@le Tissier das Hauptproblem ist der Pragmatismus von Valverde.
Ich kann wenig bis nichts damit anfangen wenn ich mit das beste Spielermaterial zur Verfügung habe, den besten Unterschiedsspieler/allgemein Kicker der Welt in den eigenen Reihen und anfange in Pragmatismus zu verfallen. Das ist für mich eine Art von Kastration.
Dein ganzer Beitrag zeigt genau das Denken von Valverde auf, nämlich dass man zu sehr damit beschäftigt ist die Stärken des Gegners zu neutralisieren statt die eigenen hervorzuheben.
Der FC Barcelona hat nach Pep keinen Weltklasse-Übungsleiter mehr an der Seitenlinie gehabt. Da bekommt einer nach dem anderen durch Klüngelei den Trainerposten.
Nach Pep kam Tito, das war durchaus nachvollziehbar (langjähriger Co-Trainer von Pep), leider konnte er sein Amt nicht lange ausführen und ist von uns gegangen (möge er in Frieden ruhen). Danach übernahm Gerardo Martino, jeder wusste seine Verbindung zu Messi, so wirlich die Qualifikation und Vita hatte er nicht damit man auf ihn kommen konnte. Danach der nächste mit ordentlich Stallgeruch, auch Enrique hatte sich bisdato nicht mit Ruhm als Trainer beckleckert, zumindest nicht dass man auf die Idee kommen konnte ihn als Cheftrainer von einem CL-Contender wie Barca zu machen. Er hat aus meiner Sicht solide Arbeit geleistet und hatte 2014/2015 den mit Abstand besten Kader der Welt, wo Alves, Iniesta und Mascherano noch allesamt Weltklasse waren und zusammen mit Prime Messi, Neymar und Suarez (diese Reihe war der Wahnsinn), logischerweise das Triple geholt haben. Das würde ich aber rein von der Coachingleistung niemals Enrique anheften, er mag damals ein guter Moderator und solider Coach gewesen sein, das Ding hat einfach damals die klar beste Mannschaft der Welt geholt. Das soll Enrique nicht schlecht dastehen lassen, aber ihn auch nicht als Weltklassetrainer.
Danach der nächste mit Stallgeruch und fragwürdiger Vita. Valverde wurde in Spanien bei mehreren Clubs entlassen und hat seinen größten Erfolg bei Piräus in der griechischen Liga gefeiert. Sorry aber wie kommt man da drauf dass der gut genug für Barca wäre?
Das mit Hausmeister ist natürlich immer überspitzt formuliert bzw. immer bezüglich der Ansprüche von Barca gesehen. Valverde dürfte natürlich schon gut genug sein um in La Liga ein Amt auszuüben, das kann aber nicht der Aspruch von Barca sein. Valverde ist für mich vergleichbar mit Leuten wie Hecking oder Dardai, da würde doch auch niemand auf die Idee kommen jemanden von denen bei Bayern als Trainer einzustellen und sollte das mal tatsächlich der Fall sein, fallen da noch ganz andere Bezeichnungen als Hausmeister.
Der FC Barcelona hat nach Pep keinen Trainer eingestellt der ihren Ansprüchen genügt. Die Konstellation 2014/2015 hat extrem gepasst und sie konnten nochmals den maximalen Erfolg einfahren, aber die Art und Weise wie Barca seit einigen Jahren spielt, vor allem unter Valverde und sie damit auch irgendwo noch die letzten guten Jahre von Messi verschwenden, ist eine kleine Schande. Man hat das Gefühl dass es mehr zählt ob du mal für Barca gekickt hast als dass du in die oberste Riege der Übungsleiter gehörst, was einfach der Anspruch von Barca sein müsste.
Ich habe den Teil im ersten Satz fett markiert weil es für mich zum Grundproblem führt. Aus deinen Beiträgen wird deutlich, dass du mit bestimmten Spielertypen, mit bestimmten Trainern oder mit bestimmten taktischen Entscheidungen "nichts anfangen kannst". Einerseits verstehe ich das weil jeder seine persönlichen Vorstellungen und Vorlieben hat. Schwerpunkt auf Technik und Ballbesitz oder eher auf Physis und Umschaltspiel. Es gibt Zuschauer die sich für Spielkontrolle begeistern oder für wildes Hin und Her. Alles hat seine Berechtigung.
