Und als HSV-Liebhaber muss ich sagen, dass der Abstieg das Beste war, was dem Verein passieren konnte. Allmählich reicht es auch wieder mit zweiter Liga, aber dieses Großreinemachen im Kader und vor allem im Umfeld hätte nie stattgefunden, wenn man wieder glücklich eine Relegation gewonnen hätte...und dann noch eine.
Und auch bei Werder muss, völlig unabhängig vom Saisonausgang, endlich mal was Grundsätzliches passieren. Ehemalige Spieler einbinden ist grundsätzlich gut, auf Leute zu setzen, die den Verein auch von innen kennen, ist auch gut. Aber in der Bremer Version ist das in meinen Augen völlig übertrieben.
Marco Bode leitet den Aufsichtsrat, Baumann ist Sportdirektor, der Trainer ist seit 20 Jahren im Verein - genau so, wie schon drei der letzten vier Trainer vor ihm aus dem Club selbst kamen und sich "hochgearbeitet" hatten. Das hat bei Schaaf noch super funktioniert, bei Skripnik und Nouri aber schon überhaupt nicht. Co Trainer ist Tim Borowski, Torwartttrainer Christian Vander, Tim Barten ist Teammanager, Schaaf hat auch wieder einen Direktorenjob, die Scouting-Abteilung wird von Ordenewitz und Clemens Fritz geleitet, natürlich hat auch Votava immer noch einen Scout-Posten, ebenso wie Urgestein Kalli Kamp, mit Schierenbeck leitet ein weiterer Ex.Spieler die Nachwuchsabteilung, der Jugendleiter ist Thomas Wolter und die U17 darf Christian Brand trainieren, nachdem er im Herrenbereich keinen Job mehr bekam.
Bei Bayern ist Uli Hoeneß' Familienwahn ja schon kontraproduktiv, bei Werder ist das schon nahe am Inzest. Zumal fast alle der aufgezählten Verantwortlichen entweder zusammen gespielt, oder unter den älteren Jobinhabern trainiert haben.
Sicher ist es auf der einen Seite gut, eine eigene Identität zu bewahren und sich ein wenig von Investoren und BWL-"Machern" fernzuhalten. Aber wenn man das so extrem macht, wie in Bremen, schmort man einfach nur im eigenen Saft vor sich hin. Alle kennen sich seit Ewigkeiten und haben ja so viel miteinander erlebt, da wird selbstredend keine Situation als echte Gefahr erkannt ("kriegen wir schon gemeinsam hin, da gab es schon ganz andere Sachen. Damals Willi Lemkes 60. Geburtstag, das war ne Krise. Und die falschen Trikots gegen Kaiserslautern 2004 erstmal. Aber wir haben schon so viele Wunder an der Weser erlebt, damals im Europapokal, das bleibt unvergessen").
Ok, das ist jetzt hart an der Grenze zum Populismus und es wird im Folgenden nicht weniger. Aber so irre weit weg von der Realität ist es dann auch wieder nicht. Man hat wirklich das Gefühl, dass in Bremen keiner dem anderen weh tun will und der ganze Verein schon seit Jahren das Drei-Affen-Prinzip fährt: wer welcher Affe ist, wird dann turnusmäßig beim Julklapp (Schrottwichteln für die Nicht-Norddeutschen) entschieden. Die Berichterstattungsrechte liegen wie immer bei de Kreiszeitung Syke, denn auch da kennt und schätzt man sich ja seit vielen Jahren.
Die ganze Polemik (denn natürlich ist der ganze Beitrag eine solche: aber ich verfolge den Verein seit fast 40 Jahren, meine ersten Stadionerlebnisse waren alle Anfang der 80er in Bremen, ich war bestimmt an die 100 mal im Weserstadion und habe 5 Jahre in Bremen gelebt) geht ausdrücklich nciht gegen die aktuell handelnden Personen an sich. Ich halte Kohlfeldt für einen der spannendsten jungern Trainer im deutschen Profifußball. Ich glaube auch, dass Baumann ein tüchtiger Mann ist und ich finde es vorbildlich, dass er nach seiner Profikarriere erstmal mehrere Abteilungen im Verein als Lernender durchlaufen hat. Aber in diesem unseligen Gesamtkontext aus übertriebenem Wir-Gefühl macht die Aufagbenverteilung einfach keinen Sinn. Werder braucht mMn ganz, ganz dringend Blutauffrischung von außen und da zählt nicht, dass Aad de Mos und Thomas Eichin ja auch nicht funktioniert haben: man muss natürlich auch wirklich gute Leute holen.
Vielleicht gelingt der Klassenerhalt, ich wünsche es Werder auf der einen Seite von ganzem Herzen. Aber ich bin mir überhaupt nicht sicher, dass sich dann auch wirklich Dinge ändern, die sich m.E. dringend ändern müssen.