Für mich ist das auch ein absolutes Mysterium. Ich bin jetzt mittlerweile aus der BWL Sache mit Bilanzen und co. eine Weile raus, zudem wurden da auch keine Fußball KGaA‘s behandelt, daher schwierig für mich das zu beurteilen.
Es ist halt seit Jahren auffällig, dass (gefühlt) extrem wenig der Ablösesummen reinvestiert wird und es bei anderen ähnlich großen Vereinen (gefühlt) nicht so ist.
Berater, Steuern, Handgeld, Querfinanzierung Gehälter etc. sind meinetwegen Gründe, aber in dem Maße??? Schwierig, vielleicht hat jemand wie @Tony Jaa mehr Infos.
Es ist ein Zusammenspiel aus Risikoaversion, Unkenntnis über der Markt in dem man sich bewegt, nochmal Risikoaversität und zum allem Überfluss ein in sich geschlossener Kreislauf. An der jüngsten Rüge der Bafin sieht man auch, wie wenig ökonomischen Sachverstand Erbsenzähler haben.
Das einzig wirklich auffällige beim BVB sind die außerordentlich hohen Beraterhonorare. Die kann ich mir so richtig nicht erklären. Vllt sind die so hoch, weil man in der Vergangenheit gerade junge Spieler mit viel Upside günstig bekommen hat, was die Verhandlungsmacht der Berater erhöht hat, aber das ist reine Spekulation.
In Sachen Gehälter hat man eine vergleichsweise gesunde Personalquote im Vergleich zur Konkurrenz, wobei insgesamt der Profifußball in Europa (und bestimmt viel mehr in Saudi Arabien etc.) da eine sehr hohe Auszahlungsquote hat, sprich man hat deutlich höhere Ausgabequoten für die Spieler als in jeder anderen Sportart. Liegt hauptsächlich daran, dass die wenigsten Fußballverein gewinnmaximierend agieren. Man kann also auch argumentieren, dass eine konservative Quote ohne Scheich etc. notwendig ist.
Ansonsten ist beim BVB auffällig, dass man geringe Netto-Ausgaben und ein geringes bzw. positives Net-Debt ausweist. Und hier verlässt man mit der extremen Risikoaversion auch den ökonomisch sinnvollen Weg. Ganz simpel gesprochen: Ablösesummen sind erstmal keine Aufwendungen in der Erfolgsrechnung. Wenn du einen Spieler für 100 Mio. kaufst, ändert sich erstmal relativ wenig an deinen "Gewinnen". Du musst es irgendwie finanzieren, aber eine Auswirkung auf die Gewinne ergibt sich erst verzögert durch die Abschreibungen. Du kaufst Bellingham für 28 Mio. €, gibst ihm einen 4 Jahresvertrag und hast dann pro Jahr für den Spieler Abschreibungen, die deinen Gewinn reduzieren, von 7 Mio. €. Und genau an dieser Stelle gibt es eine riesige Diskrepanz zwischen Buchhaltung und Wirtschaftlichkeit. Der Profifußball ist auch Hochinflationsmarkt. Das gilt vor allem für junge Spieler und umso mehr für junge Spieler, die sich beim BVB durchsetzten. Ein Bellingham stand dann nach 3 Jahren mit 7 Mio. Bilanzwert dar und hat gewinnreduzierende Anschreibungen von 21 Mio. € verursacht, wobei eigentlich seit jeher klar war, dass er über 100 Mio. € auf dem Markt wert ist. Und wenn jetzt ein Erbsenzähler wie Tress, der vorher einfach nur Wirtschaftsprüfer war und 0 Plan vom Fußball hat, kommt und auf der Hauptversammlung erzählt, dass man die eigenen Abschreibungen (also den Wertverfall der Bellinghams, Sanchos etc., den es real nicht gibt) erstmal verdienen muss, dann hat er sein eigenes Geschäftsmodell nicht verstanden. Das wird dann auch davon bestärkt, dass die Bafin den BVB dafür rügt, weil man, entgegen gängiger Erbsenzählerregeln, die für komplett andere Märkte konzipiert wurden, erhaltene Ablösesummen als Umsatz ausweist. Das ist natürlich ökonomisch völliger Blödsinn, da der Wiederverkauf von (jungen) Spielern eine der Hauptsäulen der wirtschaftlichen Tätigkeit des BVBs wird.
Vor dem Hintergrund, dass die Erfolgsausweis nach Außen und die ökonomische Sinnhaftigkeit nicht kongruent ist, muss sich die Frage stellen, welchen Weg man verfolgt. Beim BVB unter Watzke und Tress sieht man Ablösesummen zuerst einmal als Geldabfluss. Die "stillen Reserven", die sich durch die Erhöhung der Marktwerte bilden, sind zuerst einmal nur hypothetischer Natur. Und im Grunde ist das auch ein Kreislauf, in dem man nach einer Zeit auch gefangen wird, da es mit der Zeit konvergiert die Erbsenzählerei mit der echten "Fair Value"-Betrachtung. Beispiels: Du holst einen Sabitzer für 4 Jahre bei einem Mondgehalt und 20 Mio. € Ablöse. Dann ist es in der Tat so, dass du über die 4 Jahre die Ablöse plus Gehalt refinanzieren musst, sprich die Abschreibungen sind buchhalterisch und ökonomisch eine sinnvolle Größe. Ganz anders sieht es aus, wenn du einen Anfang 20jährigen für 40 Mio. € und ein vergleichsweise geringes Gehalt verpflichtest.
Wie gesagt, wir befinden uns gerade in einem Hochinflationsmarkt. Der BVB läuft mit dieser schwachsinnigen Transferstrategie gerade Gefahr, in eine Situation reinzulaufen, in der quasi 0 stille Reserven aufgrund der Marktwertentwicklung gebildet werden. Und dann ist es in der Tat so, dass man immer weniger Nettoausgaben tätigen kann. Und Watzke und Tress werden das dann als Anlass nehmen, die extrem risikoaverse Politik zu rechtfertigen.
Ist im Grunde wie bei den Republikanern in den USA. Sie wollen keinen Staat und tun alles um die Funktionsfähigkeit des Staates zu sabotieren und nehmen dann das Nicht-Funktionieren des Staates als Beweis dafür, dass man den Staat nicht braucht, weil er ohnehin unfähig ist.