Aber ich finde man muss dann klar zwischen seinen eigenen Vorlieben und einer objektiven Beurteilung trennen. Und ich finde das findet bei dir überhaupt nicht statt.
Ich finde zum Beispiel den Fußball von Freiburg bieder. Das ist harte Arbeit gegen den Ball mit irrer Laufbereitschaft in Kombination mit guten Standards. Das begeistert mich nicht und das entspricht nicht so richtig meinen Vorlieben. Aber ich habe gewaltigen Respekt vor der Leistung des Trainers bzw vor den Spielern die das umsetzen. Auch wenn jemand wie Guede dort über Jahre jeden Ball verstolpert hat und wohl der technisch schwächste Fußballer im deutschen Profifussball war. Ich kann seine Leistung trotzdem wertschätzen.
Bei dir habe ich immer den Eindruck, dass jeglicher Respekt fehlt wenn ein Spieler/Trainer/Team nicht exakt genau deinen persönlichen spielerischen und taktischen Vorstellungen entspricht. Und wenn die Meinungen dann noch sehr offensiv formuliert und als Tatsache vorgetragen werden, finde ich das eher schwierig. Vielleicht nur als kleinen Denkanstoß
Jetzt aber zum Thema:
Valverde passt sich ja auch nicht an wenn Barcelona gegen Girona oder Getafe spielt. Insofern muss man nicht so tun als würde Barca das ganze Jahr auf Konter lauern und den Stil von Simeone kopieren. Man hat sich auch gegen Liverpool entgegen deiner Behauptung nicht eingemauert. Aber unabhängig davon: Wenn ein gegnerisches Team ähnliche Qualität und/oder eine spezielle Spielweise und ganz besondere Stärken hat (bei Liverpool war beides gegeben) Dann machen sich die meisten Trainer Gedanken und hinterfragen inwieweit man die eigene grundsätzlicche Strategie anpassen kann/muss.
Man kann natürlich auch zu 100% auf seiner eigenen Strategie beharren. Pep als Musterbeispiel. Aber auch er hat damit natürlich schon Niederlagen erlitten und genau für diese Sturheit Kritik geerntet.
Die meisten anderen Top Trainer zeigen sich hier doch eher flexibel. Zidane bei Real, Jupp bei Bayern, Poche bei den Spurs oder Sarri bei Chelsea nur mal als Beispiel für respektierte Top Trainer die (in Kombination mit dem Anspruch der Top Teams) eher für einen aktiven und dominanten Ansatz stehen wenn es umsetzbar ist... Und trotzdem haben auch diese Trainer pragmatisch Spielanteile abgegeben wenn sie das in einem bestimmten Duell für erfolgsversprechender erachtet haben.
Man findet jetzt für jede Variante Beispiele in beide Richtungen. Es gibt wahrscheinlich unendlich viele Beispiele bei denen der Trainer besser an seiner grundsätzlichen Strategie festgehalten hätte und zu passiv wurde. Pep hat sich damals geärgert, dass er mit Bayern im Duell mit Real Madrid zu sehr von seiner Linie abgewichen war.
Das Euro League Finale von Ajax gegen United war für mich dann das umgekehrte Beispiel. Da ist ein Trainer mit großer Naivität in sein Verderben gerannt und wäre wohl besser pragmatich gewesen. Aber auch bei diesen Beispielen kann ich natürlich nicht wissen wie das Spiel jeweils ausgegangen wäre wenn es eine andere Taktik gegeben hätte. Das ist nunmal immer nur Kaffeesatzleserei.
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Was die Trainer bei Barca angeht. Pep war ja auch ein Gamble und kein "Weltklassetrainer" obwohl gerne verdrängt wird, dass er damals mit der zweiten Mannschaft von Barca den Aufstieg geschafft hatte. Tito als Nachfolger kann man wohl leider nicht beurteilen.
Martino war ja dann eigentlich der Versuch einen externen Kandidaten zu holen. Da gab es keine Verbindung zu Barca aber die Einschätzung, dass er mit seiner Philosophie sehr gut zum Verein passt und den Weg von Pep/Tito fortführen kann. Du erwähnst jetzt auch die Verbindung zu Messi und das wurde ständig in allen Medien thematisiert weil die beiden aus Rosario stammen. Aber die kannten sich doch überhaupt nicht. Insofern bin ich skeptisch ob Messi da Einfluss hatte. Jedenfalls habe ich es als chaotische Phase in Erinnerung. Viel Drama und brutaler Druck durch die Medien.
