Ein durchaus gehypter Modell-Athlet als Titelträger im Schwergewicht. Erfolgreicher Amateur, groß, schlagstark, medienwirksam vermarktbar. Und er stolpert über einen mehr oder weniger fitten Gegner mit schnellen Händen, welchen er vielleicht unterschätzt hat. Und dabei dachten viele schon an einen späteren Kampf (Joshua vs Wilder), anstatt an den aktuellen Gegner.
Das erinnert mich irgendwie an Klitschko gegen Sanders.
Auf der einen Seite Klitschko und sein Abziehbild Joshua. Der eine wurde schon fast mit dem WBC-Titelträger Lewis im Ring gesehen ... der andere fast mit Wilder.
Gegenüber steht ein Gegner dem wenig Chancen eingeräumt werden ... der aber an seine Chance glaubt. Der eine ein Teilzeit-Polizist, der als schlampiges Talent gilt, als mittlerweile alt und nicht sonderlich fit. Der andere das "little fat kid" mit wenigen Wochen Vorbereitungszeit, nur Ersatzgegner für den bis unters Kinn vollgestofften Miller.
Klar gibt es auch Unterschiede. Klitschko war gegen Sanders ziemlich chancenlos, Joshua hingegen hatte Ruiz am Boden, landet anschließend eine harte Rechte und nochmal nen guten linken Haken ... während er sich aber seinerseits auch einen linken Haken fängt. In dem Sinne lässt sich das fast eher mit Price gegen Thompson vergleichen (großer Brite scheitert, nachdem er den Gegner schon am Boden hat).
Wie auch immer. Kohl hat damals erkannt, dass Klitschko nicht in der Lage war Sanders zu schlagen. Vielleicht kam es deswegen nicht zum Rückkampf. Vielleicht lag es auch daran, dass die Pflichtverteidigung gegen Tua nicht zustande kam und Sanders den Titel herschenkte ... so genau weiß ich das nicht mehr.
Joshua ist näher dran Ruiz schlagen zu können. Bei seiner Performance ist Luft nach oben. Seine Beinarbeit war zu plattfüßig, sein Jab nicht prägnant genug, im Infight war er leichtfertig.
Joa ... ich hab Klitschko schon angesprochen. Man könnte aus Joshua, der ein wenig so boxt wie der junge Klitschko einen Boxer formen, der ein wenig so agiert wie der ältere Klitschko. Gewiss langweilig, wahrscheinlich eindimensional, womöglich unflexibel ... aber auch effizient und erfolgreich.
Der Sanders-Klitschko hätte gegen Ruiz vielleicht auch nicht geglänzt. Der 2010-Klitschko hätte Ruiz womöglich (mehr oder weniger) locker ausgepunktet.
Ruiz hat vielleicht schon das beste gezeigt was er drauf hat. 10kg (oder so) weniger machen ihn vermutlich auch nicht besser.
Joshua hat gestern phasenweise richtig schlecht geboxt. In der 5ten mag er nochmal Luft gewitter haben. In der 6ten wirkte das gegen Rundenende schon recht ... planlos.
Vielleicht formt man aus Joshua nun einen langweiligen Roboter. Einen der viel mehr Wert auf die Distanz legt. Einer, der links-rechts reingeht und den Rest abklammert. Einen der mit seinem Jab den Kampf gestaltet.
Das Potential hat er, denke ich.
Ob das Publikum das sehen will ist eine andere Frage (Klitschko wurde nunmal für langweilig befunden).
Letztlich hat Joshua wohl das Zeug Ruiz zu schlagen ... ob sich da aber ein direkter Rückkampf anbietet ist eine andere Frage.
Andererseits ... er will es sicher auch nicht riskieren, dass z.B. ein Usyk sich die Gürtel schnappt.