weltliteratur zählen wollte, würde es eine ziemlich große Welt werden...
Auch der Nobelpreis für Hesse beeindruckt mich wenig. Da ist oft viel Mystifizierung dabei. Ich durfte miterleben, wie Günter Grass seinen bekam, auch und vor allem für
Die Blechtrommel. Nun mag ich Grass an sich durchaus, kenne aber viele Leser, die mit ihm nichts anfangen können und keines seiner Werke in eine "Welt-"-Kategorie packen würden. In fünfzig Jahren wird es aber wohl auch Menschen geben, die mit "Muss gut sein, weil vom Nobelpreisträger" argumentieren werden - wer hat nun recht?
So verhält es sich auch mit Hesse und dem
Steppenwolf. Von "bis ins kleinste durchkomponiert" kann nach meiner Beobachtung keine Rede sein; der Roman ist sprachlich und inhaltlich löchrig wie ein schweizer Käse. Was die Löcher - um mal im Bild zu bleiben
- umgibt, mag stellenweise sehr gelungen sein, aber ein abgerundetes Gesamtkunstwerk entsteht dadurch beileibe nicht.
Das eklatante Beispiel - das
Traktat vom Steppenwolf - ist bereits von mir kritisiert worden, aber ich will es mir noch einmal vornehmen. Hesse wagt an dieser Stelle nichts Geringeres, als die Erzähl-Dimension seines Romans zu sprengen. Indem er Haller durch einen allwissenden Beobachter beschreiben lässt, zerstört er die Realität, in der sich sein Protagonist befindet. Man kann dies tun - nicht zuletzt gibt es mit "The Truman Show" einen kompletten Film zu diesem Thema -, aber dann muss man es auch in den Roman eingliedern, was Hesse nicht einmal ansatzweise tut. Ich hatte vielmehr den Eindruck, dass er sein Hauptaugenmerk auf den Inhalt und die Funktion des
Traktats legte und den Nebeneffekt des Surrealen billigend in Kauf nahm.
Ein "Welt-Autor" würde nach meiner Ansicht viel Zeit und Mühe darauf verwenden, diesem Realitätswechsel einen Sinn zu verpassen, damit der Roman hinten und vorn wieder stimmig ist, aber Hesse verzichtete darauf. Das mag seine Gründe haben, ändert aber nichts daran, dass der
Steppenwolf in seiner Konzeption einen gravierenden Mangel aufweist - bei einem Autor, der keinen Nobelpreis sein eigen nennt, würde man vermutlich einfach von "plot hole" sprechen.