Die Entscheidung für Enrique danach war logisch und der hatte bei Celta Vigo eine fantastische Handschrift hinterlassen. Mit kleinem Budget Ballbesitzfußball mit Tempo und Dynamik. Das wäre wohl auch ohne Barca Spieler Vergangenheit eine Option gewesen. Ähnlich wie auch Pep hat er die Zügel angezogen und am Anfang den Stars ordentlich Druck gemacht. Die Stimmung war wohl auch nicht immer blendend aber Spielweise und Erfolge haben gepasst. Natürlich hatte er auch entsprechendes Spielermaterial zur Verfügung aber ich finde schon, dass er damals einen tollen Job gemacht hat. Das muss man nicht als "solide" relativieren.
Und dann Valverde. Der hatte bei seinen Stationen in Spanien Höhen und Tiefen aber es ist doch nicht so als wäre er bei jeder Station gescheitert und rausgeschmissen worden. Ich fand ihn bei Bilbao beeindruckend und hatte ihn als cleveren Strategen abgespeichert. Ich war dementsprechend nicht überrascht, dass er ein Kandidat war. Bei dir klingt das so als hättest du bei Wikipedia die Trainerstationen durchgelesen und daraufhin dein Urteil gebildet, dass das kein guter Trainer sein kann. Ich glaube, dass da bei den Verantwortlichen noch einige zusätzliche Informationen einfließen bevor eine Entscheidung getroffen wird. Die primäre Angst wenn ein Trainer zum ersten Mal bei einem Topclub landet ist wohl die Frage ob er mit den Stars und dem Medienrummel umgehen kann wenn er ständig in der Schusslinie steht. (Siehe Kovac in München)
Und in dieser Hinsicht macht er einen beneidenswerten Job. Er hatte vor allem in der letzten Saison nach dem Neymar Abgang eine undankbare Ausgangsposition mit dünner Personaldecke in der Offensive und landete am Ende trotzdem mit dem Double souverän vor Zidanes Madrid.
Ich habe mir für diese Saison eine spielerische Steigerung erhofft und in dieser Hinsicht war die Saison eher bieder. Man hat Ergebnisse eingefahren aber es war häufig das Gefühl, dass Messi der Truppe den Hintern rettet. Alba, ter Stegen und Pique spielten ebenfalls fantastisch. Aber die Teamleistungen waren eher durchwachsen und nicht immer dominant. Ich habe schon im letzten Beitrag erwähnt, dass mir Qualität in der Offensive und mehr Dynamik im Mittelfeld fehlte. Aber ja: Ich denke auch, dass man Kritik üben kann. Aber ich bin eben trotzdem der Meinung, dass man Valverde nicht für das Ausscheiden gegen Liverpool verantwortlich machen kann. Zumindest nicht in der Heftigkeit mit der du das vorgetragen hast. Das wäre viel zu einfach. Und ich bin auch nicht der Meinung, dass man ihn unbedingt feuern muss. Vor allem nicht wenn man keinen richtig guten Kandidaten im Hinterkopf hat.
Aber wenn du jetzt so grundsätzlich kritisierst, dass Barca nach Pep keinen Weltklassecoach hatte... Wer sind denn dann die ganzen Weltklassetrainer und wer von denen war verfügbar? Die müssen eigentlich ja schon vorher viel gewonnen haben. Denn wenn jemand mit Barca erfolgreich ist (so wie Enrique) ist das ja nach deiner Logik nur "solide". Sollte aber natürlich auch zur Vereinsphilosophie passen und einen offensiven Ansatz verfolgen. Ich schätze die Liste ist dann ziemlich kurz. Ich bin eher froh, dass Coaches wie Löw oder Sarri eben nicht bei Barca gelandet sind
Edit:
@Cudi
Bin auch sicher, dass Xavi mittelfristig bei Barca eine Jugendmannschaft oder das zweite Team übernehmen wird. Wenn er sich da nicht total mies anstellt wird er wohl irgendwann seine Chance kriegen. Dann hätte man auf jeden Fall wieder einen sehr dogmatischen Trainer der immer die Kontrolle behalten will.
Rückkehr von Pep glaube ich eher nicht. Das hat er bislang immer ziemlich klar ausgeschlossen und die politischen Spielchen rund um den Verein sind damals nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.
Ich wundere mich immer, dass Arteta nie als Kandidat in den Medien auftaucht.