Es gibt Zahlen, die das belegen. Das Wimbledon-Finale von 1985 hatte einen Rekordwert bei der Einschaltquote mit über 11 Millionen Zuschauer. Genaue Zahlen zu den vorherigen Jahren kann ich leider nicht finden, aber ich halte es für ausgeschlossen, dass man da auch nur in der Nähe war. Mit Ende der Ära Becker, Stich und Graf sind die Einschaltquoten dramatisch eingebrochen. Auch die Mitgliederzahlen sind beim DTB seit 1996 rückläufig. Diese Zeitpunkte bei rückläufigen Einschaltquoten und Mitgliederzahlen können einfach kein Zufall sein.
Ich gehe d'accord damit, dass die Umstände für diese Entwicklung günstig waren und das heute so auch nicht zu wiederholen ist, da es zu viele alternative Freizeitangebote gibt und Tennis in seiner Unberechenbarkeit hinsichtlich Länge für viele Sender nicht attraktiv ist. Aber ich glaube nicht, dass Tennisübertragungen ohne Becker und Co. so eine große Rolle gespielt hätten. Die Mitgliederzahlen sind einfach nur bedingt brauchbar, da Tennis als Freizeitaktivität in bestimmten Schichten eine gewisse Verankerung hat. Der deutsche Fernsehzuschauer, der nicht unbedingt Tennis spielte, aber eine gewisse Sportaffinität besaß, wurde von Becker eingefangen.
Eine einzige Zahl belegt doch keine Entwicklung, sie ist eine Momentaufnahme. Damit es über 11 Mio werden konnten musste Tennis doch schon vorher im Gespräch sein. Da müssen vorher schon viele viele Stunden Tennis gelaufen sein. Und bei der Auswahl von 3 Programmen ist eigentlich fast keine Sendung auf ARD oder ZDF unter 20% Marktanteil und einem Mio Publikum nach Hause gegangen. Dann hätten ja 80% den anderen Sender oder das dritte geschaut, was nicht jeden Tag vorkam.
Natürlich gab es die Rekordquote bei Becker denn er war der erste der in den Boom Jahren den ganz großen Erfolg feierte. Er war die Spitze des Eisbergs, aber er ist auf sehr hohem Niveau eingestiegen was das Interesse an Tennis angeht. Sehr hohem Interesse auch beim allgemein Sportinteressierten. Deswegen wurde doch vor Becker schon relativ viel Tennis gezeigt.
Tennis begann in den 70er Jahren den Ruf abzulegen ein Freizeitsport für gewisse Schichten zu sein. Weil es plötzlich Typen gab die interessant waren, wie Borg wo die Mädels abgingen, emotionale Typen wie Connors und McEnroe die ein neues Verhalten auf dem Platz ermöglichten. Diese Leute ebneten den Weg des Booms und dazu kam die technische Entwicklung die dem Sport zu Gute kam. Die Entwicklung des Aufstiegs war doch in keiner Weise auf Deutschland beschränkt. Der Aufstieg dieses Sports erfasste die gesamte westliche Welt. In den Staaten war der Höhepunkt in den 80ern und hier (Europa) eher Anfang der 90er. Seit 1994 hat der DTB jedes Jahr Mitglieder verloren. Da waren Becker und Graf noch einige Jahre aktiv, doch es ging bereits abwärts. In der Schweiz war ebendo der Höhepunkt 94, weil Tennis damals noch cool war und sämtliche Erfolge von Federer und co konnten dem Sport diese Coolnes nicht zurückgeben.
Von daher kann Angie keinen Boom erfachen die Vorzeichen sind komplett andere. Wo Angie morgen im Masters Finale steht kann man auch an Sylvia Hanika erinnern, die 1982 das Masters gewann und danach in TV Shows ging. Eine davon, Dalli Dalli, findet man noch bei YouTube und damals schauten dann schon mal 20 Mio solch eine Sendung.
Bleiben wir bei YouTube, da findet man einige Spiele aus der Zeit vor Becker von ARD und ZDF übertragen.
Um beim Masters zu bleiben hier das HF von Connors Vs Lendl 1983 etwa ab Minute 6. Es wird auch erwähnt, dass es Highlights vom ersten HF Wilander Vs Connors am Abend im ZDF gab. Das ist doch heute nicht vorstellbar, Spiele ohne deutscher Beteiligung über Stunden auf ARD. Also Tennis im TV wurde nicht mit Becker erfunden, dass es mit einheimischen Erfolge noch ein paar Mio mehr gibt ist doch klar, aber wir würden heute auch über einen Boom der 80er und 90er reden wenn es Becker nie gegeben hätte. Dafür war Tennis in den Tageszeitungen, Radio, TV, Sportgeschäften deutlich präsenter als heute. Dann wäre die beste Quote vielleicht nicht 11 Mio sondern nur 10 Mio gewesen, aber das allgemeine Interesse am Sport war einfach da.
Der Boom dieser Sportart, den fast die ganze Welt in den 70ern und 80ern erfasste verbindet man von Land zu Land mit unterschiedlichen Ereignissen. Hier zu Lande meist mit Becker 85. Vielleicht war ein anderes Spiel wichtiger. In 1970 im Davis Cup bekam Tennis in D erstmals größere Aufmerksamkeit.
http://m.spiegel.de/spiegel/print/d-44904819.html
Das erfolgreiche deutsche Asphalttennis ließ gleichsam die ganze Nation zum Racket greifen. Zehnmal häufiger als bei früheren Tennis-Übertragungen läuteten die Telephone des Deutschen Fernsehens. "Wann spielt der Dingsda gegen den Spanier?" forschten des Tennis und der Spielernamen unkundige Interessenten vor der Live-Sendung des fehlenden Aufschlagspiels. Zum Davis-Cup-Dessert in Düsseldorf fanden sich nahezu 6000 Zuschauer ein. Mit 14 500 zahlenden Besuchern insgesamt verzeichnete der Deutsche Tennis-Bund (DTB) einen Rekord...
...Auf der sonst vom Publikumsverkehr unbehelligten Geschäftsstelle des DTB In Hannover klingelte derweil ständig das Telephon. Viele Anrufer erkundigten sich danach, wie und wo das Tennisspiel zu erlernen sei. "Mehr als 100 Leute wollten nach Cleveland mitreisen", berichtete Generalsekretär Georg Stoves...
Dieser Erfolg und die Anrufer die sich erkundigten wo man das Spiel erlernen kann spiegeln sich auch direkt im folgenden Jahr in der Anzahl der Mitglieder wieder. So fing Tennis in D an.