Risiko
Ich tippe auf einen vorzeitigen Sieg von Mundine. Ich weiß, dass ich mich mit diesem Tipp weit aus dem Fenster lehne. Denn von seiner Erfahrung und boxerischen Klasse muss Ottke einen „Anfänger“ wie Mundine einfach locker ausboxen. Alles andere wäre zu peinlich und eine Blamage für den Boxsport.
Leider hat Ottke in den letzten Kämpfen meiner Meinung nach abgebaut und die Gefahr einer Niederlage wird für ihn immer größer. Mundine könnte ein Art Stolperstein für Ottke werden, weil nach vernünftigen Erwägungen alles Wichtige gegen Mundine spricht. Wenn es Mundine gelingt aus seinen Stolpersteinen Treppenstufen zu machen, dann sprechen einige im Grunde unwichtige Sachen für Mundine. Mundines Vater war Profiboxer und wer gegen Monzon in den Ring geklettert ist, weiß sehr viel vom Boxsport. Mundine wird also sicherlich optimal trainiert und eingestellt werden. Ich habe zwar Mundine noch nie boxen sehen, aber scheint er doch einen sportlichen Hintergrund zu haben und mehr boxerisches Potential als zum Beispiel Butler zu besitzen.
Genau hier liegt vielleicht seine Chance: Während Ottke sich auf seine Taktik und seinen Verstand verlassen wird, könnte Mundine jenen wichtigen Boxinstinkt in die Waagschale werfen, denn das was über ihn hier erzählt wurde, lässt darauf schließen, dass er Talent und diesen Instinkt hat. Auch wenn er noch nicht lange boxt, kann sich ein Boxer schon nach kurzer Kampfpraxis instinktiver Kräfte bewusst werden. Im Gegensatz zu Ottke, der inzwischen gewohnt ist, sein Verhalten zu motivieren und aufgrund seiner geistigen Schulung sich dem instinktiven Handeln entfremdet hat. Bei Ottkes Trainining und mentaler Schulung wird die Entwicklung natürlicher Reflexe vielleicht mittlerweile vernachlässigt oder unterdrückt. Es kann gut sein, dass Ottke trotz schärfster Beobachtung des Kampfgeschehens, entscheidende Bewegungen des Gegners übersieht. Ottke ist bestrebt, jede Bewegung gründlich zu durchdenken. Er pflegt sich die Situation geistig vorzustellen und sich schon mit dem Abschluss einer Bewegung zu beschäftigen oder mit dem Beginn einer neuen, während die erste noch in der Entwicklung steht und ganz anders verlaufen kann. Das kann der entscheidende Vorteil von Mundine sein, denn als „Anfänger“ verhält er sich meist anders, als man vorhersieht, eben weil er bestimmte Manöver eines Erfahrenen gar nicht als solche registriert. Außerdem hat Ottke in den letzten Kämpfen einige Deckungsschwächen offenbart. Er hat doch einige Male ein paar Hände nehmen müssen, die bei Mundine gefährlich wären. Außerdem wird es für Ottke immer schwerer sich zu motivieren und im Kampf, wenn es sein muss, auch mal durch die „Hölle“ zu gehen. Bei Brewer I hat er es noch geschafft, aber inzwischen ist Ottke älter geworden und auch „satter“. Mundine dagegen scheint „hungrig“ und er hat jene Art von Stolz, der ihn von Ottkes bisherigen Gegner unterscheidet. Wie gesagt, ich verlasse mich diesmal auf mein Gefühl, den bei einer analytischen Betrachtung kann der Sieger eigentlich nur Ottke heißen.