Das klingt so negativ. Die FIA hat defacto keine Möglichkeit, ein Rennen abzusagen, da sie nur die Regelhüterin ist. Da ist es schon ein bisschen fraglich, ihr das vorzuwerfen. Wir werfen ja auch dem Bundesgerichtshof nicht vor, er müsse endlich den Ausnahmezustand ausrufen. Dafür sind nun einmal andere zuständig.
Ich will der FIA da auch garkeinen Vorwurf machen. Das sollte auch nicht negativ klingen.
Ein Schiedsrichter in der Bundesliga bestimmt auch nicht, ob mit oder ohne Publikum gespielt wird ... wenn man da einen Vergleich ziehen möchte.
Hmm, auch das ist wieder völlig außer Reichweite der Formel 1-Beteiligten, FIA, FOM, GPDA und co. McLaren hat sich zurückgezogen, weil das eigene Team von COVID-19 betroffen ist, nicht weil Fans in Gefahr sind. Überdies ist die Gefahr in einem noch sommerlich geprägten Australien mit geringen Infektionszahlen für die Fans auch nicht sehr hoch, wenn auch gegeben. Genauso gut könnte jede Bibliothek und jeder Supermarkt zugesperrt werden, wenn es danach geht. Über so etwas müssen aber andere befinden, der Bundesstaat Victoria, das Land Australien usw. Selbst die AGPC sollte nicht über die Gefahr für die Bevölkerung befinden müssen. Das geht jetzt nicht gegen dich, aber ständig (und das Motorsport-Forum ist ja nicht das einzige wo das diskutiert wird) Zuständigkeiten zu ignorieren und auf völlig unzuständige Organisationen zu zeigen, ist auch nicht der richtige Weg.
Gewiss, die Fallzahlen in Australien sind bislang vergleichbar gering. Ich glaube, momentan gibt es in Australien gut 200 bestätigte Fälle. Aber (!) wenn in Australien nicht groß Schritte gegen die Verbreitung unternommen werden, dann wird es ähnlich laufen wie in Frankreich, Spanien und Deutschland ... und in einer Woche ist man bei 2000 bestätigten Fällen.
Eine Veranstaltung mit 100.000 Besuchern pro Tag bzw. 200.000 über drei Tage ist da eine gute Gelegenheit zur Verbreitung. Das rückt die Sache nicht ins beste Licht, wenn nachher rauskäme, dass sich manch einer am Rennwochenende angesteckt habe, zumal ein positiver Fall bekannt war und man nur vermuten kann, ob er andere angesteckt hat, geschweige denn wo sich der McLaren-Mitarbeiter selbst angesteckt hat.
Wer ist nun zuständig?
FOM und AGPC haben das gleiche Interesse ... mit dem Rennwochenende Geld generieren bzw. bereits ausgegebenes Geld wieder reinholen. Keiner von beiden wollte zuerst den Stecker ziehen (um nicht haften zu müssen). Verständlich ... aber auch befremdlich.
Es bleibt der Verweis auf die Politik bzw. Behörden. Diese hat das Rennen in Shanghai vorerst gestrichen. Diese hat verfügt, dass in Bahrain ohne Publikum hätte gefahren werden sollen*.
Aber seitens des Bundesstaates hat man auch lange gezögert und erst heute beschlossen, das Publikum außen vor zu lassen ... erst nun sah man ein, dass ein Ausbruch wie in anderen Ländern droht ... nur zeitverzögert.
Macht man nun dem Bundesstaat Victoria den Vorwurf? Man kann ... aber Anfang der Woche gab es in Australien keine 100 bekannten Infektionen. Da hätte noch keiner in einer zuständigen Behörde daran gedacht, dass das Rennwochenende problematisch werden kann. Bei 100 Infektionen in den jeweiligen europäischen Ländern dachte auch noch keiner an Fußball-Spiele vor leeren Rängen.
Letztlich entfällt damit aber nicht die Verantwortung bei FOM und AGPC. Es geht nicht nur darum wer eine Veranstaltung genehmigt/erlaubt/zulässt ... es geht auch darum, wer sie durchführt.
Eine Haltung wie "Ja, wir wissen im Prinzip auch, dass von unserer Veranstaltung ein erhöhtes Risiko zur beschleunigten Verbreitung eines Virus ausgeht ... aber wir sind hier, um Geld zu verdienen und so lange das die Behörden ok finden, machen wir weiter." käme nunmal nicht besonders gut an.
Wäre der F1-Tross eine Woche früher gewesen, dann wäre das Rennen durchgeführt worden.
Wäre das Rennen erst nächste Woche, dann wäre im größeren zeitlichen Abstand klar gewesen, dass daraus nichts wird.
Die zögerliche Haltung sowohl von FOM, als auch von AGPC und dem Bundesstaat Victoria sind allesamt nachvollziehbar. Aber sie gegeben kein gutes Bild ab, keine der drei Parteien.
Spätestens als die Fallzahlen in Europa begannen rasant anzusteigen (also seit gut einer Woche) konnte klar sein "Hey, das kann auch hier in Australien für uns ein Problem werden." ... dennoch wirkte es am Ende doch so, als sei man überrascht worden.
Am Ende wirkt es so, als entscheide die Infektion eines einzelnen Mitgliedes der McLaren-Boxencrew darüber, ob die Durchführung des Grand Prix "moralisch" vertretbar ist oder nicht. Dabei ist es statistisch gesehen unwahrscheinlich, dass er der einzige SARS-CoV-2-Infizierte wäre, der sich dieses Wochenende in den Albert Park begeben hätte.